Die US-Notenbank Fed hat am 16. Dezember 2015 erstmals seit der Finanzkrise den Leitzins erhöht und damit eine lange angekündigte Anhebung des Zinsniveaus eingeleitet. Für Staaten mit hohem Fremdfinanzierungsbedarf bedeutet dies eine ­steigende Zinsbelastung, zudem droht ein Abzug von ausländischem Kapital. Der internationale Kreditversicherer Atradius hat insbesondere fünf Schwellenländer identifiziert, in denen nun die Zahlungsrisiken steigen.

von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Zinsanstieg trifft Schuldner

Ein Blick auf die Aktienmärkte zeigt: Die Verunsicherung über die konjunkturelle Entwicklung in China und anderen wichtigen Schwellenländern ist groß. Einige Volkswirtschaften leiden unter der schwachen Nachfrage in China und den gesunkenen Rohstoffpreisen, andere unter zunehmenden geopolitischen Risiken und innenpolitischen Konflikten. Mit der Anhebung der Leitzinsen in den USA droht nun auch in diesen Ländern ein Zinsanstieg, der die Kreditaufnahme verteuert, und ein Rückzug ausländischen Kapitals, das Liquiditäts- und Wechselkursrisiken fürchtet. „Wir sorgen uns vor allem um die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen, die sich in der Vergangenheit stärker verschuldet haben“, sagt Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Germany, Central & Eastern Europe von Atradius.

Insolvenzgefahr steigt

In einer aktuellen Studie zu den Risiken der US-Zinsanhebung konnte Atradius anhand von vier Kriterien einige Schwellenländer ermitteln, die besonders anfällig für die negativen Auswirkungen höherer Fremdwährungszinsen sind. Wichtige Risikoindikatoren sind demnach die Höhe des Fremdwährungsbedarfs, die Höhe der Fremdwährungsschulden, die Effektivität der Geldpolitik sowie die Höhe der Fremdwährungsreserven. In vergangenen Zinserhöhungsphasen haben insbesondere Staaten mit ungünstigen Kennzahlen für diese Kriterien Krisensymptome gezeigt. „In diesen Ländern ist mit einer steigenden Zahl von Insolvenzen zu rechnen. Vor allem in der Energie- und Baubranche haben sich die Unternehmen hoch verschuldet“, erläutert Langen.

Anfälligkeit prüfen

Chinas Unternehmen waren 2015 mit einem Schuldenstand von 180% des BIP unter den Spitzenreitern der Kreditnehmer. Doch die Verbindlichkeiten bestehen vor allem im Inland und sind in Landeswährung fakturiert. Daher ist das Land durch den Zinsanstieg in den USA weniger gefährdet als beispielsweise Brasilien und Mexiko, wo Unternehmen wegen der Ausgabe von Fremdwährungsanleihen besonders anfällig für einen plötzlichen Vertrauensverlust der Anleger sind. In diesen Ländern ist das Verhältnis von Unternehmensschulden zu Exporterlösen zudem besonders hoch. Das gilt außerdem für Indien, Indonesien, Russland und die Türkei.

Die Gefahr von Kapitalabflüssen ist insbesondere in Ländern mit einem ungünstigen Verhältnis von ausländischen Portfolioinvestitionen zu den Währungsreserven relevant. Atradius ermittelte vor allem für Südafrika (406%) und Mexiko (244%) sehr hohe Werte. Für eine starke Abhängigkeit von Devisenzuflüssen spricht eine hohe Diskrepanz zwischen Fremdwährungsbedarf und Währungsreserven. Hier weisen die Türkei (175%), Indonesien (116%), Südafrika (106%) und Malaysia (105%) ungünstige Werte auf. Schließlich bestehen in der Türkei, Südafrika, Russland, Brasilien und Nigeria zunehmend Zweifel an der Effektivität der Geldpolitik.

In der Summe sieht Atradius insbesondere in der Türkei, Indonesien, Südafrika und Malaysia ein erhöhtes Risiko für Zahlungsschwierigkeiten durch den Zinserhöhungszyklus in den USA. Brasilien und Russland könnten folgen, wenn die Erlöse aus dem Rohstoffexport weiter unter den niedrigen Preisen leiden.

Die ausführliche Studie steht zum Download hier bereit.

Kontakt: gunther.schilling@frankfurt-bm.com

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