Die Wirtschaft der beiden Balkanländer nimmt weiter Fahrt auf und zieht ausländische Investoren an. Die Modernisierung der ­Wirtschaft bietet auch deutschen Unternehmen gute Absatzchancen. Allerdings sollten sich ­Exporteure auf Geschäfte in den noch jungen EU-Staaten gründlich vorbereiten. Bei der Einschätzung der Geschäftsmöglichkeiten und der damit verbundenen Risiken können fachkundige Anlaufstellen vor Ort interessierte Firmen unterstützen.

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Bulgarien: Löhne und Privatkonsum ziehen an

Bulgarien brauchte lange, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise hinter sich zu lassen. 2015 ging es mit der Konjunktur erstmals wieder spürbar bergauf. Seitdem meldet der Balkanstaat jährliche BIP-Wachstumsraten von regelmäßig gut 3%. Der Ausblick ist laut aktueller Prognose unserer Risikoexperten stabil. Gestützt wird diese Entwicklung insbesondere von EU-geförderten Investitionen in die bulgarische Infrastruktur. Hier besteht Nachholbedarf. Chancen ergeben sich für Baufirmen und insbesondere für Hersteller von Maschinen, die den größten Anteil an den Importen der Volkswirtschaft haben. Auch ausländische Chemieerzeugnisse verzeichnen eine steigende Nachfrage, weil Bulgarien stark von Rohstoffimporten abhängig ist. Im Lebensmittel- und Gastronomiesektor bieten sich weitere Möglichkeiten.

Die Exporte erhöhten sich zuletzt infolge der starken Nachfrage aus Europa. Sollte sich die Situation im Nachbarland wieder rapide verschlechtern, könnten sich Risiken für diejenigen bulgarischen Exporteure ergeben, die stark von Griechenland abhängig sind. Sicherheit für ausländische Investoren geht von der bulgarischen Währung aus, die an den Euro gekoppelt ist. Der Bankensektor wird nach der Krise im Jahr 2014 ebenfalls als robust eingeschätzt.

Der Balkanstaat gehört mit seinen 7 Millionen Einwohnern nach wie vor zu den ärmsten Ländern in Europa. Die Löhne sind zuletzt jedoch genau wie der Privatkonsum kontinuierlich gestiegen. Die Entwicklung dürfte längerfristig anhalten. Das Lohnniveau hinkt im europäischen Vergleich stark hinterher. Dies nutzen vor allem ausländische Firmen, zum Beispiel im Dienstleistungssektor, und richten ihre Callcenter in Bulgarien statt im Heimatland ein. Die guten Fremdsprachenkenntnisse in Teilen der bulgarischen Bevölkerung helfen den Investoren dabei.

Rumänien wächst schneller als der EU-Durchschnitt

Das Bruttoinlandsprodukt Rumäniens hat in den vergangenen beiden Jahren um 3,9% (2015) bzw. 4,8% (2016) zugenommen. Ein Grund dafür ist die steigende Binnennachfrage. Allein der private Konsum nahm im vergangenen Jahr um 7,5% zu. Gesenkte Steuersätze, niedrige Zinsen sowie gestiegene Gehälter als auch weniger Arbeitslose sind weitere Gründe für diese positive Entwicklung. Für 2017 rechnen unsere Risikoexperten mit einem BIP-Wachstum von 4,2%. Damit wächst die Volkswirtschaft derzeit deutlich schneller als der EU-Durchschnitt. Für 2018 wird eine leichte Verlangsamung auf 3,7% prognostiziert.

Die verbesserte Wirtschaftsleistung zeigt sich ebenfalls in der positiven Entwicklung der Exporte. Für 2018 wird mit einer Steigerung von 8% gerechnet. Damit gehört Rumänien zu den führenden Exportstaaten am Balkan. Chancen für Unternehmen bieten derzeit die Branchen Agrar, Chemie/Pharma und die Konsumgüterindustrie. Die günstige Unternehmensbesteuerung von einheitlich 15% hat zudem viele namhafte Automobilzulieferer angezogen. Auch hier bieten sich Chancen für Unternehmen.

Korruption sorgt in Rumänien weiterhin für Unmut

Der Bankensektor Rumäniens erholte sich 2016 substantiell dank weniger notleidender Kredite und einer verbesserten Eigenkapitalausstattung der Banken. Das Kreditrisiko besteht allerdings weiterhin aufgrund von Währungsinkongruenzen und einem geringen lokalen Kreditwachstum. Die Auslandsverschuldung liegt bei 70% des BIP und ist damit sehr hoch.

Das Haushaltsdefizit ist 2016 gestiegen. Aufgrund der Fortsetzung der expansiven Finanzpolitik wird sich der Überschuss bei den Ausgaben auch 2017 und 2018 laut Experteneinschätzung fortsetzen. Sie sehen die Verbesserung der Finanzverwaltung als wichtiges Ziel für die amtierende Regierung. Das Positive: Sollte es zu weiteren nicht geplanten Belastungen kommen, kann die Regierung auf ausreichend internationale Reserven zurückgreifen.

Im Januar 2017 verabschiedete die neu gewählte Regierung unter Premierminister Sorin Grindeanu ein Dekret, das einige große Korruptionsfälle entkriminalisiert hätte. Aufgrund von erheblichen öffentlichen Protesten wurde das Dekret zurückgezogen. In der Folge fand im Juni ein Misstrauensvotum im Parlament statt, das zu der Entlassung von Grindeanu führte.

Mit Mihai Tudose trat ein Vertreter der sozialdemokratischen PSD die Nachfolge an. Präsident Iohannis (ehemaliger Vorsitzender der oppositionellen Nationalliberalen Partei) bestätigte seine Ernennung, um die wirtschaftliche Stabilität aufrechtzuerhalten und den Zusammenbruch der sechs Monate alten Regierung zu verhindern. Korruption und Intransparenz bleiben wichtige Themen in der rumänischen Politik und Wirtschaft, und die Unzufriedenheit der Bevölkerung sowie das Misstrauen gegenüber dem politischen System sind weiter tief verwurzelt.

Präsenz vor Ort wird ausgebaut

Auch wenn Bulgarien und Rumänien in mancherlei Hinsicht noch nicht die Standards von Industrienationen erreichen, gehören sie derzeit dennoch zu den interessantesten Wachstumsmärkten Europas. So haben internationale Unternehmen ihr Geschäft in den beiden Ländern zuletzt ausgeweitet.

Auch Atradius hat im Oktober 2017 Büros in Sofia und Bukarest eröffnet, um seine internationalen Kunden bestmöglich in diesen Wachstumsmärkten zu begleiten. Gleichzeitig stärkt der Kreditversicherer  seine Position gegenüber den lokalen Unternehmen. In beiden Ländern agiert der Kreditversicherer ab sofort sowohl mit einem eigenen, kreditversicherungserfahrenen Vertriebs- und Accountmanagementteam, das für die Kundenansprache und Betreuung zuständig ist, als auch mit einer eigenen Risikoprüfung, die die Zahlungsausfallrisiken der bulgarischen und rumänischen Abnehmer analysiert. Vor diesem Hintergrund ist die Stärkung der Präsenz vor Ort ein konsequenter Schritt der globalen Expansionsstrategie des Unternehmens.

thomas.langen@atradius.com

 

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