Die Weltöffentlichkeit blickt weiterhin mit Sorge auf die Ereignisse in der Ukraine und in Russland. Nachdem die Bevölkerung der Krim in einem Referendum für eine Vereinigung mit Russland gestimmt und Russland anschließend die Krim in die Russische Föderation aufgenommen hat, haben die EU und die USA auf diesen – von der internationalen Staatengemeinschaft mehrheitlich als völkerrechtswidrig qualifizierten – Vorgang mit Sanktionen gegen Russland reagiert.

Von Dr. Gerd Schwendinger LL.M., Rechtsanwalt und ­Partner und Dr. Matthias Trennt, Rechtsanwalt, Graf von Westphalen

Der Griff der EU und der USA zu Sanktionen bleibt nicht ohne Folgen für die im Russland-Handel tätigen Unternehmen. Diese sind häufig verunsichert und stellen sich zahlreiche Fragen: Welche Reichweite und Auswirkungen haben die Sanktionen? Wie entwickelt sich die sanktionsrechtliche Lage weiter? Welche Vorsorgemaßnahmen können ergriffen werden, um sich auf eine mögliche Verschärfung der Sanktionen vorzubereiten? Mit diesen Fragen setzt sich der vorliegende Beitrag auseinander und gibt praktische Hinweise.

Der Europäische Rat hat für Sanktionen gegen Russland am 6. März 2014 einen Dreistufenplan beschlossen. Im Rahmen der ersten Stufe ergriff die EU vorrangig leichte Sanktionen mit politischer Symbolwirkung. Sie hat die Gespräche mit Russland über Visaerleichterungen abgebrochen und die Verhandlungen über ein neues EU-Russland-Abkommen eingestellt.

Inzwischen ist die zweite Stufe erreicht: Es wurden nicht nur der G8-Gipfel abgesagt, der eigentlich im russischen Sotschi stattfinden sollte, sondern auch erstmals rechtliche Maßnahmen ergriffen. Mit der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 vom 17. März 2014 „über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“, hat die EU Sanktionen gegen ukrainische und russische Personen in Kraft gesetzt. Hierbei handelt es sich in erster Linie um hochrangige Beamte, Politiker, Militärangehörige und sonstige Personen, denen eine Verantwortung für das Referendum auf der Krim und die Entsendung russischer Streitkräfte in die Ukraine zugesprochen wird. Die Liste der betroffenen Personen wurde mittlerweile durch die Verordnung (EU) Nr. 284/2014 vom 21. März 2014 um zwölf weitere auf derzeit nun insgesamt 33 Personen erweitert.

Die EU stützt sich bei der Ausgestaltung dieser Maßnahmen auf vertraute sanktionsrechtliche Mechanismen: Die gelisteten Personen werden wirtschaftlich isoliert, indem die Vermögenswerte der gelisteten Personen eingefroren werden (Art. 2 Abs. 1) und darüber hinaus ein sogenanntes Bereitstellungsverbot verhängt wurde (Art. 2 Abs. 2). Hiernach dürfen gelisteten Personen weder Gelder noch sonstige wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Flankiert werden diese Maßnahmen durch das Verbot, sich an Tätigkeiten zu beteiligen, durch die Sanktionen gegen die gelisteten Personen umgangen werden könnten (Art. 9). Weiterhin gilt ein sogenanntes Erfüllungsverbot (Art. 11), wonach Forderungen, die von gelisteten Personen oder in deren Namen geltend gemacht werden, nicht erfüllt werden dürfen, wenn die Forderungen im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen stehen, die aufgrund der sanktionsrechtlichen Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können.

Durch Beschluss 2014/145/GASP wurde zudem ein Ein- und Durchreiseverbot im Hinblick auf das Gebiet der EU-Mitgliedstaaten für die gelisteten Personen verhängt.

Die restriktiven Maßnahmen entsprechen weitgehend denjenigen, die aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 gegen den ehemaligen Präsidenten der Ukraine, dessen Kabinettsmitglieder und weitere hochrangige Beamte aufgrund der Lage in der Ukraine verhängt wurden (vgl. hierzu bereits unseren Beitrag in der März-Ausgabe des ExportManagers).

Auf der dritten Stufe des Dreistufenplans vom 6. März 2014 sollen dann gegebenenfalls weiterreichende Wirtschaftssanktionen folgen, die von der EU bislang nicht im Einzelnen spezifiziert wurden.

Verstöße gegen die sanktionsrechtlichen Verbote können für Unternehmen weitreichende Konsequenzen haben: Zuwiderhandlungen sind nach §§ 18 ff. Außenwirtschaftsgesetz – mit Ausnahme des Umgehungsverbots – mit straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen bewehrt. Daneben können die Gegenstände eingezogen werden, die im Zusammenhang mit dem Geschäft stehen, durch welches gegen die Verbote verstoßen wird. Auch kann das „aus der Tat Erlangte“ für verfallen erklärt werden (d.h., dem betroffenen Unternehmen geht nicht nur der Gewinn verloren, sondern nach dem sog. „Bruttoprinzip“ grundsätzlich der gesamte Erlös, der ihm z.B. aus einem Kaufgeschäft zugeflossen ist). Neben den strafrechtlichen Konsequenzen kann ein Verstoß auch zum Entzug von bestehenden Bewilligungen führen oder die Beantragung zukünftiger Genehmigungen oder Bewilligungen erschweren.

Die Schweiz hat sich den EU-Sanktionen zwar bislang nicht angeschlossen, will aber durch eine kürzlich verabschiedete Verordnung des Schweizer Bundesrates verhindern, dass die EU-Sanktionen über die Schweiz umgangen werden. Personen, die auf der Sanktionsliste der EU aufgeführt sind, dürfen in der Schweiz ab sofort kein Konto mehr eröffnen. Schweizer Finanzinstitute dürfen keine neuen Geschäftsbeziehungen mit diesen Personen mehr eingehen. Die Betroffenen können nun keine Vermögenswerte mehr in die Schweiz transferieren. Der Bundesrat wolle nicht, dass der Eindruck erweckt werde, der Schweizer Finanzplatz profitiere von den restriktiven Maßnahmen der EU, hieß es zur Begründung. Bereits bestehende Geschäftsbeziehungen fallen allerdings nicht unter dieses Verbot. Sie müssen aber der zuständigen Schweizer Behörde gemeldet werden.

Auch die USA haben ihr Sanktionsregime inzwischen verschärft. Durch mittlerweile drei sogenannte Executive Orders hat US-Präsident Obama Sanktionen gegen bestimmte ukrainische und russische Staatsbürger erlassen. Ähnlich wie die Sanktionen der EU beschränken sich auch die Sanktionen der USA derzeit darauf, die Vermögen der in den Listen genannten Personen einzufrieren und die Bereitstellung von wirtschaftlichen Ressourcen für sie zu verhindern. Die Listen erfassen im Wesentlichen ­Personen aus politischen und militärischen Führungskreisen sowie Berater des Präsidenten der Russischen Föderation. Anders als die EU haben die USA auch bereits ein russisches Unternehmen, die Bank Rossiya, gelistet. Hierbei handelt es sich nach Auskunft des US Department of the Treasury zwar lediglich um die siebzehntgrößte Bank in Russland. Jedoch sei dies die „Hausbank“ einer Vielzahl höherer Beamter der Russischen Föderation. Zudem sollen Personen des inneren ­Kreises um Präsident Putin Anteilseigner dieser Bank sein. Sie sei zudem eng mit dem Öl-, Gas- und Energiesektor ­verbunden und tätige Geschäfte mit ­verschiedenen Banken in den USA und Europa.

Jüngst hat US-Präsident Obama zudem das Gesetz zur Unterstützung der Souveränität, Einheit, Demokratie und wirtschaftlichen Stabilität der Ukraine unterzeichnet. Mit diesem Gesetz werden dem Präsidenten weitere Befugnisse erteilt, Sanktionen gegen Individuen und Unternehmen zu verhängen, die im Zusammenhang mit den im November 2013 begonnen Protesten in der Ukraine erhebliche Menschenrechtsverletzungen begangen haben oder in Vorgänge der Korruption in der Ukraine oder in Russland involviert sind oder zur Gefährdung des Friedens in der Ukraine beitragen.

Russland hat bislang zurückhaltend mit eigenen Sanktionen auf die Maßnahmen der USA und der EU reagiert. Lediglich Einreiseverbote wurden für einige US-Politiker verhängt. Weitere Sanktionen sollen sich wohl „in der Schublade“ befinden, sind aber noch nicht bekanntgegeben worden. Vor einiger Zeit hat Russland insbesondere mit einem Gesetz zur Enteignung ausländischer Firmen gedroht.

Die Zeichen in der Ukraine-Krise stehen (noch) nicht auf Entspannung. Im Gegenteil. Die Nato hat angekündigt, jegliche Kooperation mit dem russischen Militär einzustellen. Russland hat jüngst die ­Gaspreise für die Ukraine stark erhöht und Truppen in erheblicher Größenordnung an der Ostgrenze zur Ukraine aufgestellt.

Nach dem Sturm prorussischer Kräfte auf öffentliche Gebäude in der Ostukraine ist es zuletzt zu Auseinandersetzungen mit ukrainischen Sicherheitskräften gekommen. Russland warnte daraufhin die ukrai­nische Regierung vor der Anwendung von Gewalt. Angesichts der angespannten Lage vereinbarten die USA und ­Russland einen neuen Anlauf für eine dipl­omatische Lösung der Krise. US-Außenminister Kerry und der russische Außenminister Lawrow einigten sich nach Angaben aus Washington in einem Telefonat auf direkte Gespräche. Dabei habe Kerry auch deutlich gemacht, dass Amerika die jüngsten Entwicklungen „mit großer Sorge“ verfolgt habe, sagte Kerrys Sprecherin. Die prorussischen Proteste im Osten der Ukraine seien „keine spontanen Ereignisse“, sondern offenbar von Moskau „sorgfältig orchestriert“ worden. An dem Treffen innerhalb der nächsten zehn Tage sollen auch Vertreter der EU und der Ukraine teilnehmen. Der genaue Termin sowie die Agenda der Gespräche müssen aber noch festgelegt werden.

Ob weitere Sanktionen gegen Russland im Sinne der von der EU angekündigten „dritten Stufe“ folgen werden, ist offen. Die EU und die USA haben aber jedenfalls im Anschluss an das gemeinsame Gipfeltreffen am 26. März 2014 und auch im April noch einmal bekräftigt, zusätzliche und weitreichende Konsequenzen in einer Vielzahl von Wirtschaftsbereichen ergreifen zu wollen, wenn das weitere Verhalten Russlands dazu führt, die Situation in der Ukraine zu destabilisieren.

Seitens der EU sind jedenfalls weitere personenbezogene Russland-Sanktionen nicht unwahrscheinlich, wobei diese nicht unbedingt unmittelbar auf die Ukraine-Krise zurückzuführen sein müssen. So hat das EU-Parlament jüngst im Rahmen einer Resolution den Rat der EU aufgefordert, Sanktionen gegen bestimmte russische Beamte und deren Familienmitglieder zu erlassen. Die Personen auf der vom EU-Parlament vorgelegten sogenannten Magnitsky-Liste werden mit den Umständen in Verbindung gebracht, die 2009 zum Tod des regierungskritischen Anwalts Sergei Magnitsky führten, der sich zum damaligen Zeitpunkt in russischer Haft befand.

Unternehmen, die Handel mit Russland betreiben, können und sollten Maßnahmen ergreifen, um Sanktionsverstöße zu vermeiden, und sich auf eine mögliche Verschärfung der Rechtslage vorbereiten. Hierbei sind beispielsweise folgende Aspekte zu beachten:

  • Die internen Compliancemaßnahmen sollten dahingehend angepasst werden, dass im Vorfeld eines möglichen Geschäftsabschlusses oder einer konkreten Lieferung nach Russland die Vereinbarkeit des Geschäfts bzw. der Lieferung mit den sanktionsrechtlichen Vorschriften geprüft wird.
  • Unternehmen sollten prüfen, ob die Ausfuhr bestimmter Dual-Use-Güter nach Russland oder in die Ukraine nun einer Einzelgenehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bedarf. Mit Wirkung zum 1. April 2014 wurden diese beiden Staaten nämlich aus dem Kreis der begünstigten Länder der Allgemeinen Genehmigungen Nr. 9, Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 16 herausgenommen, da die zuvor bestehenden Verfahrensvereinfachungen angesichts der aktuellen brisanten Lage nicht mehr vertretbar erschienen.
  • Darüber hinaus sollten die bestehenden und zukünftig abzuschließenden Verträge dahingehend überprüft werden, ob sie Regelungen für den Fall vorsehen, dass das geplante Geschäft durch die sanktionsrechtlichen Maßnahmen gefährdet oder gar undurchführbar werden könnte. Soweit erforderlich und möglich, sollten insbesondere für den Fall einer drohenden Sanktionsverschärfung ergänzende Regelungen getroffen werden.
  • Im Rahmen derzeit laufender Vertragsverhandlungen zu neuen Geschäften könnten Unternehmen zudem geneigt sein, folgenden Umstand ins Kalkül zu ziehen: Bei anderen Sanktionen gegen bestimmte Länder, z.B. dem Iran-Embargo nach Verordnung (EU) Nr. 267/2012, hat die EU in der Vergangenheit im Hinblick auf bestimmte güterbezogene Beschränkungen Ausnahmen für „Altverträge“ zugelassen. Verträge über Warenlieferungen, die durch die Embargos grundsätzlich verboten waren, durften aus Gründen des Vertrauensschutzes noch erfüllt werden, wenn der Abschluss des Vertrages zeitlich vor dem Inkrafttreten des Embargos bzw. der Sanktionsverschärfung lag. Bisher bestehen freilich noch keine güterbezogenen Sanktionen gegenüber Russland. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht absehbar, ob bzw. in welchem Umfang überhaupt weitere Sanktionen erfolgen und ob die EU auch im Hinblick auf Russland ggf. Ausnahmen für Altverträge zulassen würde.

Die Situation in der Ukraine und die Beziehungen zu Russland sind in vielerlei Hinsicht angespannt. Die EU und die USA haben inzwischen mit personenbezogenen Sanktionsmaßnahmen reagiert. Ob und in welchem Umfang weitere wirtschaftliche Sanktionen drohen, hängt von den politischen Entwicklungen der nächsten Tage und Wochen ab.

Auch wenn Altbundeskanzler Helmut Schmidt die Sanktionen jüngst in einem Zeitungsinterview als „dummes Zeug“ bezeichnete, so sind sie doch Realität für die im Handel mit Russland tätigen Unternehmen. Es obliegt ihnen, die weitere ­Entwicklung in diesem Bereich aufmerksam zu beobachten, bei ihrer wirtschaft­lichen Tätigkeit die sanktionsrechtlichen Vorgaben zu beachten und sich auf mögliche Sanktionsverschärfungen durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen vorzubereiten.

Kontakt: g.schwendinger@[at]gvw.com ; m.trennt[at]gvw.com

19 replies on “Ukraine- Krise: Sanktionen gegen Russland”

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