Die Europäische Union hat mit einer Reihe von Ländern bzw. Ländergruppen sogenannte Präferenzabkommen geschlossen. In diesen Präferenzabkommen wurden Zollvergünstigungen (Präferenzen) vereinbart. Das bedeutet, dass die Einfuhr in ein Land, mit dem ein solches Abkommen abgeschlossen wurde, zollfrei bzw. zollermäßigt erfolgen kann. Voraussetzung ist, dass die Waren bestimmte Ursprungsregeln (Be- und Verarbeitungsregeln) erfüllen, die in dem Präferenzabkommen festgelegt sind.

Corinna Tamminga, Beraterin für Zoll und Außenwirtschaft, dbh Logistics IT AG

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Präferenzabkommen bedeuten in der Regel einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für präferenzberechtigte Produkte, da die Zollsätze im Ausland ansonsten häufig im zweistelligen Bereich liegen können. Allerdings sind der Zeit- und Personalaufwand für diese freiwillige Nutzung nicht zu unterschätzen. Entsprechendes Fachwissen ist zwingend erforderlich.

Ob der Aufwand gerechtfertigt ist, kann durch einen Blick in die Market Access Database der Europäischen Union (http://madb.europa.eu) geklärt werden. Diese gibt Auskunft über die Zollsätze im jeweiligen Empfangsland. Auf einen Blick ist zu erkennen, ob für das jeweilige Produkt überhaupt ein Präferenzzollsatz gewährt wird und wie hoch/gering die Differenz zum Normalzollsatz ist. Hieraus ergibt sich dann das weitere Vorgehen.

Tipp: Neben den Einfuhrzollsätzen erläutert die Market Access Database auch, welche Dokumente für die Einfuhr notwendig sind.

Ein- und zweiseitige Abkommen

Unterschieden wird zwischen ein- und zweiseitigen Abkommen. Einseitige Abkommen führen zu einer Zollvergünstigung beim Import in die Europäische Union. Für Exporteure sind in der Regel nur zweiseitige Abkommen relevant, da diese auch zu einer Zollvergünstigung/Zollfreiheit im Empfangsland führen, womit der Kunde niedrigere Einfuhrabgaben zu zahlen hat. Eine Übersicht über alle bestehenden Abkommen gibt das Präferenzportal der deutschen Zollverwaltung unter www.wup.zoll.de.

Be- und Verarbeitungsregeln

Die von der Europäischen Union geschlossenen zweiseitigen Präferenzabkommen enthalten sogenannte Be- und Verarbeitungsregeln. Diese Regeln werden immer nur mit dem jeweiligen Abkommenspartner festgelegt. D.h., dass die explizite Regel je Empfangsland und Artikel zu ­prüfen ist. Die aktuell gültigen Regeln können im Präferenzportal der Zollverwaltung abgefragt werden. Die am häufigsten verwendeten Regeln sind der Positionswechsel und die Wertklausel.

Beispiel für einen Positionswechsel

Herstellen aus Vormaterialien jeder Position, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie die hergestellte Ware.

Verglichen werden die ersten vier Stellen der Statistischen Warennummer der eingesetzten Vormaterialien ohne europäischen Ursprung mit der Position (Warennummer) des hergestellten Erzeugnisses. Der Positionswechsel liegt vor, wenn sich die Positionen in mindestens einer Zahl unterscheiden. Vormaterialien, die bereits den präferenziellen Ursprung haben (z.B. Lieferantenerklärung liegt vor), benötigen keinen Positionswechsel.

Beispiel für eine Wertklausel

Herstellen, bei dem der Wert aller verwen­deten Vormaterialien 40% des Ab-Werk-Preises der Ware nicht überschreitet.

Hier wird dem Nettoverkaufspreis (Ab-Werk-Preis) der Wert aller eingesetzten Vormaterialien gegenübergestellt, die selbst keinen präferenziellen Ursprung haben. Der Wert der Vormaterialien, für die eine gültige Lieferantenerklärung vorliegt, gehört somit nicht dazu. Zu berücksichtigen ist, dass der präferenzielle Ursprung sowohl von veränderten Einkaufspreisen für Vormaterialien als auch durch einen geänderten Verkaufspreis stark beeinflusst wird und jeweils eine neue Kalkulation erforderlich machen kann.
Weitere Klauseln sind u.a. die Kombination aus Positionswechsel und Wertklausel, der doppelte Positionswechsel oder die Beschreibung bestimmter Herstellungsvorgänge.

Alternativregel

Wenn sowohl in Spalte 3 als auch in Spalte 4 des jeweiligen Abkommens für Ihr Produkt eine Be- und Verarbeitungsregel aufgeführt ist, kann gewählt werden, welche Regel angewendet wird. Wenn z.B. die Regel in Spalte 3 nicht zum präferenziellen Ursprung führt, kann geprüft werden, ob dies mit der Regel in Spalte 4 möglich ist.

Präferenzkalkulation

Immer dann, wenn es sich nicht um Handelsware handelt, bei der nur die Verwaltung der ein- und ausgehenden Lieferantenerklärungen notwendig ist, ist eine Präferenzkalkulation durchzuführen. Insbesondere bei der Wertklausel ist ein Kalkulationsschema zu erstellen. Hierfür können z.B. die üblichen Office-Programme genutzt werden. Bei regelmäßig notwendigen Kalkulationen und/oder einer großen Stückliste mit wechselnden Preisen macht der Einsatz einer speziellen Präferenzsoftware allerdings Sinn, um effektiv und insbesondere rechtskonform arbeiten zu können.

Präferenzdokumente

Lieferantenerklärungen mit Präferenz­ursprung werden innerhalb der Euro­päischen Union von Unternehmen an Unternehmen ausgestellt. Diese Dokumente sagen aus, ob eine Ware präferenzberechtigt ist. Lieferantenerklärungen dienen Handelsunternehmen als Basis für die Ausstellung einer EUR.1/EUR-MED. Produktionsunternehmen benötigen sie in der Regel für ihre Präferenzkalkulation, um im Anschluss ihrem Kunden innerhalb der EU eine Lieferantenerklärung aus­stellen zu können, oder aber, um beim Zollamt eine EUR.1/EUR-MED für den Export in ein Präferenzland beantragen zu können.

Unterschieden wird zwischen einer Einzel- und einer Langzeitlieferantenerklärung. Die Einzellieferantenerklärung wird für die einmalige Lieferung ausgestellt. Eine Langzeitlieferantenerklärung kann für Waren ausgestellt werden, deren Ursprung sich voraussichtlich länger­fristig nicht ändern wird. Diese kann für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr (ab 1. Mai 2016 maximal zwei Jahre) ausgestellt werden.

Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ist der Präferenznachweis, der dem örtlichen Zollamt im Rahmen der Versandabfertigung ausgefüllt vorgelegt und von diesem geprüft und bestätigt wird. Auf Verlangen der Zollstelle sind entsprechende Nachweispapiere, also entweder die Präferenzkalkulation oder Lieferantenerklärungen, einzureichen. Bei eigener Herstellung muss auf der Rückseite der EUR.1 die geltende Ursprungsregel angegeben werden, und deren ­Einhaltung muss mit einer Erläuterung der Präferenzkalkulation nachgewiesen werden. Im Anschluss ist die EUR.1 der Zollstelle des Einfuhrstaates vorzulegen, um die Zollvergünstigung/Zollfreiheit zu erhalten.

Wenn der Ursprung im Rahmen der Pan-Euro-Med-Freihandelszone erworben wurde (Kumulation), dann ist als Nachweis die EUR-MED zu verwenden.

Bis zu einem Warenwert von 6.000 EUR kann die Ursprungserklärung auf Rechnung genutzt werden. Wird diese Wertgrenze überschritten, ist eine EUR.1 auszufüllen oder die Bewilligung als „Ermächtigter Ausführer“ notwendig.

Verfahrenserleichterung – „Ermächtigter Ausführer“

Mit der Bewilligung als „Ermächtigter Ausführer“ dürfen Unternehmen generell eine Ursprungserklärung auf der Rechnung abgeben, die eigentlich notwendige EUR.1 oder EUR-MED entfällt. Hinzu kommt, dass die Ausstellung natürlich unabhängig von den Öffnungszeiten des Zollamtes möglich ist, insbesondere dann, wenn außerdem der „Zugelassene Ausführer“ bewilligt wurde.

Unternehmen, die das Präferenzabkommen mit Südkorea nutzen möchten, müssen zwingend den „Ermächtigten Ausführer“ beantragen, da im Abkommen mit Südkorea die EUR.1 nicht vorgesehen ist.

Grundlage für die Beantragung dieser ­Bewilligung ist die Erstellung einer Arbeits- und Organisationsanweisung. Hiermit soll die innerbetriebliche Organisation dokumentiert werden, die Ursprungseigenschaft der Waren muss zweifelsfrei nachgeprüft und überwacht werden ­können.

Fazit

Die Nutzung von Präferenzabkommen wird für Unternehmen immer interessanter, insbesondere da zukünftig weitere Abkommen hinzukommen werden (z.B. mit den USA, Kanada, Vietnam, Singapur, Japan). Zu unterschätzen ist aber nicht der Kosten- und Zeitaufwand, um dieses Thema zu bewältigen. Dieses Thema sollte im Unternehmen strategisch geprüft und bei Umsetzung entsprechend organisiert werden, um Fehler zu vermeiden.

Kontakt: info@dbh.de

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