Die Umsetzung des Auslandsgeschäfts ist ein Spiel mit vielen Unbekannten und erheblichen Risiken. Ausländische Abnehmer sind nicht nur Kunden, sondern auch Schuldner, deren Prüfung nicht allein Sache der Finanzabteilung ist. Gemeinsam mit Banken und Kreditversicherern können Exporteure und ihre ­Kunden in einem transparenten Prozess den Umgang mit den finanziellen Risiken weitgehend so organisieren, dass jeder Beteiligte nur die Risiken trägt, die er tragen will und kann. (gus)

Von Axel-Peter Ohse, Managing Director Global Transaction Banking, Head Trade Finance Germany, Deutsche Bank AG

Die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten eineinhalb Jahre hat einmal mehr die Notwendigkeit eines guten Risikomanagements herausgestellt: als kreditwürdig erachtete Abnehmer sind plötzlich ausgefallen, ein sicher gewähntes Orderbook hat sich in Luft aufgelöst, Banken haben plötzlich fehlende Kommas in Dokumenten moniert und Zahlungen hinausgezögert, etablierte Prozesse der offenen Rechnungsstellung wurden in Frage gestellt, wichtige Lieferanten sind ausgefallen mit der Folge, dass die eigenen Kunden nur ungenügend beliefert werden können; die Frage nach der Nachhaltigkeit gut gewähnter Beziehungen stellt sich.

Auch die Länderrisiken haben sich zum Teil dramatisch geändert, diverse Länder gelten als faktisch überschuldet bzw. nahe an der Überschuldungsgrenze, und lokale Kreditmärkte sind eingeschränkt in ihrer Funktion. Vor diesem Hintergrund haben sich u.a. Zahlungsziele dramatisch verändert und desgleichen mehr. Diese Probleme gilt es rechtzeitig zu erkennen und anzugehen. Hierzu bedarf es eines Prozesses, der sich an den folgenden fünf Schlüsselpunkten orientieren sollte:

  • Risikoidentifikation
  • Risikoquantifizierung
  • Risikomanagement
  • Risikoberichtswesen
  • Risikoprozessbewertung

Letztlich geht es doch darum zu entscheiden, welche Risiken abgewälzt, welche Risikoanteile im eigenen Buch gehalten werden sollen und welche Risiken auch getragen werden können. Insbesondere in der Exportwirtschaft hat sich im Evaluierungsergebnis doch einiges geändert: Der Trend weg vom sichernden Akkreditiv zu „offener Rechnungsstellung“ hat sich gedreht; dies auch vor dem Hintergrund, dass Versicherer ihre Deckungslimite reduziert haben.

Im ersten Schritt sind zunächst die Risiken zu identifizieren. Dabei reicht es nicht, die Risikokategorien einfach nur aufzuzählen. Tatsächlich hängen die Risiken sehr stark von dem jeweiligen speziellen Geschäftsmodell bzw. Aufgabengebiet ab.

Geht es lediglich um die Abwicklung von Exportaufträgen, ist dies nur ein sehr kleiner Ausschnitt der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Darüber hinaus ist dieser Teil auch ein sehr später Teil in der Wertschöpfungskette. Idealerweise werden Risiken frühzeitig gemanagt. Deshalb ist es wichtig, sich hier mit anderen Abteilungen abzustimmen. Dabei ist besonderer Wert auf die Definition der Zuständigkeiten und der Geschäftsvorfälle zu legen.

Betrachtet man lediglich die Abwicklung eines Exportauftrages, so handelt es sich dabei genaugenommen um zwei separate Geschäftsvorfälle:

  • die Auslieferung der Ware oder Dienstleistung
  • die Zahlungsabwicklung

Beide Geschäftsvorfälle beinhalten Risiken. Bei der Lieferung dürften die operativen Risiken im Vordergrund stehen. Dabei geht es um die Sicherstellung, dass die Ware auch wie geplant (unbeschädigt und zeitgerecht) beim Kunden ankommt. Von den Zahlungen an die Logistikdienstleister wird hier einmal abgesehen. Bei der Zahlungsabwicklung stehen mehr die finanziellen Risiken im Vordergrund. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Sicherstellung des Zahlungseingangs in der vereinbarten Höhe. Eventuell können auch noch Währungsrisiken hinzukommen, wenn die Zahlung in Fremdwährung erfolgt oder Zinskosten für geschobene Zahlungsziele entstehen. Dies wird allerdings in der Regel durch die Finanzabteilung gemanagt, doch ist diese, was den Zukunftsaspekt der Zahlungen angeht, auf Transaktionsdaten aus Kundengeschäften angewiesen wie z.B. Statistiken hinsichtlich „late shipment“, „quality rejects“, „documentary issues“ und weitere.

Bei der weiteren Analyse wollen wir uns auf das Risiko des Zahlungseingangs konzentrieren. Das Risiko besteht darin, dass der Kunde nicht oder nicht in vollem Umfang in der Lage ist, die vereinbarte Zahlung zu leisten. Gründe hierfür könnten sein:

  • Der Kunde ist zahlungsunfähig.
  • Das Land, in dem der Kunde sitzt, ist zahlungsunfähig und führt deshalb z.B. Devisenverkehrsbeschränkungen ein.
  • Es kommt zu erheblichen Zahlungsverzögerungen.

Im Rahmen des Risikomanagements stellt sich jetzt die Frage, wie mit diesen Risiken umzugehen ist, und vor allem, wer im Unternehmen diese Aufgabe wahrzunehmen und damit auch die Verantwortung hat. Können und sollen diese Risiken getragen werden? Welche Risikopuffer sind kalkuliert und „rückgestellt“, welches Liquiditätspolster besteht und ist einer einzelnen Exporttransaktion zugeteilt? Wenn die Risiken nicht getragen werden sollen, wie können die Risiken abgesichert werden?

Zur Entscheidung über die weitere Vorgehensweise ist es hilfreich, die Risiken zunächst zu quantifizieren, das heißt zu ermitteln, wie hoch die gefundenen Risiken eigentlich in Euro sind. Dabei ist sowohl die Schadenshöhe als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Bei der Schadenshöhe ist zu beachten, dass nicht notwendigerweise der volle Betrag ausfällt. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit könnte zum Beispiel der Erlös aus einer alternativen Verwendung der Güter ermittelt werden. Bei der Eintrittswahrscheinlichkeit kann es sich nicht nur um die Eintrittswahrscheinlichkeit eines einzelnen Ereignisses, sondern es muss sich um die ganze Verteilung von Schadenshöhen handeln.

Aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit kann dann der erwartete Schaden ermittelt werden. Der erwartete Schaden sollte zumindest bei der Kalkulation der Verkaufspreise der Produkte berücksichtigt werden. Der tatsächliche Schaden kann allerdings höher oder niedriger als der erwartete Schaden sein. Daraus ergibt sich das eigentliche Risiko bzw. eine Chance.

Um ein Gefühl für den potentiellen Schaden in einem realistischen Szenario zu bekommen, kann man anhand der Wahrscheinlichkeitsverteilung den Schaden ermitteln, der mit einem gewissen Wahrscheinlichkeits­niveau (z. B. 95% oder 99%) nicht überschritten wird. Diese Kennziffer ist ähnlich wie die in der Finanzindustrie verwendete Kenn­ziffer „Value at Risk“.

Dieser potentielle Verlust kann dann mit der Risikotragfähigkeit, einem Risikobudget als Ausdruck der Risikoneigung des Unternehmens, verglichen werden. Übersteigt das Risiko die Risikotragfähigkeit, empfehlen sich risikoreduzierende Maßnahmen oder die Abwälzung des Gesamtrisikos.

Als Erstes ist wichtig, festzulegen, wer die einzelnen Risiken wie zu managen hat; ein ordentlicher Governance- und Richtlinienprozess ist unvermeidbar. Daneben muss festgelegt sein, mit welchen Instrumenten Risiko denn tatsächlich gemanagt werden darf; meistens setzt man das Risiko ja nicht auf null, sondern ersetzt ein Risiko durch ein anderes, z.B. durch eine Versicherung oder ein Bankakkreditiv.

Wie im Debitorenbereich üblich, sollten dann aber auch die Sicherungspartner genehm sein und für diese entsprechende Limite vorgehalten werden. Als risikoreduzierende Maßnahmen sind zum Beispiel Garantien, Akkreditive und/oder Kreditversicherungen sowie Forfaitierung und Forderungsverkauf denkbar. Diese Absicherungsmaßnahmen können das Risiko in wesentlichem Umfang oder nur zum Teil abdecken.

Gegebenenfalls sind auch noch andere Maßnahmen denkbar. So wäre zu überlegen, inwiefern sich diese Risiken von vorneherein vermeiden ließen oder sich der Umfang reduzieren ließe, zum Beispiel durch zu leistende Anzahlungen des Kunden oder Ähnliches. Nicht zu vergessen ist die Sicherung des Liquiditätsrisikos – jeder größere Auftrag sollte zumindest intern mit einer Art Liquiditäts-Back-up versehen sein. Die Summe dieser Polster ergibt die maximal notwendige Kreditlinie, die in den allermeisten Fällen natürlich wesentlich geringer ist, da nur sehr selten alle Auftragsrisiken gleichzeitig schlagend werden.

Da es sich in der Regel nicht nur um eine einzelne Transaktion, sondern um viele handeln wird, sind alle Risiken zu sammeln, zu aggregieren und transparent zu machen. Dies erfolgt in Form von übersichtlichen und transparenten Risikoreports, die sowohl die risikoverursachenden Grundgeschäfte als auch die Absicherungsmaßnahmen enthalten. Im Rahmen dieser Reports sollte ein regelmäßiger Abgleich mit der Risikotrag­fähigkeit bzw. Risikoneigung des gesamten Unternehmens bzw. des Risikobudgets erfolgen, um gegebenenfalls weitere Absicherungsmaßnahmen zu ergreifen bzw. bestehende Risikomaßnahmen aufzulösen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die entsprechenden Berichte auch an die jeweiligen verantwortlichen Personen gehen und dass sich ein Risikokomitee mit den Ausreißern und Limitüberschreitungen beschäftigt – in diesem Komitee können dann auch die Abteilungssilos, die es ja häufig gibt, aufgelöst werden.

Schließlich gehört zu einem guten Risikomanagement auch noch eine regelmäßige Überprüfung der Funktionsweise. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob die ursprüngliche Risikoeinschätzung mit den tatsächlich eingetretenen Risiken konsistent ist, oder ob es systematische Abweichungen gibt. Sollte es zu größeren Abweichungen kommen, wäre insbesondere das Verfahren zur Risikoermittlung zu überarbeiten. Auch dies ist in letzter Konsequenz Aufgabe des Risikokomitees.

Letztlich sei erwähnt, dass erfolgreiche Unternehmen gerade in der Krise ihr Risikomanagement auf einer Basis engen Zusammenarbeitens zwischen den beteiligten ­Parteien vorangetrieben haben. In einer exportlastigen Umgebung gehört hier der Exportmanager definitiv dazu.

Kontakt: axel-peter.ohse[at]db.com

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