Die Kontrolle von Rüstungsexporten könnte zugunsten einer Kontrolle aus strategischen Erwägungen für Wirtschaft, Handel und Technologieführerschaft in den Hintergrund treten. Exportkontrollverantwortliche müssen in Zukunft wohl noch stärker als bisher zwischen den Zeilen lesen.

Der 14. „Exportkontrolltag“ des BAFA und des ZAR widmete sich den besonderen Herausforderungen neuer Technologien und den erforderlichen Leitplanken für Rüstungsexporte. Im Zentrum stand das Kräftemessen zwischen den USA und China, das auch in der Exportkontrolle spürbar wird.

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Die deutsche Sicherheits-und Verteidigungsindustrie steht unter Druck. Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, griff in seiner Keynote am 21. Februar eine aktuelle Meldung aus der F.A.Z. vom gleichen Tage auf, in der der Personalabbau bei Airbus Exportverboten und Verzögerungen bei der Auftragsvergabe angelastet wurde. Er kritisierte die negative öffentliche Wahrnehmung der Verteidigungsindustrie und betonte die europäische Zusammenarbeit. Ein neues Strategiepapier der Bundesregierung solle die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland stärken.

Rüstungsexporte ziehen wieder an

Mit einem Wert von 8,0 Mrd EUR erreichten die Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter und Kriegswaffen 2019 nach Angaben des BMWi einen neuen Höchststand. Allerdings entsprach dieser Wert nur 0,6% der deutschen Ausfuhr im vergangenen Jahr, und nicht alle Genehmigungen wurden 2019 bereits genutzt. 4,5 Mrd EUR der Genehmigungen bezogen sich auf Lieferungen in EU- oder NATO-Länder bzw. gleichgestellte Staaten wie Australien. Von den verbleibenden 3,5 Mrd EUR, die für Drittländer wie z.B. Ägypten, Algerien, Indonesien, Qatar und die VAE bestimmt waren,  entfielen 0,8 Mrd EUR auf Kriegswaffen und 2,7 Mrd EUR auf sonstige Rüstungsgüter.

Für Bareiß ist diese Entwicklung Ausdruck einer starken Nachfrage nach deutschen Produkten. Zugleich müsse man sich aber die Frage stellen, welche Technologie man nach außen geben wolle. Wichtige Schritte seien die Endverwendungserklärung und deren Kontrolle. Hinzu käme die stärkere Kontrolle des Exports von Überwachungstechnologie und der Einhaltung der Menschenrechte, wie sie im Entwurf der EU-Dual-Use-Verordnung vorgesehen sei. Insbesondere Deutschland müsse sich damit befassen, da rund die Hälfte der 24.000 Anträge zum Export von Dual-Use-Gütern in der EU aus Deutschland stammten.

Industrie fordert klare Richtlinien

In der Diskussion um die politischen Vorgaben für die Rüstungsexportkontrolle stellte Bareiß fest, dass man hohen mora­lischen Ansprüchen gerecht werden müsse. Gleichwohl dürfe man die Industrie nicht im Regen stehen lassen. Dr. Julia Monar, Beauftragte für Exportkontrolle im Auswärtigen Amt, sprach von den Herausforderungen internationaler Konflikte. Dort dürften deutsche Rüstungsgüter keine Verwendung finden. Für die außenpolitische Beurteilung gebe es den Gemeinsamen Standpunkt der EU im ­Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der auch für die europäische Rüstungszusammenarbeit gelte. Als einer von mehr als 100 Vertragsstaaten der ATT (The Arms Trade Treaty) habe sich Deutschland zu einer besseren Koordination der Rüstungsexporte verpflichtet.

Das neue „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ begrüßte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, Dr. Hans Christoph Atzpodien, als Bekenntnis der Bundesregierung zu einer leistungsfähigen Verteidigungsindustrie. Anders als die staatlichen Unternehmen in anderen Ländern benötigte die privatwirtschaftlich organisierte Industrie in Deutschland eine höhere betriebswirtschaftliche Berechenbarkeit. Verwaltungshandeln müsse planbar und verlässlich sein. Die Unternehmen müssten auf einmal erteilte Genehmigungen vertrauen können, forderte Atzpodien.

Die Bundeswehr wolle als Premiumkunde behandelt und schnell beliefert werden. Dazu bräuchten die Unternehmen jedoch einen verlässlichen Rahmen. Exporte seien auch Ausdruck der außen- und sicherheitspolitischen Interessen der ­Bundesregierung, stellte Atzpodien fest. Dr. Arnold Walraff, der als Vertreter der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung sprach, schlug eine Begrenzung der Rüstungsexporte auf EU- und NATO-Staaten vor. Die Rüstungsgüter sollten lieber für die Ausstattung der Bundeswehr genutzt werden. Dann ließe sich auch das NATO-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von 2% des BIP erreichen. Dem widersprach Bareiß, der die Wirtschaftlichkeit einer derart eingeschränkten Verteidigungsindustrie in Frage stellte.

Streitbeilegung, Zölle und Sanktionen

In seiner Begrüßungsrede zum „Exportkontrolltag“ beschrieb Prof. Dr. Dirk Ehlers vom Zentrum für Außenwirtschaftsrecht die aktuellen Herausforderungen für den internationalen Handel: Die Welthandelsorganisation erodiere, da die USA die Bestellung neuer Richter für die Streitbeilegungsinstanzen der WTO blockiere. Die EU und 16 weitere WTO-Mitglieder hätten sich unlängst in Davos auf eine zweistufige Übergangsregelung geeinigt. Strafzölle würden mit Sicherheitsinteressen begründet, die nicht mehr durch die WTO überprüft werden könnten. Sekundärsanktionen der USA träfen auch Drittstaaten und könnten in ähnlicher Weise von anderen großen Wirtschaftsmächten eingesetzt werden.

BAFA-Präsident Torsten Safarik brachte die Herausforderungen auf die Formel: „Wechselseitige Abhängigkeiten werden immer mehr zu wechselseitigen Unsicherheiten.“ Die Konfrontation zwischen den USA und China sei dynamischer, als der Kalte Krieg es gewesen sei. Es gehe nicht mehr nur darum, wer die technischen Standards setze, sondern auch um die technologische Entwicklung und deren Anwendung. So sei es entscheidend, wofür z.B. Überwachungstechnologie in China eingesetzt werde. Zwar sei die Kappung der Zusammenarbeit mit China keine Option, doch die Partnerschaft mit den USA müsse immer enger sein als die mit China.

Europa zwischen den Stühlen

Prof. Hans-Michael Wolffgang, Direktor des Instituts für Zoll- und Außenwirtschaftsrecht an der Universität Münster, wies auf die expansive chinesische Initiative der „Neuen Seidenstraße“ auch in Europa hin. Das neue chinesische Exportkontrollrecht enthalte ähnliche extraterritoriale Ansätze wie die US-Regelungen. Unter anderem könnten Unternehmen auf eine „schwarze Liste“ gesetzt und dürften von chinesischen Unter­nehmen nicht mehr beliefert werden. Dr. Peter Rudolf, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht deutsche Unternehmen potentiell vor die Entscheidung gestellt, ob sie den Vorgaben der USA oder denen Chinas folgen wollten.

Bei der Listung von Huawei gehe es um den Kampf um die technologische Vorherrschaft zwischen den USA und China, meinte Rudolf. Matthew S. Borman, Deputy Assistant Secretary des U.S. Bureau of Industry and Security, verwies auf die Verstöße Huaweis gegen Iran-Sanktionen und die potentiellen Sicherheitsrisiken der Technologie Huaweis. Aber man wolle den Handel mit China nicht beschränken. China sei heute ein sehr viel bedeutenderer Markt, als es beispielsweise die Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges gewesen sei. Daher habe eine Kontrolle des Handels sehr viel größere Auswirkungen.

„Emerging Technologies“ als neues Kriterium

Borman beschrieb die Herangehensweise seiner Behörde an neue technologische Entwicklungen, die potentiell die Sicherheitsinteressen der USA berühren könnten. Damit zeichnet sich nach Ansicht einiger Zuhörer ab, dass das Konzept des „Dual Use“ in der US-Exportkontrolle zunehmend von neuen Entscheidungskriterien abgelöst werden dürfte. Die Kontrolle von Rüstungsexporten könnte zugunsten einer Kontrolle aus strategischen Erwägungen für Wirtschaft, Handel und Technologieführerschaft in den Hintergrund treten. Exportkontrollverantwortliche müssen in Zukunft wohl noch stärker als bisher zwischen den Zeilen lesen.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

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