Die Konjunktur in Brasilien springt deutlich an: Die Wirtschaft geht mit einem hohen Wachstumsüberhang in das kommende Jahr, die sinkende Inflationsrate eröffnet Spielräume für Zinssenkungen. Politisch werden im Oktober 2018 mit der Präsidentschaftswahl die Weichen neu gestellt. Wenn die bislang eingeleiteten Reformen fortgesetzt werden, dürften auch die Investitionen anspringen.Renato Grelle, Chief Country Officer Brazil der Deutschen Bank, sprach mit dem ExportManager über ein Land im Aufbruch.

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Brasiliens Autokäufer haben im Oktober erneut beherzt zugegriffen. Die Verkäufe von Pkw stiegen im Jahresvergleich um 27,1%. Für die ersten zehn Monate summiert sich das Plus immerhin bereits auf 9,7%. Natürlich sei die Auslastung der Kapazitäten noch nicht auf das Vorkrisenniveau zurückgekehrt, räumte Grelle ein. Die aktuellen Messeveranstaltungen zeigten, dass die Nachfrage deutlich anziehe. Die Hersteller müssten zudem in die Produktion investieren, um technologisch nicht zurückzufallen. Hilfreich seien der gesunkene Außenwert des Brasilianischen Real und die günstigere Kostenstruktur gewesen, die den Export belebt hätten.

Die lokalen Unternehmen werden daher zunehmend attraktiv für Übernahmen durch ausländische Investoren. Im dritten Quartal führte Brasilien die M&A-Statistik des Bureau van Dijk für Lateinamerika mit 79 Transaktionen an. Deutsche Unternehmen neigten jedoch eher dazu, eigene Kapazitäten in Brasilien aufzubauen, als lokal vorhandene Unternehmen zu kaufen, kommentierte Grelle die Entwicklung.

Reformen kommen voran

Die amtierende Regierung unter Präsident Temer habe trotz der schwierigen innenpolitischen Situation wichtige Re-formen auf den Weg gebracht. Viele Unternehmen hätten auf die Rezession mit einer Kostenanpassung reagiert, die nun eine höhere Effizienz zur Folge habe. Die Arbeitsmarktreformen unterstützten die Unternehmen dabei, sagte Grelle.

Eine weitere wichtige Reform sei die Rentenreform, die bald verabschiedet werden dürfte. Der demographische Bonus, den Brasilien noch habe, biete ein Zeitfenster, um den Übergang in ein neues System für eine älter werdende Gesellschaft zu gestalten. Das Renteneintrittsalter sei in Brasilien noch sehr niedrig und liege in vielen Fällen unter 60 Jahren. Die Ersparnisse, die sich durch dessen Anhebung ergäben, seien entsprechend hoch.

Wahljahr bringt Wachstum

Für eine Regierung, die so wenig Zeit gehabt habe, seien die Erfolge beachtlich, meinte Grelle. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen sei das Rennen noch völlig offen, das sei ein gutes Zeichen für die Demokratie. Der Extremismus, der sich möglicherweise im Wahlkampf äußere, werde die Politik nach der Wahl nicht bestimmen. Der Kongress zeige sich immer wieder als wichtiges Regulativ.

Die Deutsche Bank erwartet für 2018 ein Wachstum von 2,6% in Brasilien. Das wäre ein deutlicher Aufschwung gegenüber 2017. Vor allem der Konsum zieht an, da die hohe Arbeitslosigkeit langsam zurückgeht und die verfügbaren Einkommen steigen. Auch die deutschen Unternehmen äußerten sich in der jüngsten AHK-Umfrage zunehmend optimistisch, dass die Konjunktur von wachsenden Exporten und der Belebung des Binnenkonsums profitieren werde. Als Belastung wird weiterhin die Wirtschaftspolitik gesehen. Die Unternehmen und auch Grelle wünschen sich eine einfachere Besteuerung.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

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