Als Dr. Jürgen Ratzinger die rund 200 Teilnehmer des Hessischen Außenwirtschaftstags zum Mittagsplenum am 20. Juni in der IHK Frankfurt am Main begrüßte, hatten viele Unternehmen bereits die Gelegenheit für ein Gespräch mit einem AHK-Vertreter ergriffen. Nach einer Darstellung der Trends in der Weltwirtschaft durch Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, widmeten sich vier Unternehmer den praktischen Fragestellungen.

Gunther Schilling, Leitender Redakteur ­ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Welthandel wächst nur schwach

Volkswirte treibt derzeit – unter anderem – die schwache Entwicklung des Welthandels um. Der weltweite Warenaustausch wächst nämlich seit Jahren weniger stark als die globale Wirtschaftsleistung. Es wird also mehr im eigenen Land erzeugt – unter anderem nehmen die Dienstleistungen stärker zu als das Warenangebot. Dr. Jörg Krämer führte diese Entwicklung auf das protektionistische Klima in vielen Ländern und das Ausbleiben neuer Freihandelsabkommen zurück. Unternehmen verlagerten ihre Auslandsproduktion zurück in die Heimatländer. Für den Handel mit den USA hielt er einen halbwegs versöhnlichen Ausblick bereit: Präsident Trump werde seine Handelsrestriktionen auf kleinere Partner wie Mexiko beschränken und große Partner wie Deutschland und China in Ruhe lassen. Denn China importiere viele Agrarprodukte aus dem mittleren Westen der USA, dem Stammland der Trump-Wähler.

Die Aussichten für einen deutlichen An-stieg des Welthandels sieht Krämer bei einer anhaltend unterdurchschnittlichen Handelsentwicklung skeptisch, da auch das Wachstum der Weltwirtschaft nicht stärker zulegen werde. So sei das Wirtschaftswachstum in den USA durch den hohen Beschäftigungsstand begrenzt, und auch in China stünden die Zeichen auf Konsolidierung, da die hochverschuldeten Staatsunternehmen ihre Investitionen zügeln müssten. Im Euro-Raum hätten sich die Immobilienmärkte erholt, und die Kreditvergabe an die Unternehmen steige wieder.

Die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen kann Krämer nicht nachvollziehen, da Deutschland in den vergangenen Jahren seine Wettbewerbsfähigkeit nicht erhöht habe. Die Lohnstückkosten seien in den vergangenen Jahren gestiegen. Für den Euro-Kurs sei die Bundesregierung nicht verantwortlich zu machen, allenfalls habe sie die geringe Investitionstätigkeit mit verursacht.

Unternehmen wollen faire Bedingungen

Sabine Bender-Suhr, CFO des Familienunternehmens Bender in Grünberg, sieht die Situation in den USA und Großbritannien gelassen. Die Wettbewerber des Anbieters von elektrischen Sicherheitslösungen kämen vor allem aus dem Euro-Raum und stünden daher vor den gleichen Herausforderungen. In den USA und Großbritannien will Bender-Suhr den lokalen Fertigungsanteil durch den Zusammenbau von Teilen und Services erhöhen. Wesentlich hinderlicher sei nach ihren Erfahrungen der Protektionismus in Russland, und eine Lösung sei nicht in Sicht.

Dagegen erwägt Dr. Heiner Beckmann einen Abzug seiner Fertigung von Spezialchemie (z.B. Fleckentferner) aus Großbritannien, wenn seinen zumeist aus dem EU-Ausland stammenden Beschäftigten kein verlässliches Bleiberecht gewährt werde. Etwaige neue Zölle und Wechselkursveränderungen stellten für sein Unternehmen delta pronatura dagegen keine größere Belastung dar, solange die Wettbewerber aus dem Euro-Raum ebenso davon betroffen seien. Als Mittelständler sei sein Unternehmen meist leistungsfähiger und flexibler als größere Unternehmen.

Von der Politik wünschen sich beide Unternehmer Zurückhaltung bei der Regulierung und eine größere Flexibilität zum Beispiel bei der Umsetzung europäischer Regeln. Kein anderes Land würde handelsbeschränkende Gesetze so konsequent anwenden wie Deutschland. So seien etwa die Berücksichtigung der Dual-Use-Verordnung und das Beibringen einer Gelangensbestätigung sehr aufwendig für Unternehmen wie die Bender GmbH & Co. KG, berichtete Frau Bender-Suhr auf dem Hessischen Außenwirtschaftstag.

Udo Jankowski, Vorstand der Mind Venture AG, wies mit Blick auf den Brexit darauf hin, dass sein Unternehmen den Umsatz in Großbritannien seit 2007 vervierfacht habe und weiter expandiere. Stephan Welp, CEO der Microbox GmbH aus Bad Nauheim, rief am Ende der Podiumsdiskussion dazu auf, sich in den Dialog mit der Politik einzubringen, um die Regeln mitzugestalten.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

 

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