Viele Exporteure fragen sich, ob sie den extraterritorialen US-Iran-Sekundärsanktionen nachkommen sollen, obwohl die am 7. August 2018 neugefasste Anti-Boykott-VO dies für EU-Firmen verbietet. Bietet die Anti-Boykott-VO nur Nachteile oder auch Schutz? Und welche ergänzenden Regelungen sind hierfür zu berücksichtigen? Für den Zahlungsverkehr mit dem Iran hat die EU-Außenbeauftragte Mogherini eine Handelsplattform vorgeschlagen.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall

Das Unternehmen D in Deutschland möchte den iranischen Kunden I behalten, der auf der E.O. 13599 gelistet ist und voraussichtlich nach dem 4. November 2018 mit Sekundärsanktionen auf der SDN-Liste gelistet ist. Als Nicht-US-Person muss D das nach US-Exportrecht wegen der Sekundärsanktionen nach dem November 2018 beachten, nach der Anti-Boykott-VO darf D das aber nicht. Was sollte D tun, um aus diesem Konflikt herauszukommen?

Ergänzung des Falls

Die deutsche Bank B möchte nach dem 4. November 2018 die Gelder von I einfrieren und wegen der US-Listung keine Überweisungen an I vornehmen. Was kann I unternehmen, damit B doch die Überweisung an ihn durchführt?

Zur novellierten Anti-Boykott-VO

Mit der Delegierten-VO 2018/1100 trat am 7. August 2018 der neue Anhang zur Anti-Boykott-VO 2271/96 in Kraft. Mit dieser Neufassung wurden vor allem die ITSR (Iran Transaction and Sanctions Regulations) in den Anhang aufgenommen sowie alle modernen extraterritorialen US-Gesetze zum Iran. Die EU-Wirtschaftsteilnehmer werden wie folgt durch diese Anti-Boykott-VO geschützt:

Alle in einem Drittland (z.B. den USA) gefällten Entscheidungen, die auf den gelisteten extraterritorialen US-Rechtsakten oder auf den nach ihnen erlassenen Rechtsakten/Vorschriften beruhen, werden in der EU für unwirksam erklärt, so dass sie in der EU nicht vollstreckt werden dürfen (Art. 4).

EU-Wirtschaftsteilnehmer erhalten die Möglichkeit, bei der EU-Kommission eine Genehmigung zu beantragen, damit sie die gelisteten extraterritorialen Rechtsakte ganz oder teilweise einhalten dürfen, sofern anderenfalls ihre Interessen schwer geschädigt würden (Art. 5).

EU-Wirtschaftsteilnehmer erhalten die Möglichkeit, für Schäden, die ihnen aus der Anwendung der gelisteten extraterritorialen Rechtsakte entstehen, von den verursachenden Personen Ersatz zu verlangen (Art. 6). Dies kann sich z.B. gegen US-Firmen oder US-Behörden richten.

Kritik an der Anti-Boykott-VO/­Änderungswünsche

In der letzten Ausgabe des ExportManagers ist geltend gemacht worden, dass diese Anti-Boykott-VO wenig effektiv sei und kaum Schutz biete; es bestünde die Gefahr, dass die Zwangslage für die EU-Wirtschaftsteilnehmer verstärkt würde. Richtig ist, dass folgende Änderungen der Anti-Boykott-VO für die betroffene Wirtschaft wünschenswert wären:

Es sollte möglich sein, nicht nur einzelne Beeinträchtigungen vorzubringen, sondern erforderlichenfalls sollten auch sämtliche Beeinträchtigungen des EU-Unternehmens (als Paket), die das EU-Unternehmen durch diese extraterritorialen US-Iran-Regelungen erleidet, von der EU-Kommission behandelt werden können.

Die Regelung, dass Beeinträchtigungen „binnen 30 Tagen“ an die EU gemeldet werden sollen (Art. 2 Abs. 1), sollte dahingehend abgeändert werden, dass Beeinträchtigungen so früh wie möglich gemeldet werden sollen, um unnötigen Druck zu vermeiden.

Art. 5 sollte dahingehend erweitert werden, dass nicht nur entschieden werden darf, ausnahmsweise die US-Regelungen beachten zu dürfen, sondern dass die EU oder ihre Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen zum Schutz der EU-Wirtschaftsteilnehmer ergreifen dürfen.

Gleichzeitig sollte national geregelt werden, dass eine Geldbuße nach § 7 AWV dann teilweise oder ganz ausscheidet, wenn sich das betroffene Unternehmen in einer Zwangslage befunden hat, und vor allem, wenn es vergeblich Maßnahmen getroffen hat, um aus dieser Zwangslage zu entkommen.

Weiterer Akt zum Schutz der EU-Wirtschaftsteilnehmer von 1996

Kurz nach Verabschiedung der Anti-Boykott-VO ist 1996 eine Gemeinsame Aktion der EU beschlossen worden. Diese besagt Folgendes: Jeder Mitgliedstaat ergreift die seines Erachtens erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der EU-Wirtschaftsunternehmen, die durch die extraterritoriale Anwendung der im Anhang zur VO 2271/96 gelisteten US-Regelungen beeinträchtigt werden, soweit diese Interessen nicht durch die Anti-Boykott-VO geschützt werden.

Plan des „Special Purpose Vehicle Iran“ von 2018

Nach einem Plan der EU-Außenbeauftragten Mogherini wollen die verbliebenen Partner des Wiener Iran-Abkommens JCPOA eine neue Handelsplattform einrichten. Durch dieses SPV (Special Purpose Vehicle) soll das Iran-Geschäft vom globalen Finanzsystem abgekoppelt werden, so dass dies abseits der Banken stattfindet. Forderungen und Zahlungen könnten dort miteinander verrechnet und Finanzflüsse anonymisiert werden. Das würde künftig den Zahlungsverkehr mit dem Iran erheblich erleichtern, denn im Augenblick gibt es nur noch sehr wenige Banken, die bereit sind, Konten für Iran-Zahlungen anzubieten (aber es gibt noch einige!).

Lösung des Ausgangsfalls

D hat hier vor allem zwei Möglichkeiten, wenn er den Kunden I behalten möchte. Entweder er beantragt eine US-Ausnahmegenehmigung, oder er wendet sich an die EU-Kommission mit dem Antrag, Maßnahmen zu seinem Schutz zu ergreifen. Sollte die EU-Kommission dann nur beschließen, dass D ausnahmsweise die US-Regelungen beachten darf (ohne jegliche Schutzmaßnahme), dann hat er im Zweifel Anspruch auf diplomatischen Schutz gegen die deutsche Regierung. Nach der Gemeinsamen Aktion von 1996 ist der deutsche Staat verpflichtet, Schutzmaßnahmen für D zu ergreifen, wenn D ansonsten schwer geschädigt würde. So könnte die deutsche Regierung bei den US-Behörden z.B. eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Lösung des Ergänzungsfalls

Dass dies ein Verstoß gegen die Anti-Boykott-VO sein dürfte, ergibt sich z.B. aus einem Fall von 2007: Eine österreichische Bank hatte, weil sie einen neuen US-Eigentümer erhielt, sämtlichen kubanischen Kunden gekündigt. Erst nachdem sie eine Geldbuße nach der Anti-Boykott-VO erhalten sollte, nahm sie diese Kündigungen zurück und beantragte in den USA eine Ausnahmegenehmigung. Das Gleiche ergibt sich aus einem Urteil des OLG Frankfurt am Main von 2011: Dort hatte eine internationale Bank mit Niederlassung in Deutschland Gelder eines US-gelisteten Kunden eingefroren. Der Kunde verklagte die Bank und bekam recht, weil sich die deutsche Bank nicht ohne weiteres an US-Sanktionsvorschriften halten darf; hierbei spielte die Anti-Boykott-VO eine zentrale Rolle.

Die Bank B sollte hier eine Ausnahmegenehmigung in den USA beantragen oder Schutzmaßnahmen nach der Anti-Boykott-VO von der EU bzw. von der deutschen Regierung anstreben. Dem o.g. Urteil des OLG lässt sich entnehmen, dass EU-Wirtschaftsteilnehmer (hier die Bank B) im Zweifel nur dann ihre Sorgfaltspflichten erfüllen, wenn sie sich bemühen, der Zwickmühle kollidierender Rechtsordnungen zu entkommen.

Resümee

Den Kritikern ist darin recht zu geben, dass die Anti-Boykott-VO in den drei genannten Punkten und die deutsche Regelung des § 7 AWV in dem einen Punkt geändert werden sollten. Zumindest danach bestehen Aussichten, dass die revidierte Anti-Boykott-VO eine Schutz­wirkung entfalten kann.

Und richtig ist auch, dass weitere Maßnahmen der EU zum Schutz der EU-Wirtschaftsteilnehmer erforderlich sind. Ein Schritt ist die Gemeinsame Aktion der EU von 1996, wobei es wünschenswert wäre, die Tätigkeit von EU und Mitgliedstaaten besser miteinander zu verzahnen. Und Schritte für eine Vereinfachung des Iran-Zahlungsverkehrs sind sehr hilfreich; hier könnte der SPV-Plan eine Lücke füllen.

Wichtig ist, dass die EU-Wirtschaftsteilnehmer nicht wegen der US-Iran-Sekundärsanktionen in Resignation verfallen und ihr Iran-Geschäft vorschnell aufgeben, obwohl sie nicht gegen die US-Iran-Primär- oder Sekundärsanktionen verstoßen. Sie sollten Schritte prüfen, wie sie aus dieser Zwickmühle herauskommen.

Wegen aktueller Hinweise zum Iran-Embargo vgl. http://hohmann-rechtsanwaelte.de/iran-embargo.html.

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

 

 

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