Georgien bleibt ein Land im Wandel, das unbeirrt seinen Weg in Richtung marktwirtschaftlicher Strukturen geht. Das kleine Land im Kaukasus, das durch seine geostrategisch bedeutsame Lage zwischen Europa und Asien eine wichtige politische Rolle spielt, steht für den Aufbruch vieler Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Der Nachbar Russland wirft jedoch nach wie vor mächtige Schatten auf das Land.

Beitrag in der Gesamtausgabe

Überall im Land sind der Wandel und der Wille zu einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung und Modernisierung nach westlichem Vorbild zu spüren. Mit der richtigen Mischung aus Tradition, Aufbruchsstimmung und Moderne will das Land noch näher an Europa heranrücken und als Partner auf Augenhöhe als Standort stärker punkten. Die zusehends effizienteren Wirtschaftsstrukturen und ein spannender Mix für den Tourismus machen das Land attraktiv für ausländische Besucher und Unternehmen.

Georgien hat eine lange christlich-orthodoxe Geschichte, in einigen Landesteilen herrscht Mittelmeerflair, und das Land gilt als Wiege des Weinbaus weltweit. Gerade in der Hauptstadt Tiflis spürt man den Aufbruch, den Wandel und die Modernisierung beinahe auf Schritt und Tritt. In Georgien verschmelzen Traditionen und Geschichte mit modernen, westlichen, aber auch bizarren Konzepten. Trendbauten und urbaner Flair stehen Seit an Seit neben verstaubten Tante-Emma-Läden im Souterrain und sozialistischer Architektur.

Abhängigkeit von Landwirtschaft und Handelspartnern in der GUS

Der kleine Binnenmarkt (nur rund 3,6 Millionen Einwohner) begrenzt das Wachstum. Die Wirtschaft ist weiter stark landwirtschaftlich orientiert, die Industrie gilt als technologisch unterdurchschnittlich und erwirtschaftet nur rund 10% des BIP. Logistik und Tourismus wachsen. Nach einer schwierigen Entwicklung bis Anfang 2017 ist Georgien wieder auf Kurs. Außenhandelsdefizit und Auslandsverschuldung sind weiter problematisch, die Arbeitslosigkeit gerade auf dem Land grassiert. Das Problem sind eine recht hohe Abhängigkeit und der große Druck Russlands, das sich weiterhin in die Angelegenheiten Georgiens einmischt und die ohnehin schwierigen Beziehungen belastet. Geht es den wichtigen Handelspartnern im früheren Sowjetreich wirtschaftlich schlecht (Russland, Ukraine, Aserbaidschan, Armenien, Kasachstan), geht es auch Georgien schlecht.

Positionierung an der neuen Seidenstraße

Hoffnung auf einen Silberstreif am Horizont machen die Bestrebungen Chinas, die Seidenstraße zu reaktivieren und einen großen Korridor zwischen China und Europa zu installieren. An dessen Rand liegt Georgien und will von den Großprojekten im Rahmen der Seidenstraßeninitiative profitieren. Ein erster Schritt in diese Richtung und zum Ausbau der Beziehungen war der Abschluss eines Handelsabkommens zwischen China und Georgien, dass die Zusammenarbeit der ungleichen Partner stärken soll. Georgien soll durch seine vorteilhafte Lage ein wichtiger Knotenpunkt im Transportkorridor zwischen China, der Türkei und Europa werden. Das Land investiert in Verkehrswege. Man plant vor allem eine überregionale Autobahn von Baku über Tiflis bis ins türkische Trabzon (Kosten: bis zu 3 Mrd USD) und eine länderübergreifende Bahnstrecke von Baku (Aserbaidschan) über Tiflis nach Kars (Türkei), die auch für den Güterverkehr per Container nutzbar sein soll und Zentralasien als Alternativroute mit dem europäischen Eisenbahnnetz verbindet. Geplant sind auch der Ausbau der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie Wasser- und Kohlekraftwerke.

Hafenprojekt soll Schwarzmeerregion erschließen

Das größte Projekt ist allerdings der Bau eines neuen Tiefseehafens in Anaklia am Schwarzen Meer für 2,5 Mrd USD. Der Hafen soll den gesamten Standort Georgien (bisher sind die größten Häfen in Poti und Batumi) stärken und den größten Schifffahrtskorridor zwischen China und Europa schaffen. Das dürfte große Impulse für Georgien bringen, das sich seinen Platz an der neuen Seidenstraße sichern möchte. Bis 2030 soll der Hafen fertig sein, für 2021 ist die Fertigstellung der ersten Phase geplant. Bau und Entwicklung liegen beim Anaklia Development Consortium, einem Joint Venture der georgischen TBC und Conti International aus den USA. Am neuen Hafen entsteht auch eine Freihandelszone mit gigantischen 600 ha. Anaklia wird so wichtig, weil China zudem in die Häfen von Constanta in Rumänien auf der gegenüberliegenden Seite des Schwarzen Meeres und Piräus in Griechenland auf EU-Gebiet investiert. Dass der Hafen Anaklia entsteht, verdankt man den wachsenden Warenströmen aus China, die Georgien über die neue Seidenstraße auf ihrem Weg nach Europa durchqueren – ein Viertel des Außenhandels wickelt China bereits jetzt über diesen Korridor ab. China beteiligt sich finanziell bei solchen strategisch wichtigen Infrastrukturprojekten entlang der Seidenstraße mit einem üppigen „Silk Road Fund“.

Standortvorteile durch unternehmensfreundliche Politik

In der Wirtschaftspolitik bleibt Georgien klar auf Reformkurs. An der Verbesserung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen wird gearbeitet, um ausländische Investitionen anzuziehen: Die Steuersätze für Unternehmen sind niedrig, die Verfahren zur Gründung einfach und die Aufenthaltsregelungen für Ausländer großzügig. Reformen sollen in den Sektoren Unternehmensbesteuerung, öffentliche Verwaltung und Bildung erfolgen. Auch die erfolgreiche Bekämpfung der Korruption trägt positiv zum Image bei. Weitere Vorzüge des Standortes sind politische Stabilität sowie eine effiziente und unternehmensfreundliche Verwaltung. Gut ausgebildete Arbeitskräfte und niedrige Lohnkosten ergänzen die Standortvorteile. Georgien wird immer mehr zum Darling internationaler Rankings: Im „Doing Business 2018“-Bericht der Weltbank steht das Land bereits auf Platz 9 von 190 Ländern. Ausländische Direktinvestitionen fließen vor allem in die Transport-, Energie-, Bau- und Finanzwirtschaft sowie die Industrie.

Brückenfunktion zwischen Europa und Asien

Georgien richtet sich politisch und wirtschaftlich stark auf die EU und die USA aus und wird von diesen auch mit erheblichen Fördermitteln unterstützt. Vor allem wegen der angespannten Beziehungen zu Russland und der Türkei setzt die EU verstärkt auf Georgien als Partner in der Region.

Eine wichtige Basis der Kooperation mit der EU ist das 2014 abgeschlossene Assoziierungsabkommen, das ein vertieftes Freihandelsabkommen umfasst – es verpflichtet Georgien, die Gesetzgebung an europäische Standards anzupassen. Da-für bekommen georgische Güter freien Zugang zur EU. Das Assoziierungsabkommen, das für den Zeitraum 2017–2020 aktualisiert wurde, bestärkt auch die Investitionen ausländischer Firmen. Georgien hat sich für Investoren sehr geöffnet, bietet ein liberales Handelsregime mit zollfreier Einfuhr von über 90% der Waren, kaum Lizenzen oder Beschränkungen für den Ex- und Import.

Günstige Wachstumsaussichten

Das Wachstum der Wirtschaft soll 2018 und auch 2019 um 4% betragen, dazu tragen vor allem Export, Bau und Investitionen sowie der Boom im Tourismus bei. Auch die Finanzwirtschaft und die ausländischen Infrastrukturprojekte geben Wachstumsimpulse. Wichtige Handelspartner sind die Türkei, Russland, Kanada, Irland, China, Aserbaidschan

und Deutschland. Begrenzt wird der Export durch die geringe Anzahl und Bandbreite der Produkte, deren Abhängigkeit von volatilen Weltmarktpreisen sowie Defizite bei der Qualität. Das Land muss weiterhin die meisten Industriegüter importieren.

Aufgrund der positiven Aussichten und des weiterbestehenden Nachholbedarfs in allen Wirtschaftssektoren bleibt Georgien ein interessanter Investitionsstandort und bietet lohnendes Absatzpotential. Konsum und Binnennachfrage entwickeln sich allerdings auch aufgrund geringer Kaufkraft eher verhalten: Laut Weltbank gelten rund zwei Drittel der Bevölkerung weiterhin als arm, und nur rund ein Zehntel der Bevölkerung gibt pro Tag mehr als 10 USD aus.

guido.zakrzewski@gmail.com

 

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