Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) rechnet für die Länder im Jahr 2020 mit einer Verringerung der Wirtschaftsleistung um 5,1% (Bulgarien) bis 9,4% (Kroatien). Im kommenden Jahr liegen die Zuwächse zwischen 1,7% (Bulgarien) und 5,0% (Kroatien).

In den Balkanstaaten hinterlässt das Coronavirus 2020 deutliche Einschnitte in die Wirtschaftsleistung. Für 2021 sehen die aktuellen Prognosen des WIIW eine spürbare Erholung, aber noch keine Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Erschwert wird der Aufschwung durch die Konflikte um den nächsten EU-Finanzrahmen.

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Südosteuropa steht vor einer Bewährungsprobe. Die jüngeren EU-Mitglieder Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Slowenien und Ungarn leiden 2020 unter der Pandemie und erholen sich in den Folgejahren voraussichtlich nur langsam. Ungarn verzeichnete in den ersten drei Quartalen 2020 einen Rückgang des realen BIP um durchschnittlich 5,4%, Rumäniens Wirtschaftsleistung sank um 4,6% und die Bulgariens um 3,8%. Im Vorjahr hatten diese Länder noch Wachstumsraten von 3,7% (Bulgarien) bis 4,6% (Ungarn) erreicht.

Langsame Erholung von der Krise

Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) rechnet für die Länder im Jahr 2020 mit einer Verringerung der Wirtschaftsleistung um 5,1% (Bulgarien) bis 9,4% (Kroatien). Im kommenden Jahr liegen die Zuwächse zwischen 1,7% (Bulgarien) und 5,0% (Kroatien). Für Griechenland prognostiziert die EU-Kommission 2020 einen Wirtschaftseinbruch um 9,0% und ein Wachstum von 5,0% im Folgejahr.

Die Länder des westlichen Balkans verzeichnen im Schnitt geringere Leistungseinbußen als die EU-Mitglieder der Region. Die Schätzungen des WIIW für die Entwicklung des realen BIP im Jahr 2020 reichen von –2,0% (Serbien) bis –9,0% für Montenegro. Für das Jahr 2021 rechnet das Institut auch mit etwas stärkeren Zuwächsen als in den benachbarten EU-Ländern. Sie reichen von 3,2% für Bosnien-Herzegowina bis zu 5,0% für Montenegro.

Lieferbeziehungen erleiden zumeist Einbußen

Im deutschen Außenhandel hinterließ die geringere Nachfrage in den Ländern Südosteuropas deutliche Spuren: Die deutschen Exporte in die Region sanken in den ersten neun Monaten zumeist mit zweistelligen Raten. Lediglich Serbien (–5,2%), Griechenland (–5,6%), Albanien (–6,4%) und Rumänien (–8,9%) verzeichneten einstellige Rückgangsraten. Dagegen sanken die Exporte nach Nordmazedonien besonders stark, und zwar um 24,1% gegenüber dem Vorjahr.

Ähnlich stark war auch der Rückgang der deutschen Importe aus Nordmazedonien. Sie sanken von Januar bis September 2020 um 20,8% gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Doch es gab einfuhrseitig auch einige Lichtblicke. So legten die deutschen Importe aus dem Kosovo um 56,8% zu, die aus Montenegro erhöhten sich um 37,9%. Doch auch Länder mit höheren Importwerten konnten Zu-wächse verzeichnen: Bulgarien lieferte 0,3% höhere Warenwerte, und Griechenland konnte sogar ein Plus von 7,1% verbuchen. Für die deutschen Einfuhren aus diesen beiden Ländern fielen die Zu-wachsraten im September sogar zweistellig aus.

Deutsche Direktinvestitionen in einigen Ländern gestiegen

Die langfristigen Aussichten für den Außenhandel mit Südosteuropa sind weiterhin positiv, denn das Engagement der deutschen Wirtschaft wurde 2020 teilweise sogar deutlich verstärkt. Bulgarien, Griechenland und Kroatien erhielten in den ersten drei Quartalen 2020 deutsche Direktinvestitionen von jeweils rund 200 Mio EUR. Im gesamten Vorjahr kam Bulgarien auf 26 Mio EUR, Griechenland auf 215 Mio EUR und Kroatien auf 88 Mio EUR.

Nach Rumänien flossen zwar mit 686 Mio EUR höhere Summen, und Ungarn verzeichnete sogar Investitionen in Höhe von 894 Mio EUR aus Deutschland. Allerdings waren im gesamten Vorjahr noch deutlich höhere Transaktionswerte nach Rumänien (823 Mio EUR) und Ungarn (1.895 Mio EUR) gemeldet worden. Vor allem Ungarn zieht weniger Investitionen an.

Streit um EU-Haushalt belastet Investitionen

Vor der Verabschiedung des neuen EU-Finanzrahmens für die kommenden sieben Jahre (2021–2027) haben sich Polen und Ungarn mit ihrem Veto gegen die darin enthaltenen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern gestellt. Damit werden die geplanten Ausgabenprogramme zunächst nicht umgesetzt werden können. Stattdessen tritt ein Nothaushalt auf der Basis der bisherigen Ansätze für die laufenden Ausgaben in Kraft.

Diese Blockade des EU-Haushalts und des zusätzlichen Hilfspakets zur Linderung der Folgen der Coronapandemie betrifft ein Volumen von insgesamt 1,8 Bill EUR. Vor allem Polen und Ungarn hätten daraus erhebliche Mittel erhalten, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau unterstützen würden. Ohne diese Mittel fehlen nicht nur finanzielle Spielräume, auch die Attraktivität dieser Länder für Investoren aus der EU dürfte durch den getrübten politischen Ausblick belastet werden. Denn die EU könnte die beiden Länder durch Mehrheitsentscheidungen isolieren.

Eine Zuspitzung des Konflikts würde die Beziehungen der EU zu Südosteuropa  jedoch voraussichtlich belasten. Bereits die Verweigerung von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien (HIER) war in der Region negativ aufgenommen worden.

gunther.schilling@faz-bm.de

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