Das Emirat Qatar war lange Zeit für viele ein vergessener Fleck Erde auf der Landkarte. Nun hat es durch den Erwerb von Porsche in Deutschland die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dabei ist die geographische Lage der arabischen Staaten in der Region um den ­Persischen Golf auch dem politisch Interessierten nicht immer geläufig. So ist es nicht ­verwunderlich, dass das arabische Emirat Dubai – als Teil des Staates Vereinigte Arabische Emirate (VAE) – vielfach synonym für die gesamte Region benutzt wird. Dubai ist eine beliebte Feriendestination – nicht nur für Europäer, sondern in steigendem Maße auch für Araber aus der Region. Darüber hinaus wird es auch von vielen Firmen gerne als ­zentraler Firmensitz für die gesamte Region gewählt.

Von Thomas Schröder, Abteilungsdirektor Strukturierte Außenhandelsfinanzierung, BHF-Bank AG

Zuletzt geriet das Emirat durch seine Zahlungsprobleme in die Schlagzeilen. Die gute Nachricht vorneweg: Dubai ist nicht pleite! Und Dubai wird auch nicht pleite gehen, denn es steht als Markenname für die gesamten Vereinigten Arabischen Emirate und ist dadurch auch für die Nachbaremirate von zentraler Bedeutung. Das ölreiche Abu Dhabi wird die Brüder in Dubai immer unterstützen, allerdings nicht mehr ohne Gegenleistungen und wohl eher selektiv.

Äußeres Zeichen hierfür ist die Umbenennung des neuesten welthöchsten Gebäudes in Dubai in Burj Khalifa – genannt nach dem aktuellen Herrscher der VAE, Sheikh Khalifa. Weitergehende, für Dubai eher schmerz­liche Zugeständnisse dürften gemacht werden bei der Beteiligung von Abu Dhabi an Immobilienfirmen, Industrien und Infrastrukturobjekten.

Die Immobilienblase in Dubai ist mit einem Knall geplatzt, die Wirtschaftstätigkeit im Immobilienbereich ist drastisch zurück­gegangen. Viele Spekulanten haben sich die Finger verbrannt, und einige der absurden Werbesprüche an der Sheikh Zayed Road („Twice as big as Hongkong“) sind verschwunden. Die Zahlungsprobleme bei dem halbstaatlichen Immobilienentwickler Nakheel hatten sich für Insider allerdings schon vor über zwölf Monaten abgezeichnet. Und diese Schwierigkeiten werden auch noch eine ganze Zeitlang andauern.

Aber Dubai hat auch noch eine andere Seite, nämlich die der Handels- und Industriestadt. Die Freizone von Jebel Ali dürfte der größte Warenumschlagplatz im Nahen Osten sein, hier wird ein großer Teil des Handels auch mit dem Iran abgewickelt – was aus politischen Gründen zurückhaltend behandelt wird.

Außerdem gibt es eine ganze Reihe von produzierenden Unternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen unabhängig von der Krise um Dubai agieren und hier durchaus gute Erfolge haben: Alle Industrien rund um das Thema „Food & Beverage“ sind relativ gut durch die Krise gekommen, auch wenn der eine oder andere seine Expansionspläne erst mal für ein paar Monate verschoben hat und jetzt eher auf Sicht fährt.

Hier bieten sich für die deutsche Industrie gute Lieferchancen im Bereich Abfüllan­lagen, Verpackungslinien und in den damit zusammenhängenden Technologien (Hygienetechnik, Logistikeinrichtungen, Beratungsleistungen usw.). Des Weiteren lassen sich der Gesundheitsbereich, die öl-nahe Industrie, stahlverarbeitende Betriebe u.a. als potentielle Kunden nennen. Und wer durch Jebel Ali fährt, dem entgeht nicht die Vielzahl von Logistikprovidern aus der ganzen Welt.

Die Beschäftigung mit dem Thema Dubai – seit einigen Monaten fast täglich Thema in der Presse – verstellt allerdings den Blick auf die großen Chancen und positiven Entwicklungen in den anderen Emiraten der VAE bzw. den Ländern des Golf-Kooperations­rates (GCC).

Die schachbrettartig gestaltetete Industriezone von Mussaffah (Abu Dhabi) beherbergt auf 25 qkm eine große Anzahl von produzierenden Unternehmen, beim Blick in die Werkshallen sieht man überall vertraute Namen von deutschen Maschinen­lieferanten. Die geplante Industriezone um Khalifa Port – nicht weit entfernt von der Stadt Abu Dhabi – dürfte weitere Nachfrage nach deutscher Industrieausrüstung nach sich ziehen.

Während die kleinen, aber rohstoffreichen Staaten Qatar und Kuwait nur spezielle Ausrüstungen importieren, die vielfach mit der Öl- und petrochemischen Industrie zu tun haben, verfügt das Königreich Saudi-Arabien (KSA) mit seinen 25 Millionen Einwohnern (davon 90% unter 40 Jahre) über ein hohes industrielles Entwicklungspotential, das die deutsche Wirtschaft durchaus zu nutzen versteht.

Auch wenn die chinesische Konkurrenz an allen Ecken und Enden lauert und vom Preis her in der Regel nicht zu schlagen ist, so stellt man nicht nur in Saudi-Arabien immer wieder fest, dass der Käufer durchaus bereit ist, für gute deutsche Qualität etwas mehr zu bezahlen. Hinzu kommt noch eine gewisse Sympathie für Deutschland, die einen weiteren Wettbewerbsvorteil bedeutet. Dies mag beim Erwerb von Anteilen an Porsche/ VW durch den Emir von Qatar eine Rolle gespielt haben. Der Kauf der Ferrostaal AG durch die IPIC aus Abu Dhabi hingegen unterstreicht den Willen der Emiratis zu einer verstärkten industriellen Zusammenarbeit mit deutschen Firmen.

Das Geschäftspotential außerhalb von Öl und Gas in den GCC-Ländern wird vielfach unterschätzt. So ist zum Beispiel die börsennotierte Firma Almarai der weltgrößte Milchproduzent, obwohl man bei Saudi-Arabien nicht unmittelbar an Kühe denkt. Eine solche Firma benötigt Abfülleinrichtungen, Anlagen für Milch- und Joghurtverarbeitung, Labore, Logistikeinrichtungen, Lastwagen – und vieles mehr.

Die vielen neuen Bauprojekte in Saudi-Arabien und die Entwicklungen ganzer neuer Städte ziehen eine Vielzahl von potentiellen Lieferanten an. Anders als Dubai verfügt das ölreiche Saudi-Arabien über ein gewaltiges Finanzpolster, um staatliche Immobilien- und Infrastrukturprojekte solide finanzieren zu können.

Ähnlich märchenhafte Bedingungen herrschen im Staat Qatar. Hier soll jeder siebte Einwohner Millionär sein, wobei die Zahl der Staatsbürger mit qatarischem Pass wohl eher mit der Einwohnerzahl von Hannover zu vergleichen ist. Der Emir unterstützt die palästinensische Hamas, toleriert eine israelische Handelsvertretung und gewährt zugleich der amerikanischen Armee einen großen Stützpunkt. Damit vollzieht er einen politischen Balanceakt, der dem Land den Zusatz „Schweiz am Golf“ eingebracht hat.

Der Themenschwerpunkt in Qatar liegt eindeutig auf Gas und Petrochemie, Bauwesen und Infrastruktur. Erst vor wenigen Wochen hat die Deutsche Bahn International einen gewaltigen Auftrag von Qatar erhalten, bei dem es um die Begleitung eines Gesamt­investitionsvolumens von ca. 17 Mrd Euro für verschiedene Schnellbahnverbindungen geht.

Als weitere Boomregion könnte sich der Irak entwickeln, wenn hier nicht die große politische Instabilität wäre. Eine Irak-Veranstaltung im Oktober 2009 im Wirtschaftsministerium in Berlin hatte über 250 Interessenten angelockt, die sich zu Geschäftsmöglichkeiten, aber auch zu Risiken bei Irak-Geschäften informieren wollten. Das Resümee: Wir stehen in den Startlöchern, scharren mit den Hufen, aber trauen uns noch nicht loszurennen.

Der Irak nimmt täglich hohe Millionenbeträge durch den Ölexport ein, aber die Gelder fließen nicht in sinnvolle Investitionspro­jekte, sondern werden gehortet. Es ist zu befürchten, dass dieser Zustand noch für einige Zeit anhalten und das Land lähmen wird.

Insgesamt können deutsche Exporteure mit einer gehörigen Portion Optimismus in die Golfregion schauen, auch wenn die Problemfelder Irak und Iran nicht ganz aus den Augen gelassen werden sollten.

Kontakt: thomas.schroeder[at]bhf-bank.com

18 replies on “Nachfragetrend: Golfstaaten bleiben attraktiv”

Comments are closed.

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner