Die Tschechische Republik, Indien und Vietnam sind die aussichtsreichsten Schwellenmärkte für deutsche Exporteure in diesem Jahr. Das geht aus der aktuellen Studie „Promising emerging markets for 2018“ des internationalen Kreditversicherers Atradius hervor. Die drei Länder sind die größten deutschen Außenhandelspartner unter den insgesamt neun identifizierten ­Chancenmärkten Costa Rica, Indien, Indonesien, Kolumbien, Marokko, Panama, Senegal, Tschechische Republik und Vietnam.

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Für die neun ausgewählten Märkte prognostiziert die Studie für 2018 ein Bruttoinlandsproduktwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich. Gleichzeitig werden diese Volkswirtschaften derzeit als relativ robust gegenüber externen Risiken eingeschätzt. Der Ausblick für die Schwellenländer ist in diesem Jahr zwar etwas optimistischer als im vergangenen, insgesamt bleiben jedoch erhebliche Risiken für ihre Konjunkturen bestehen, etwa durch eine rasche Verschärfung der US-Zinspolitik oder die schnelle Abkühlung der chinesischen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund bieten 2018 diejenigen Länder die vielversprechendsten Exportchancen, deren Wirtschaftswachstum von der Binnennachfrage getragen wird und die externe Unsicherheiten leichter kompensieren können.

Inlandsnachfrage treibt Wachstum

Die Chancenmärkte weisen weitere Gemeinsamkeiten auf. Ihr BIP-Wachstum stützt sich zu einem großen Teil auf den Privatkonsum und auf die verstärkte Investitionstätigkeiten vor Ort. Gleichzeitig verfügen sie über ausreichend Finanzreserven und einen flexiblen Wechselkurs, was ihre Anfälligkeit für Volatilitäten auf dem Weltmarkt verringert. Die Märkte haben eine junge, wachsende Bevölkerung mit einer sich weiterentwickelnden Mittelschicht, die konsumstark ist. Dies fördert Investitionen sowie Importe. Weiterhin profitieren sie – und das gilt insbesondere für Indien oder Vietnam – von einer zunehmend wirtschaftsfördernden Politik. In der Tschechischen Republik werden seit der Etablierung einer populistischen Regierung demgegenüber Protektionismusforderungen erhoben, jedoch haben die bislang getroffenen Maßnahmen das Wachstum noch nicht wesentlich beeinträchtigt.

Geschäftschancen in der Chemie und bei Infrastrukturinvestitionen

In der Tschechischen Republik profitiert die Automobilindustrie von der soliden wirtschaftlichen Entwicklung der Europäischen Union. Auch die chemische Indus-trie des Landes befindet sich weiter im Aufschwung, unter anderem werden petrochemische Produkte, Kautschuke und Kunststoffe stärker nachgefragt.

Indiens Konjunktur wird weiterhin vom großen Infrastrukturprogramm der Modi-Regierung gefördert. Das nationale Straßennetz soll weiter in hohem Tempo ausgebaut und modernisiert werden, parallel wird der Bau von Brücken, Eisenbahnwegen und Flughäfen forciert. Die Energiekapazitäten werden ausgeweitet. Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, wirbt das Land nicht nur um ausländisches Know-how in Sektoren wie der Bauwirtschaft oder dem Maschinenbau, sondern zeigt sich auch offen für ausländische Investoren in den Bereichen Energieversorgung, Straßen- und Eisenbahnbau.

In Vietnam versprechen der Landwirtschafts- und der Lebensmittelsektor Geschäftschancen aufgrund der zunehmenden Nachfrage. Zudem steigen die Im-portzahlen von Automobilen. Prognosen zufolge wird das Land auch einen lang­fristig hohen Bedarf an chemischen Er-zeugnissen haben, unter anderem zur Herstellung von chemischen Rohmaterialien. Infrastrukturinvestitionen bieten Absatzchancen für ausländische Anbieter von Maschinen und Maschinenkomponenten.

Risikomärkte Türkei und Italien

Betrachtet man die großen deutschen Exportmärkte, bestehen derzeit erhöhte Risiken für Zahlungsausfälle und -verzögerungen bei Geschäften mit türkischen Unternehmen sowie eine zunehmende Unsicherheit in Italien.

So hat sich das BIP-Wachstum der Türkei im vergangenen Jahr zwar erholt. Jedoch droht der Aufschwung im Jahr 2018 wieder abzukühlen, unter anderem dadurch, dass Steuererleichterungs- und Kreditfördermaßnahmen auslaufen. Anhaltende geopolitische Konflikte, Rechtsunsicherheiten und der nur langsame Fortschritt von notwendigen strukturellen Reformen lasten auf dem Investitionsklima des Landes. Als große Unsicherheitsfaktoren der türkischen Wirtschaft werden die aktuelle Schwäche der Türkischen Lira, die hohe Inflation und der hohe Verschuldungsgrad der Unternehmen erachtet. Viele Firmen haben einen großen Teil ihrer Kredite in Fremdwährung aufgenommen und sind besonders anfällig für Wechselkursvolatilitäten. Aus Sicht von Atradius bestehen momentan in den Branchen Textil, Stahl, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie Bau- und Baumaterialien besonders hohe Risiken für Zahlungsverzögerungen und -ausfälle.

In Italien bleiben die Sorgen um den Bankensektor des Landes hoch. Viele Institute sind weiterhin mit notleidenden Krediten belastet. Zwar entwickelte sich die Liquiditätslage der Banken zuletzt stabil, die Bereitschaft zur Kreditvergabe an Firmen ist jedoch weiterhin sehr verhalten. Das führt dazu, dass die Kapitalisierungsmöglichkeiten und die Schockresistenz der italienischen Unternehmen gering sind. Auch der Wachstumsausblick Italiens ist gedämpft, unter anderem durch eine weiterhin gedrückte Investitionsstimmung und verhaltene Exportaktivitäten. Besonders gefährdet für Zahlungsausfälle und -verzögerungen dürften die Sektoren Bau, Baumaterialien und Textil sein. In den Bereichen Blumenhandel, Fleisch, Fisch und Elektronik wurden zudem zuletzt vermehrt Betrugsversuche in Italien festgestellt, die zu einer zusätzlichen Belastung der Unternehmen führen können.

Die Atradius-Studie „Promising emerging markets for 2018“ kann unter diesem Link heruntergeladen werden.

thomas.langen@atradius.com

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