Wenn in den kommenden Monaten die Handelsbeschränkungen gegen den Iran fallen, öffnet sich deutschen Firmen ein riesiger Markt. Der Nachholbedarf der Bevölkerung und der Investitionsstau in den Unternehmen sind nach vier Jahren eingeschränkten Außenhandels immens. Und die Konkurrenz aus Amerika und Europa macht sich bereit, neben den bereits aktiven Unternehmen aus Asien davon zu profitieren. Auch deutsche Unternehmen ziehen nach. Einen guten Zugang bietet der Weg über die Türkei.

Von Katharina Schnurpfeil, Redakteurin, Markt und Mittelstand, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Mit großer Freude reagierte die deutsche Wirtschaft auf die anstehende Abschaffung der wirtschaftspolitischen Sanktionen gegen den Iran. Denn der Bedarf an modernen Produkten ist in dem seit fast 30 Jahren vom Westen abgeschotteten Land enorm. „Alle Anlagen sind hier veraltet“, berichtet Ahmet Yilmaz, Geschäftsführer des Automobilzulieferers Extim und Repräsentant des türkischen Maschinenbauverbandes.

Deutsche Anbieter treffen daher auf einen äußerst aufnahmebereiten Markt. Doch lange Jahre Isolation gehen an bilateralen Handelsbeziehungen nicht spurlos vorüber. Die Handelsströme wurden nahezu vollständig gekappt, eine Transportinfrastruktur ist zwischen Deutschland und dem Iran kaum mehr vorhanden, und politische und kulturelle Skepsis er-schwert das Geschäft. Deutsche Firmen sind daher gut beraten, sich einen Partner an die Seite zu holen, der den iranischen Markt schon gut kennt. Und der weitere praktische Geschäftsvorteile bietet. Ein solcher Partner ist die Türkei.

Enge Beziehungen

Während Europa und die USA den Iran aus politischen Gründen mieden, lief der Warenverkehr über die türkisch-iranische Landesgrenze unvermindert weiter. Unter anderem Fahrzeuge und Maschinen türkischer Produktion finden sich im Iran deswegen häufig. „Die beiden Länder unterhalten enge, vertrauensvolle und von gegenseitigem Respekt getragene politische und wirtschaftliche Beziehungen“, sagt Wolf-Ruthart Born, früherer deutscher Botschafter in Ankara und nun Berater der türkischen Investitionsförderungsagentur Ispat. „Mit dem Wegfall der Sanktionen werden sie sich weiter intensivieren.“

Auch Deutschland und die Türkei haben seit Jahren exzellente Wirtschaftsbeziehungen. Mehr als 6.000 deutsche Firmen betreiben derzeit eine Niederlassung am Bosporus, über 90.000 türkischstämmige Unternehmer haben sich in Deutschland niedergelassen. „Diese bestehenden Kanäle sollten deutsche Firmen nutzen und weiter ausbauen, um einen guten Zugang zum Iran zu bekommen“, rät Yilmaz.

Zollfreie Exporte

Vor allem aus zollrechtlicher Sicht sind türkische Firmen ideale Partner. „Seit 2014 gilt ein bevorzugtes Handelsabkommen zwischen dem Iran und der Türkei, in dessen Rahmen viele Zölle komplett abgeschafft wurden“, erklärt Yilmaz. Dieses Abkommen bezieht alle Waren mit ein, die aus der Türkei geliefert werden – auch wenn die Zulieferer in Deutschland oder anderen europäischen Ländern sitzen. Für deutsche Firmen ist es daher möglich, Zollschranken auf dem Weg über die Türkei ebenfalls zu umgehen. Innerhalb der Zollunion zwischen der EU und der Türkei können sie Komponenten zollfrei an den Bosporus liefern. Der dort ansässige Partner oder die eigene Tochterniederlassung vor Ort baut die Anlage zusammen; dann geht alles abgabenfrei weiter an den Kunden im Iran. „Einen Mindestanteil lokaler Wertschöpfung gibt es nicht“, sagt Yilmaz. Alle Waren, die aus der Türkei kommen, werden zollrechtlich als türkisches Produkt behandelt.

Die Handelsströme zwischen der Türkei und dem Iran verlaufen hauptsächlich über den Landweg. Das reduziert die Transportkosten für deutsch-türkische Waren, die sonst per Luftfracht transportiert werden müssten. Durch die günstigeren Arbeitskosten in der Türkei werden die mit deutschen Komponenten gefertigten Produkte zudem wettbewerbsfähiger im Iran, wo sie mit niedrigpreisigen chinesischen Waren konkurrieren müssen. Denn in die Lücke, die sich während der Jahre der westlichen Sanktionen auftat, traten Anbieter aus Asien. „In den meisten Investitionsgüterbranchen sind die Chinesen mittlerweile federführend“, berichtet Yilmaz. „Deutsche Firmen müssen daher an ihren guten Ruf anknüpfen“, rät Born. Denn aus früheren Zeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stammt noch eine große Wertschätzung für deutsche Produkte. „Ein Großteil der bisherigen Maschinenparks stammte früher aus Deutschland“, ergänzt er. Auch in der Automobilindustrie waren deutsche Anbieter hervorragend positioniert.

Kulturelles Verständnis

Wie auf allen Auslandsmärkten ist auch im Iran ein kulturelles Verständnis für den Kunden geschäftsentscheidend. Aufgrund der langjährigen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen verfügen türkische Geschäftsleute über dieses Verständnis. „Natürlich gibt es politische Differenzen“, wendet Yilmaz ein. „Doch die Länder sind Nachbarn und haben immer gern zusammengearbeitet.“ Während die historisch ebenfalls guten Kanäle zwischen Deutschland und dem Iran aus politischen Gründen gekappt wurden, intensivierte sich der Kontakt zwischen der Türkei und dem Iran. Mit einem türkischen Partner im Markt aufzutreten gibt deutschen Firmen daher einen Verhandlungsvorsprung gegenüber chinesischen Wettbewerbern.

Eine Herausforderung bleiben natürlich die politischen Bedingungen im Iran wie auch in der Türkei. Angesichts des großen Geschäftspotentials treten sie jedoch in den Hintergrund. „Unternehmer sind keine Diplomaten, sie gehen in einen Markt, um Geschäfte zu machen“, meint Yilmaz. Und trotz der momentanen Unruhen im Nahen Osten können sie den Bedarf im Iran gut bearbeiten. Allerdings sei auch aus Sicherheitsgründen ein türkischer Ausgangsort für das Iran-Geschäft sinnvoll. Ungern würden deutsche Firmen beispielsweise einen Monteur für einige Wochen in den Iran entsenden, vermutet Yilmaz. Stattdessen biete es sich an, einen Mitarbeiter für die gesamte Dauer einer Montage in der Türkei zu stationieren und nur für einzelne Tage zum Kunden in den Iran zu entsenden.

Langfristige Strategie

Da die Planung viel Zeit in Anspruch nimmt, sollten sich deutsche Firmen früh mit einem Konzept für den iranischen Markt beschäftigen. Denn der Iran eignet sich nicht für kurze, schnelle Gewinne. „Ebenso wie auf anderen Auslandsmärkten sollten deutsche Firmen in den Iran gehen, um zu bleiben“, erklärt Born. „Eine Umfrage in der Türkei hat ergeben, dass man bei einer Investition mit einer Anfangsphase von ein bis zwei Jahren rechnen muss, bis diese den erwarteten Ertrag bringt“, führt er weiter aus. „Ich gehe davon aus, dass Ähnliches auch für den Iran gilt.“ Dann aber dürfte sich das Engagement dort außerordentlich gewinnbringend gestalten.

Dieser Beitrag erschien in der Ausgabe November 2015 von „Markt und Mittelstand“. Aktuelle Berichte finden Sie auf www.marktundmittelstand.de.

Kontakt: katharina.schnurpfeil@frankfurt-bm.com

 

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