Die Ukraine-Krise und die mit ihr einhergehenden Sanktionen verunsichern deutsche Unternehmen, die in Russland oder der Ukraine engagiert sind. Eine juristische Beratung zur Vertragsgestaltung und die Nutzung der verschiedenen Absicherungsinstrumente in der Exportfinanzierung helfen, Risiken zu kontrollieren. Zu wissen, mit wem man Geschäfte macht, ist wesentlich, um Sanktionsverstöße zu vermeiden. Wir dokumentieren ein Gespräch zwischen Experten der BHF-BANK und der Kanzlei Morgan Lewis.

Zuzana Franz, Senior Regional Manager Financial Institutions – ­Emerging Markets und Andrej Rempel, Team Head Acquisition Structured Export Finance, BHF-BANK & Grigory Marinichev, Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Bank- und Finanzrechtspraxis im Moskauer Büro von Morgan, Lewis & Bockius LLP und Dr. Torsten Schwarze, Rechtsanwalt, Partner im Bereich Bank- und Finanzrecht im Frankfurter Büro von Morgan, Lewis & Bockius LLP

Russland ist für Unternehmen aus Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt. In der Rangfolge der deutschen Exportmärkte stand Russland im Jahr 2013 auf dem elften Platz. Die Ausfuhren nach Russland summierten sich auf 36,1 Mrd EUR. Auch als Produktionsstandort hat Russland für deutsche Firmen Bedeutung. Tausende Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind in Russland tätig. Deutsche Unternehmen haben in Russland über 20 Mrd EUR investiert. Nicht nur große Konzerne, sondern auch viele mittelständische Unternehmen sind dort engagiert. Besorgt verfolgen viele Unternehmen in Deutschland die Entwicklung der Ukraine-Krise und die damit verbundene Sank­tionspolitik.

Die EU und die USA haben die Verhandlungen mit Russland unterbrochen und in einer zweiten Sanktionsstufe Kontosperrungen und Einreiseverbote gegen einzelne Regierungsvertreter und Unternehmer aus Russland verhängt. Auf der Sanktionsliste der EU stehen derzeit vor allem Personen aus dem Umfeld von Präsident ­Wladimir Putin. Auch dem früheren ukrainischen Präsidenten Janukowitsch nahestehende Ukrainer sind betroffen. Die Drohung, den Wirtschaftsverkehr mit Russland zu beschränken, steht im Raum.

Im ersten Quartal 2014 sind die deutschen Ausfuhren nach Russland (–12,9%) und – noch deutlicher – in die für die deutsche Außenwirtschaft weniger wichtige Ukraine (–25,9%) bereits stark zurückgegangen, denn die Verunsicherung ist groß. Darunter leiden auch Transitstaaten wie Weißrussland (–16,6%) und die Republik Moldau (–17,9%).

Im Gespräch erklären die Rechtsanwälte Grigory Marinichev und Dr. Torsten Schwarze von der Kanzlei Morgan Lewis sowie Zuzana Franz und Andrej Rempel von der BHF-BANK, was bei Geschäften mit Russland und der Ukraine gegenwärtig wichtig ist.

Worauf müssen insbesondere mittelständische Unternehmen, die nach Russland oder in die Ukraine exportieren wollen, achten?

Grigory Marinichev: Mit Personen, die auf den Sanktionslisten der EU stehen, und mit Unternehmen, die ihnen gehören oder von ihnen beherrscht werden, dürfen keine Geschäfte mehr gemacht werden. Verschärfend kommt hinzu, dass auch auf mögliche Auswirkungen der US-Sanktionen geachtet werden muss, die nicht sofort offensichtlich sind. Schon eine USD-Zahlung an eine von den USA sanktionierte Person über eine Korres­pondenzbank in den USA könnte ein ­Verstoß sein. Oder, ein anderes Beispiel: Wenn ein europäisches Unternehmen im Backoffice einen amerikanischen Staatsbürger beschäftigt und dieser an einem Geschäft mitarbeiten muss, das in den USA verboten ist, könnte dies von den USA ebenfalls als Sanktionsverstoß gewertet werden.

Mit den US-Sanktionen muss man sehr vorsichtig sein, denn sie sind stark erweitert. Nicht nur die Exportabteilung, sondern das ganze Unternehmen − auch Zahlungsverkehr und IT − müssen sich mit dem Thema Sanktionen beschäftigen. Darüber hinaus gelten natürlich auch weiterhin die schon seit langem bestehenden Beschränkungen und Verbote bezogen auf einzelne Produktgruppen. Aus juristischer Sicht haben die Sanktionen jedoch für die weitaus größte Zahl der Geschäfte überhaupt keine Auswirkungen. Für mittelständische Unternehmen ist es nach meiner Einschätzung sehr unwahrscheinlich, dass sie auf einen Geschäftspartner treffen, der auf einer Sanktionsliste steht.

Zuzana Franz: Das sehe ich auch so. Aber um sicherzugehen, muss ein Unternehmen jetzt eine Due Diligence machen, das heißt, es muss genau prüfen, mit wem es Geschäfte macht. Für erfahrene Außenhandelsbanken ist das seit langem Routine. Für uns gilt ohnehin der Compliance-grundsatz „Kenne deinen Kunden”. Wir als Bank prüfen hinsichtlich einer Finanzierung, ob das geplante Geschäft von Sanktionen betroffen sein könnte. Wir schauen dabei auch, welche Sanktionen von den USA verhängt wurden.

Was passiert, wenn Geschäfte, die heute unproblematisch sind, später in irgendeiner Form von Sanktionen berührt werden? Kann ein Unternehmen in diesem Fall aus rechtlicher Sicht von einem Liefervertrag zurücktreten?

Torsten Schwarze: Das hängt davon ab, was individuell zu den Kündigungsgründen in den Verträgen vereinbart wurde. Bei Exportgeschäften kommt es zudem immer darauf an, in welchem Stadium sich das Geschäft befindet. Für den Fall, dass sich die Situation vor der Lieferung ändert, kann sich ein Unternehmen mit einer geeigneten Vertragsgestaltung, die Kündigungsgründe definiert und Lieferverweigerungsrechte vorsieht, gut absichern.

Grigory Marinichev: Nach der Lieferung sind die juristischen Möglichkeiten beschränkt. Auch wenn sich ein Unternehmen oder eine Bank beim Empfänger über eine absichernde Vertragsklausel einen Rechtsanspruch auf Zahlung sichert, wird es kaum gelingen, auf diesem Weg wirklich an das Geld zu kommen. Gemäß den meisten Sanktionsregelungen darf man – mit wenigen Ausnahmen – die Zahlungen von Personen, die auf den Sanktionslisten stehen, nicht annehmen.

Wie kann sich ein deutscher Exporteur bei der Finanzierung gegen Risiken absichern?

Andrej Rempel: Wenn es um die Absicherung für Exportgeschäfte geht, steht der Bund mit den Absicherungsinstrumenten von Hermes sowohl für Russland als auch für die Ukraine weiterhin unverändert zur Verfügung. Das wurde von Hermes vor kurzem noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Zuzana Franz: Im kurzfristigen Ge-schäft, wenn es sich nicht um Investitionsgüter handelt und die Geschäfte auf Basis von dokumentären Instrumenten wie Akkreditiven oder Garantien abgewickelt werden, gibt es noch die Möglichkeit, neben der normalen Bankabsicherung Absicherungen über multinationale Banken wie die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) oder die International Finance Corporation (IFC) zu nutzen. Diese geben bis zu 100% Garantie für das politische und das wirtschaftliche Risiko. Wir sehen, dass deren Absicherungsangebote im Markt derzeit verstärkt nachgefragt werden. Ich halte dies für deutsche Exporteure auch für eine interessante Lösung.

Wie sehen Sie die Situation bei Direkt-investitionen? Lassen sich die Risiken, die bei den derzeitigen Gegebenheiten, etwa beim Bau eines Werkes in Russland, entstehen, abfangen?

Torsten Schwarze: Aus juristischer Sicht ist ein Investment in Russland genauso sicher wie vor der Krise, aber die allgemeine Unsicherheit ist gestiegen. Letztendlich unterliegt man als Investor einfach der Reaktion Russlands auf west­liche Sanktionen.

Grigory Marinichev: Allerdings ist auch festzustellen, dass in Russland abseits
der politischen Spannungen einiges ge-schieht, um die Position ausländischer Investoren zivilrechtlich zu stärken. Ab Juli wird es ein zentrales Register über alle Verpfändungen von beweglichen Gütern geben. Bisher war die Lage hier unübersichtlich, und wir hatten mehrere Fälle, in denen Ware mehrfach verpfändet worden ist. Außerdem wird es einfacher werden, Sicherheiten über russisches Vermögen zu nehmen und das Konzept der Treuhandkonten, das es in Russland bisher nicht gab, wird neu eingeführt.

Sind Geschäfte mit Russland und der Ukraine trotz der Sanktionen noch interessant?

Andrej Rempel: Bei der Situation, die wir derzeit haben, ja. Der Kreis der Personen und der Unternehmen, die auf Sanktionslisten stehen, ist klein. Gerade für mittelständische Unternehmen ist es sehr unwahrscheinlich, auch nur mittelbar mit jemandem in Kontakt zu kommen, der sanktioniert ist. Deutsche Unternehmen haben sehr lange und sehr positive Beziehungen zu beiden Ländern. Der Bedarf an deutschen Produkten ist gerade in Russland groß, und Russland hat sich als verlässlicher Wirtschaftspartner erwiesen. Wichtig ist, die aktuellen Gegebenheiten bei der Vertragsgestaltung zu beachten und mit versierten Partnern in der Außenhandelsfinanzierung alle Absicherungsmöglichkeiten zu nutzen. Alles entscheidend ist aber natürlich, wie sich die politische Lage weiter entwickelt.

Kontakt: zuzana.franz[at]bhf-bank.com ; gmarinichev[at]morganlewis.com ; andrej.rempel[at]bhf-bank.com ; tschwarze[at]morganlewis.com

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