Als Schlüsselfaktoren, die die Unternehmen dazu drängen, auf Zahlungsziel zu verkaufen, werden der Liquiditätsengpass der inländischen Kunden und der Wettbewerb auf den Exportmärkten genannt. Trotz der jüngsten Verbesserungen bleiben Kredite weiterhin ein Thema für den türkischen Unternehmenssektor.

Die Türkei hat die Rezession überwunden, in die die türkische Wirtschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 geraten war. Coface hat die Einschätzung des Länderrisikos gerade von C auf B hochgestuft. Trotzdem bleibt der private Sektor in Bezug auf die wirtschaftlichen Aussichten skeptisch. Kürzere Zahlungsziele spiegeln eine starke Präferenz für Liquidität wider.

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Türkische Unternehmen sind in Bezug auf die wirtschaftlichen Aussichten eher skeptisch. Das hat eine Befragung von 586 Unternehmen in der Türkei zum Zahlungsverhalten ihrer Kunden ergeben. Demnach erwarten viele Unternehmen (44%), dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen in der Türkei im Jahr 2020 verschlechtern werden. 21% gehen allerdings von einer Verbesserung aus. Die Verlangsamung der Inlandsnachfrage, die zwei Drittel des türkischen BIP ausmacht, ist einer der Gründe für die verhaltenen Erwartungen. Tatsächlich gaben über 40% der Unternehmen an, dass ihre Verkäufe auf dem Inlandsmarkt im Jahr 2019 zurückgegangen seien. 39% gehen davon aus, dass die Umsätze im Inland 2020 auf dem gleichen Niveau bleiben werden, während 35% mit einem Anstieg rechnen. Die Erwartungen für den Export sind positiver: Zwei Drittel (65%) der Unternehmen gehen davon aus, dass ihre Exportumsätze im Jahr 2020 steigen werden, 25% erwarten, dass sie stagnieren werden.

Kürzere Zahlungsziele spiegeln Präferenz für Liquidität wider

Die Zahlungsverzögerungen bei türkischen Unternehmen betragen im Durchschnitt 41 Tage auf dem Inlandsmarkt und 58 Tage bei Exportverkäufen. Die durchschnittlichen Zahlungsziele, die türkische Unternehmen ihren Kunden einräumen, sind 85 Tage auf dem Inlandsmarkt und 69 Tage auf den Exportmärkten. In der ersten Befragung 2017 waren es für beide Marktbereiche 108 Tage. „Die kürzeren Zahlungsziele zeigen die Vorsicht der Unternehmen“, meint Seltem Iyigun, Economist bei Coface für die Region Naher Osten und Türkei.

Dabei ist die durchschnittliche Zahlungsfrist im internationalen Maßstab nach wie vor recht lang. In der Türkei verlangen nur 40% der Unternehmen von ihren Exportkunden, dass die Zahlungen innerhalb von 60 Tagen erfolgen. Auf dem Inlandsmarkt ist dieser Anteil mit 33% noch geringer. In Deutschland beträgt die Zahlungsfrist bei 87% der Unternehmen bis 60 Tage, in Polen bei 65% und in China bei 44%.

Als Schlüsselfaktoren, die die Unternehmen dazu drängen, auf Zahlungsziel zu verkaufen, werden der Liquiditätsengpass der inländischen Kunden und der Wettbewerb auf den Exportmärkten genannt. Trotz der jüngsten Verbesserungen bleiben Kredite weiterhin ein Thema für den türkischen Unternehmenssektor. Denn für den Fall, dass die Forderungen auf dem Inlandsmarkt nicht eingezogen werden können, decken 40% den Ausfall aus Eigenmitteln ab, während 28% Bankkredite aufnehmen. Mehr als ein Drittel der Unternehmen (37%) verlangt von seinen Kunden eine Anzahlung. Dagegen hat die Kreditversicherung noch Wachstumspotential. Auch wenn ihre Funktion einer Mehrheit (62%) bekannt ist, nutzen sie nur 26% gegen eine mögliche Nichtzahlung ihrer Kunden.

Ausblick

Hinsichtlich der zukünftigen Zahlungserfahrungen haben die Unternehmen eine vorsichtigere Sichtweise. Tatsächlich erwarten 46% der befragten Unternehmen, dass sich die Zahlungsfristen auf dem Inlandsmarkt im Jahr 2020 verlängern werden, während 45% längere Laufzeiten auf den Exportmärkten erwarten. Diese Angaben liegen jedoch sehr nahe bei denen, die erwarten, dass die Zahlungsbedingungen auf dem Inlandsmarkt (45%) und dem Exportmarkt (44%) unverändert bleiben.

Papier, Pharmazie, Metall und Bau pessimistisch

Im Inlandsgeschäft erwartet annähernd die Hälfte der befragten Unternehmen, dass sich die Zahlungsziele verlängern und öfter Zahlungsziele eingeräumt werden. Vor allem die Hersteller von Papier, Pharmazeutika, Metall und der Bausektor sind hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung pessimistisch. Härtere Bedingungen für den Zugang zu Finanzierungen und eine geringere Inlandsnachfrage gehören zu den Faktoren, die die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen belasten würden.

Trotz dieser Herausforderungen ist die Bereitschaft zu Neuinvestitionen im Jahr 2020 in einigen Sektoren wie der Pharma- und der Agrarnahrungsmittelwirtschaft nach wie vor hoch. Auf der Exportseite geben sich die Automobilunternehmen vergleichsweise vorsichtig: Davon haben fast 20% der Unternehmen niedrigere Erwartungen an die Exporteinnahmen im Jahr 2020. Bei allen Unternehmen sind es nur 9%. Das ist nicht verwunderlich, da die Automobilhersteller auf dem Weltmarkt vor großen Herausforderungen stehen (Umweltauflagen, Nachfrageschwäche und sinkende Profitabilität).

Die ausführliche Studie in englischer Sprache steht auf der Website von Coface zum Download bereit. Nutzen Sie den Link zur Studie.

erich.hieronimus@coface.com

www.coface.de

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