Pakistans Wirtschaft befindet sich in guter Verfassung und ist seit 2016 im Aufwind. Nachdem das BIP im Wirtschaftsjahr 2017 (von Juli 2016 bis Juni 2017) um 5,3% gewachsen ist, den höchsten Wert in zehn Jahren, wird für das Wirtschaftsjahr 2018 ein ­weiteres Wachstum von 5,6% erwartet. Mehrere Faktoren tragen zu diesem positiven Ergebnis bei: höherer Privatkonsum, steigende Exportzahlen in einem nachhaltigen globalen Umfeld und die Stabilisierung von Rücküberweisungen aus dem Nahen Osten.

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Die zuversichtliche wirtschaftliche Stimmung spiegelt sich in einem starken, zweistelligen Kreditwachstum wider. Auch der China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) ist ein wichtiger Wachstumsmotor. Er umfasst enorme, vorwiegend von chinesischen Staatsunternehmen finanzierte Infrastrukturprojekte im Wert von 62 Mrd USD, die die Transportwege und die Energieversorgung im Land langsam verbessern. Der CPEC ist ein langfristiges Vorhaben, das für die kommenden fünf Jahre ein stabiles Wirtschaftswachstum von 5% sicherstellen dürfte. Um langfristig hohe Wachstumszahlen zu gewährleisten, setzt das Land auf die Verbesserung und Erweiterung der Infrastruktur im Rahmen des CPEC, es müsste allerdings auch die bisher unzureichenden inländischen Investitionen erhöhen (15,8% des BIP im Wirtschaftsjahr 2017).

CPEC beschleunigt raschen Anstieg externer Anfälligkeiten

Wenn Volkswirtschaften durch plötzliche, umfangreiche Direktinvestitionen einen Aufschwung erleben, kommt es in vielen Fällen zu makroökonomischen Ungleichgewichten. Zwischen 2013 und 2016 erhielt Pakistan Finanzhilfen von Seiten des IWF, die dem Land ermöglichten, eine Liquiditätskrise zu bekämpfen und gleichzeitig die Haushaltsdisziplin und makroökonomische Stabilität wiederherzustellen. Doch mit dem Auslaufen des IWF-Programms und der Beschleunigung der CPEC-Projekte wurden diese Errungenschaften schnell wieder zunichtegemacht. Hinzu kommt, dass der Reformwille im Wahljahr nachgelassen hat. Wenn Islamabad daher die notwendigen Anpassungen vornehmen und eine neuerliche Zahlungsbilanzkrise verhindern möchte, könnte sich die Regierung wiederum gezwungen sehen, nach den Parlamentswahlen im Sommer ein weiteres IWF-Programm zu beantragen.

Eine gründlichere Betrachtung zeigt, dass sich alle wichtigen makroökonomischen Indikatoren in hohem Tempo verschlechtert haben. So hat sich etwa die Außenhandelsposition im vergangenen Jahr stark abgeschwächt. Dies ist auf wachsende Importe von Investitionsgütern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen sowie explodierende Ölimporte zurückzuführen (Pakistan ist ein vergleichsweise großer Ölimporteur). Diese Ereignisse haben zu einem Anschwellen des Leistungsbilanzdefizits geführt: von rund 10% im Wirtschaftsjahr 2016 auf prognostizierte 30% der Exporteinnahmen im Wirtschaftsjahr 2018.

Eine automatische Konsequenz ist der Abwertungsdruck auf die Pakistanische Rupie. Nachdem die Pakistanische Staatsbank (SBP) vorübergehend ihre Unterstützung zurückgezogen hatte, fiel die Rupie innerhalb von vier Monaten um nahezu 10% auf ein Rekordtief gegenüber dem US-Dollar (um 5% im Dezember 2017 und um 4,5% im März 2018). Die zu erwartende Verschärfung der Außenhandelsposition wird die Rupie weiter unter Druck setzen, was zu Maßnahmen der Zentralbank und damit zu einer Verminderung der Währungsreserven führen wird.

Die pakistanischen Behörden sind hin- und hergerissen zwischen: a) der Aufrechterhaltung der Liquidität durch Tolerierung eines flexibleren Wechselkurses, der dank verbesserter Wettbewerbsfähigkeit den Export beleben könnte, und b) der Vermeidung eines übermäßigen Inflationsanstiegs im Vorfeld der Wahlen. Die zweite Option ist wenig populär, da sie primär den großen armen Teil der Bevölkerung treffen, den Konsum schädigen, die Importkosten weiter in die Höhe treiben und damit das Leistungsbilanzdefizit verschärfen würde. Allerdings muss die SBP im weiteren Verlauf dieses Jahres gegebenenfalls eine zusätzliche Abwertung der überbewerteten Rupie erlauben. Gleichzeitig ist die Inflationsrate seit 2017 gestiegen, was unter anderem der Währungsschwäche und dem höheren Ölpreis geschuldet ist. Am Ende des Wirtschaftsjahrs 2018 dürfte sie bei über 5% und damit unter dem Planwert der SBP von 6% liegen.

Chinesische Kredite treiben ­Auslandsverschuldung in die Höhe

Die Finanzierung des enormen CPEC-Plans geht mit einem Anstieg der Auslandsverschuldung einher. Während die Auslandsverschuldung im Wirtschaftsjahr 2017 noch bei moderaten 27,5% des BIP lag, befindet sie sich seitdem in einer stetigen Aufwärtsbewegung, die durch Staatsanleihen und kostenintensive kommerzielle Kredite verursacht wird. Die Hauptsorge geht vom seit 2017 steigenden Schuldendienst aus, der bis 2020 bei 26,6% der Exporteinnahmen liegen dürfte. Grund für diese Erhöhung ist der schnelle Anstieg von nichtkonzessionären Krediten durch chinesische Entwicklungsbanken. Mittelfristig wird die ­Tilgung von Auslandsschulden einen wachsenden Teil der Leistungsbilanzeinnahmen aufzehren und die Liquidität unter Druck setzen. Mit der sinkenden Tragfähigkeit der Auslandsverschuldung und der Ausweitung der Finanzierungslücke in der Zahlungsbilanz werden die Währungsreserven aufgezehrt, weshalb sich Islamabad, wie bereits in den vergangenen Monaten, zur Ausgabe teurer Staatsanleihen gezwungen sieht.

Das kontrollierte Wechselkurssystem und ein Zahlungsbilanzdefizit werden den Rückgang der Devisenreserven in den kommenden Monaten weiter verschärfen. Nachdem die Währungsreserven im Oktober 2016 einen Rekordwert von 20,5 Mrd USD erreicht hatten, fielen sie in den darauffolgenden 16 Monaten um 32% und decken heute weniger als 2,5 Monatsimporte ab. Die allmähliche Erosion der Liquidität könnte dazu führen, dass Pakistan im Laufe des Jahres finanzielle Hilfe von Seiten des IWF und/oder bilateraler Geldgeber in Anspruch nehmen muss. Das kurzfristige politische Risiko, das von Credendo derzeit noch in Kategorie 4 von 7 eingestuft wird, könnte in der zweiten Hälfte 2018 steigen.

Der steigende öffentliche Schuldendienst belastet ebenfalls die Haushaltsmittel der Föderalregierung. Er verschärft in Verbindung mit den anstehenden Wahlen und öffentlichen CPEC-Investitionen den steigenden Ausgabentrend. Erhöhte Ausgaben könnten die erwartete Verbesserung der Staats- und Steuereinnahmen aufheben und damit bewirken, dass das Haushaltsdefizit langfristig über 5% des BIP verbleibt. Die Staatsverschuldung wird somit Prognosen zufolge weiterhin bei rund 67% des BIP liegen.

Trotz Reduzierung weiterhin hohes Sicherheitsrisiko

Aufgrund des umfangreichen CPEC-Projekts weist Pakistan sowohl wirtschaftlich als auch finanziell eine zunehmende Abhängigkeit von China auf (China liefert 30% aller Importgüter). Die Tatsache, dass Islamabad der Verwendung des Renminbi für künftigen bilateralen Handel zugestimmt hat und zur Deckung seines steigenden Finanzierungsbedarfs chinesische Panda-Bonds statt neuer IWF-Kredite in Erwägung zieht, illustriert diese Tendenz. Die finanziellen Verflechtungen mit China haben sich außerdem intensiviert, seit die USA ihre Hilfsgelder gestrichen haben, da Pakistan ungenügende Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfung unternehme. Die Partnerschaft mit China wird sich folglich weiter vertiefen und auch auf politischer Ebene einen Gegenpol zum amerikanisch-indischen Bündnis bilden.

Das ohnehin schon angespannte Verhältnis zu Indien lässt sich insbesondere im indischen Teil Kaschmirs beobachten, wo die Gewalt zugenommen hat. Die Sicherheitsrisiken und die Terrorgefahr bleiben in ganz Pakistan hoch, besonders jedoch in sensiblen Regionen wie Belutschistan und Kaschmir, in denen CPEC-Projekte durchgeführt werden. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass das Sicherheitsrisiko in den vergangenen drei Jahren erheblich zurückgegangen ist, nachdem die Armee einen wirkungsvollen Krieg gegen islamistische Kämpfer in Stammesgebieten geführt hat.

Trotz der zunehmenden Wirtschafts- und Finanzrisiken und der politischen Unsicherheit im Vorfeld der Parlamentswahlen ist es unwahrscheinlich, dass Credendo die derzeitige Einstufung des mittel- bis langfristigen Risikos in Kategorie 6 von 7 in den kommenden Monaten ändern wird.

Ausführliche Länderberichte finden Sie auf der Internetseite www.credendo.com.

c.witte@credendo.com

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