Die Vereinheitlichung und Automatisierung der Verwaltung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schreitet voran. Die elektronischen Verfahren sollen insbesondere für mehr Sicherheit und Transparenz sorgen. Für die betroffenen Bürger und Unternehmen bedeutet dies in der Praxis zunächst jedoch einen aufwendigen Anpassungsprozess und eine penible Einhaltung der Vorgaben. Insbesondere im Außenhandel erfordern Zahl und Dringlichkeit der Vorgänge eine genaue Kenntnis des Verfahrens und der potentiellen Fehlerquellen. (gus)

Von Dr. Ulrich Schrömbges, Rechtsanwalt und Steuerberater, Schrömbges + Partner Partnerschaftsgesellschaft

Das Ausfuhrverfahren, in dem alle Güter aus der EU exportiert werden müssen, ist seit dem 01.07.2009 aufgrund einer Änderung des europäischen Zollrechts elektronisch abzuwickeln. Aus dem bis dato eher statistischen Ausfuhrverfahren wird ein logistischer und penibel einzuhaltender Prozess, bei dem die Ausfuhranmeldung eher zum Nebenprodukt wird. Der Übergang von der Papierform auf die elektronische Form ist – für viele unerwartet – substantiell und voller Herausforderungen für die Exportwirtschaft.

In Deutschland werden die europäischen IT-Systeme AES (Automated Export System = Datenaustausch zwischen Ausführer und den Zollbehörden) und ECS (Export Control System = Datenaustausch zwischen den Binnen- und Grenzzollstellen) umgesetzt durch ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zoll-Abwicklungs-System). Dabei sind die ATLAS-Verfahrensanweisungen – rechtsstaatlich sehr fragwürdig – durch § 8 der deutschen Zollverordnung mit einer Rechtsverbindlichkeit ausgestattet, die ähnlich ist wie die der Ausfuhrvorschriften des europäischen Zollkodexes und seiner Durchführungsverordnung.

ATLAS modifiziert nun aber das zweistufige Zollverfahren des europäischen Zollrechts nicht unerheblich. Insbesondere erkennt es „unbarmherzig“ alle Lücken und mit fehlerhaften Angaben gefüllte Felder und lässt Fehlerkorrekturen so gut wie nicht zu.

  1. Stufe: Der Ausführer übermittelt der Ausfuhrzollstelle vor der Gestellung der Ware elektronisch die Ausfuhranmeldung, i.d.R. 24 Stunden vor der Ausfuhrabfertigung. Gibt der Ausführer allerdings für seinen Sitz eine falsche Postleitzahl ein, anhand derer die Zuständigkeit der Ausfuhrzollstelle plausibilisiert wird, kommt das Ausfuhrverfahren nicht in Gang. Sogar Zoll und Einfuhrumsatzsteuer können entstehen, wenn der Ausführer die Ausfuhranmeldung für die bereits gestellte Ware einer „falschen“ Ausfuhrzollstelle elektronisch übermittelt.
  2. Stufe: Die örtlich zuständige Ausfuhrzollstelle prüft automatisiert die Zulässigkeit der Ausfuhr , vergibt dabei eine Movement Reference Number (MRN) und übermittelt dem Ausführer das ­Ausfuhrbegleitdokument (ABD) und der Ausgangszollstelle eine Vorabausfuhranzeige.
  3. Stufe: Der Ausführer befördert die Ware zur Ausgangszollstelle, wofür das Ausfuhrbegleitdokument (ABD) grundsätzlich zwingende Voraussetzung ist.
  4. Stufe: Die Ausgangszollstelle erteilt die Erlaubnis zum Ausgang oder untersagt diesen und ordnet ggf. Kontrollmaßnahmen an.
  5. Stufe: Der Ausführer belegt der Ausgangszollstelle den tatsächlichen Ausgang der Ware, was nicht unproblematisch ist; künftig soll der letzte Verlader den Ausgang verantwortlich bestätigen.
  6. Stufe: Die Ausgangszollstelle bestätigt der Ausfuhrzollstelle den Ausgang durch Übermittlung der Nachricht „Ausgangsbestätigung/Kontrollergebnis“.
  7. Stufe: Die Ausfuhrzollstelle erledigt abschließend das Ausfuhrverfahren durch das Dokument „Ausgangsvermerk“, das sie dem Ausführer übermittelt und das die Finanzämter als Umsatzsteuernachweis anerkennen.

Dieser Rücklauf funktioniert bei weitem nicht immer, weil einige Mitgliedsstaaten die Elektronik noch nicht im Griff haben (etwa Frankreich, die Niederlande, Schweden, Finnland) oder der Ausfuhrnachweis Schwierigkeiten bereitet (z.B. Flughäfen Frankfurt und Hamburg, Seehäfen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden).

Der Ausführer kann die Ausfuhranmeldung überhaupt nicht mehr, die Ausfuhrzollstelle kann sie nur noch sehr eingeschränkt korrigieren. Hintergrund ist das Zollsicherheitsprogramm der EU, die Bekämpfung des Terrorismus in der internationalen Lieferkette. Ein automatisierter Sicherheitscheck hätte nämlich keinen Sinn, wenn die sicherheitssensiblen Daten im Nachhinein geändert werden könnten.

Nur eine vollständige, richtig und plausibel ausgefüllte elektronische Ausfuhranmeldung, bei der keine Risikoparameter ausschlagen, ermöglicht einen ungehinderten Warenfluss. So führen etwa eine ungültige Warennummer (z.B. Zahlendreher), eine ­falsche Zollcodierung, eine nicht plausible Warenbeschreibung oder fehlende Ge-wichtsangaben zur Ablehnung der Zollanmeldung.

Um sicherzustellen, dass das ABD rechtzeitig übermittelt wird und den Transport begleiten kann, müssen Unternehmen ihre unternehmensinternen Prozesse so weit anpassen, dass zum richtigen Zeitpunkt alle erforderlichen Informationen, auch über die Geschäftspartner und sonstige Teilnehmer der internationalen Lieferkette, bereitstehen und Codelisten sowie Stammdaten korrekt sind.

Es war klar, dass das neue elektronische Ausfuhrverfahren nicht sofort reibungslos funktionieren würde; deshalb sieht ATLAS ein Ausfall- und Sicherheitskonzept vor.

Der Ausfallplan wird in Gang gesetzt, wenn der Ausführer oder die Zollstelle technische Störungen dem Service-Desk des Zentrums zur Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) meldet. Dieses bestätigt dann die Eröffnung des Notfallverfahrens durch Vergabe einer Ticketnummer, wobei auf das neue Einheitspapier zurückgegriffen wird. In einigen Mitgliedsstaaten ist das Notfallverfahren allerdings das Normalverfahren, was Wettbewerbsverzerrungen und logistische Probleme zu Lasten deutscher Exportunternehmen schafft.

Die Ausgangszollstelle schickt ihre „Ausgangsbestätigung“ auch dem Statistischen Bundesamt zu. Da die deutsche Exportwirtschaft rund 20% ihrer Waren über Ausgangszollstellen in anderen Mitgliedsstaaten exportiert, die zum Teil keine elektro­nische Ausgangsbestätigung erstellen (können), kann das Statistische Bundesamt eine Ausfuhr nicht als Ausfuhr „buchen“. Vorher ging die Überlassung zur Ausfuhr durch die Ausfuhrzollstelle als Ausfuhr in die Außenhandelsstatistik ein.

Textkasten: Weitere Informationsquellen zum neuen Ausfuhrverfahren

Mit der Änderung des Ausfuhrverfahrens zum 1. Juli 2009 gelten im elektronischen Verfahren teilweise geänderte Warennummern. Diese sind im „Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik 2010“ des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) nachzulesen. Einen Überblick und spezielle Informationen, z.B. zu besonderen Maßeinheiten, gibt die SOVA-Datei aus derselben Quelle.

Für die Ermittlung der für die auszuführende Ware geltenden Bestimmungen und Abgaben hält der deutsche Zoll Informationen zum elektronischen Abwicklungssystem ATLAS, zum EU-Außenzolltarif TARIC und zu den darüber hinaus geltenden deutschen Bestimmungen unter www.zoll.de bereit.

Kontakt: ulrich.schroembges[at]schroembges.net

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