Vietnam boomt, doch es mehren sich Unsicherheiten. Mit dem wachsenden Wohlstand nimmt in der Bevölkerung der Wunsch nach bürgerlichen Rechten zu. Die Banken und das Finanzsystem sind nicht krisenfest. Die bereits hohe Verschuldung begrenzt den finanziellen Handlungsspielraum der Regierung.

Vietnam zählt zu den aussichtsreichsten Schwellenmärkten für deutsche Exporteure. Die Wirtschaft floriert, insbesondere die Exporte boomen, und die Konsumneigung der Vietnamesen ist ungebrochen. Jedoch mehren sich auch die Unsicherheiten. Mit dem wachsenden Wohlstand nimmt in der Bevölkerung der Wunsch nach bürgerlichen Rechten zu. Die Banken und das Finanzsystem sind nicht krisenfest. Die bereits hohe Verschuldung begrenzt den finanziellen Handlungsspielraum der Regierung.

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Der beeindruckende Aufschwung eines einst armen Landes

Ende der 90er Jahre galt der südostasiatische Küstenstaat als verarmt und war weit von einem konjunkturellen Aufschwung entfernt. Inzwischen ist Vietnam am Nachbarland Indonesien vorbeigezogen, vergleicht man die wirtschaftliche Dynamik und die konjunkturelle Entwicklung beider Länder. So hat Vietnam zuletzt einen beeindruckenden Exportaufschwung erlebt. In den vergangenen 20 Jahren lag das Wachstum der vietnamesischen Exporte um das Fünffache über dem durchschnittlichen Wachstum vergleichbarer Schwellenländer und war doppelt so hoch wie das Exportwachstum Chinas. Diese Dynamik scheint noch nicht ausgereizt zu sein, aber sie bedeutet auch Abhängigkeiten.

Die Erfolgsfaktoren der ­vietnamesischen Regierung

Insbesondere die wirtschaftsfördernden politischen Entscheidungen in dem kommunistischen Staat haben für den anhaltenden Ausfuhrboom gesorgt. Zwischen den beiden vietnamesischen Zentren Hanoi am Roten Fluss im Norden mit über 7 Millionen Einwohnern und Ho-Chi-Minh-Stadt am Mekong im Süden mit über 6 Millionen Einwohnern floriert die Wirtschaft. Die Tourismusbranche prosperiert schon seit einigen Jahren. Die langsame, aber stetige Privatisierung von Staatsunternehmen und der kontinuierlich verbesserte Schutz geistigen Eigentums haben dem Konjunkturaufschwung den Weg geebnet.

Die Erfolgsfaktoren verstärken sich gegenseitig: Vietnam verbucht ausländische Direktinvestitionen von rund 20 Mrd USD im Jahr – gute Voraussetzungen für die heimische Notenbank, die Zinsen für vietnamesische Verhältnisse im Rahmen zu halten. Die Inflationsrate ist jedoch vergleichsweise hoch. Aktuell liegt sie bei über 4% im Vergleich zum Vorjahr – und das in Folge.

Die boomende Wirtschaft wirkt sich positiv auf den heimischen Konsum aus, der in Vietnam im Vergleich zu anderen Schwellenländern besonders ausgeprägt ist. Der private Konsum dürfte 2018 um 6% steigen. Unter anderem verzeichnete Vietnam stärkere Gehaltssteigerungen als andere Schwellenländer.

Die politische Lage im Land ist derzeit stabil und sorgt aktuell nicht für große Beunruhigung bei Investoren und ausländischen Geschäftspartnern. Allerdings wächst in der vietnamesischen Bevölkerung der Wunsch, dass ihre Bürgerrechte an westliche Standards angepasst werden, was eine latente Gefahr für Unruhen birgt. Die Schattenseiten: Die Finanzsituation im Land ist volatil, ebenso wie das Bankensystem. Die Verschuldung beträgt über 60% des Bruttoinlandsprodukts.

Mögliche Konsequenzen der US-Zölle auf chinesische Waren

Schaut man auf die Außenpolitik der US-Regierung und die jüngsten Strafzölle für das Nachbarland China, könnten auch diese Sanktionen die Stimmung in Vietnam über kurz oder lang trüben. Die chinesische Währung wertete seit April um gut 10% gegenüber dem US-Dollar ab. Fast die Hälfte der US-Strafzölle ist damit zwar wirkungslos, und amerikanische Produkte, die wiederum mit chinesischen Abgaben belegt worden sind, haben sich zusätzlich verteuert. Was passiert aber, wenn die chinesische Währung, der Renminbi, weiter an Wert verliert, und Peking sich dazu entscheiden sollte, Trumps Provokationen auszusitzen?

Vor allem für Chinas Nachbarn wäre das ein Problem. Denn die Volksrepublik ist für viele asiatische Länder wie Vietnam längst zum wichtigsten Handelspartner geworden. Das wirtschaftliche Schicksal dieser Staaten ist eng mit China verknüpft, sie kaufen in der Volksrepublik ein und exportieren in das mächtige Nachbarland.

Genau da liegt das Risiko. Die südostasiatischen Währungen werten derzeit automatisch auf, sie verteuern sich ungewollt. Vietnam fürchtet, dass chinesische Geschäftspartner plötzlich Preisnachlässe fordern könnten, weil sie aufgrund des schwachen Renminbi nun für Einfuhren aus dem Nachbarstaat mehr bezahlen müssten.

Die Abhängigkeit von China ist also so groß, dass die Konsequenzen in Vietnam sicher spürbar wären. Sie können Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und in letzter Konsequenz Unruhen zur Folge haben. Als einzige Chance bliebe, die eigene Währung selbst abzuwerten und Pekings Kurs zu folgen.

Auch die weiterhin schwelenden territorialen Konflikte mit China könnten die Situation für Vietnam verschärfen. Vietnam sucht zwar den Dialog mit China, statt mit militärischen Mitteln zu drohen, rüstet aber gleichzeitig auf. Es bleibt abzuwarten, wie die Volksrepublik sich künftig verhalten wird.

Die hohe Inflation sorgt für Unmut in der Bevölkerung

Vietnams Wirtschaft wächst zwar mit ähnlich beeindruckenden Kennzahlen wie die der Volksrepublik. Die meisten Vietnamesen profitieren allerdings nur wenig davon. Der Grund ist die hohe Inflation, die mit einer schwachen Währung noch größer würde und die zuletzt erlebten Lohnsteigerungen paralysiert. Währungstricksereien, ausgelöst durch Trumps Strafzölle, beschleunigen das Problem.

Vietnam bemüht sich um alternative Partnerschaften, um die Abhängigkeit von der Volksrepublik zu verringern. Einerseits verhandelt die vietnamesische Führung über ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union. Andererseits bemüht sich Vietnam um die Gunst Amerikas. Den USA ist der Handelsüberschuss Vietnams ein Dorn im Auge.

Exporteure sollten trotz des positiven Ausblicks immer einen Experten an ihrer Seite haben, der die Bonität ihrer Geschäftspartner prüft. Denn egal in welche Richtung die Entwicklung in Vietnam geht, die Geschäftspartner sind immer individuell zu betrachten. Die Regierung versucht auch, die Korruption im Land einzudämmen, allerdings ist es für einen Exporteur, der keine Niederlassung im Land hat, schwierig, neue Geschäftspartner richtig einzuschätzen, gibt es da doch Sprachbarrieren und undurchsichtigere Strukturen im Vergleich zur westlichen Welt.

thomas.langen@atradius.com

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