Schlechte Zeiten: Europa im Schuldensumpf, die Weltwirtschaft in der Krise! Gute Zeiten: Die Außenwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist weiterhin im Aufwind! Trotz Gegenwind durch die unsichere politische wie wirtschaftliche internationale Lage schaffte das Bundesland im Jahr 2011 wieder einen Exportrekord. Produkte, Dienstleistungen und nordrhein-westfälisches Know-how sind weltweit gefragt. Eine enorme Chance auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die genutzt werden will und muss.

Von Silke Bojahr, Freie Journalistin

Das Außenhandelsvolumen in NRW ist von 162,1 Mrd EUR im Jahr 2010 auf knapp 176,2 Mrd EUR 2011 gestiegen. Bedeutet: Rund 75.000 Unternehmen aus allen Branchen, Größenklassen und Regionen des Landes haben 2011 diesen neuen Exportrekord aufgestellt.

Damit liegt NRW im bundesweiten Trend: In ganz Deutschland knackten die Unternehmen mit ihren Exporten im vergangenen Jahr erstmals die Grenze von 1 Billion EUR. Waren im Wert von 1.060,1 Mrd EUR gingen ins Ausland. Ganz vorne mit dabei Nordrhein-Westfalen, das exportstärkste Bundesland, vor Baden Württemberg und Bayern. Die drei Bundesländer decken gemeinsam knapp 50% des gesamten deutschen Exports ab.

Das Auslandsgeschäft ist und bleibt ein außerordentlich wichtiges Standbein der NRW-Wirtschaft, doch sollte man sich auf den bisherigen Erfolgen nicht ausruhen, denn: „Die Abstände zu Baden-Württemberg und Bayern waren schon einmal größer – wir müssen uns also weiter ins Zeug legen, wenn wir den ersten Platz halten wollen“, betont Dr. Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW.

So liegt die Exportquote in NRW zwar bei stolzen 43,3%, doch geht der Anteil am bundesdeutschen Gesamtexport seit Jahren kontinuierlich zurück – von 18,1% im Jahr 2007 auf zurzeit nur noch 16,6%.

Es darf also ruhig wieder ein bisschen mehr sein. Das Problem: Rahmenbedingungen im Ausland müssen verbessert werden. Es gibt immer mehr Handelshemmnisse, wissen die 16 IHKs in NRW. Die World Trade Organization (WTO) drängt auf niedrige Zölle. Aber Handelshemmnisse und protektionistische Maßnahmen erschweren den Marktzugang. So würden beispielsweise Russland und China deutsche oder EU-Standards nicht anerkennen und eigene Zertifizierungen fordern. Darüber hinaus belegt beispielsweise Argentinien den Import von Gütern mit dem Zwang, in gleichem Umfang Exporte zu tätigen.

Auch wenn der Anteil der gesamtdeutschen Exporte in die EU-Länder laut Statistischem Bundesamt auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken ist, bleiben die wichtigsten Exportpartner NRWs die Nachbarländer Deutschlands. Hinzu kommen die USA und China. Neu in den Top-10-Ländern ist die Schweiz, die Spanien auf Platz 11 gedrängt hat. Knapp 61% der NRW-Ausfuhren gehen in die Niederlande, nach Frankreich, Belgien, Großbritannien, China, Italien, in die USA, nach Österreich, Polen und in die Schweiz. Die absoluten Werte der Ausfuhren in alle diese Länder wurden gesteigert – doch verhaltener als im Jahr 2010.

Die Märkte sind in Bewegung, so boomen zurzeit beispielsweise die Exporte nach China. 2009 lagen sie noch auf Platz 7, 2011 rangieren sie schon auf Platz 5. Auch in Russland und in der Türkei waren die NRW-Unternehmen überaus aktiv, die Wachstumstreiber Asien und Süd­amerika – besonders Brasilien – fanden großes Interesse. Mit Indien bietet sich für Nordrhein-Westfalen ein weiteres Schwellenland mit großem Interesse an Qualitätsprodukten „made in Germany“ an.

Spitzenreiter unter den Exportbranchen in NRW bleibt der Maschinenbau. Mit 20,3% ging 2011 gut ein Fünftel des gesamten Auslandsumsatzes auf sein Konto. Es folgten chemische Erzeugnisse (18,8%) und Kraftwagen/Kfz-Teile (14,2%) sowie an vierter Stelle Metallerzeugung und -bearbeitung mit 11,4%. Diese vier exportstärksten Branchen erwirtschafteten damit im vergangenen Jahr 64,7% der gesamten Exportumsätze NRWs.

Neben den Exportklassikern eröffnen sich gerade für NRW zunehmend weitere Handelsbereiche: „Märkte für neue Werkstoffe, Bergbaumaschinen, Anlagenbau, Gesundheit, Informations- und Telekommunikationswirtschaft, Mobilität, Logistik, Energie und Umweltwirtschaft, Life Science, IT, Medien und Kreativwirtschaft, in denen die nordrhein-westfälische Wirtschaft besonders stark ist, werden absehbar stark expandieren“, ist der NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin überzeugt.

Fest steht: Das Auslandsgeschäft bleibt auch 2012 Wachstumstreiber. Harald Grefe, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen und Federführer der 16 IHKs in NRW beim Thema Export: „Auch kleine Unternehmen und Dienstleister streben ins Ausland, die Internationalisierung ist kein Privileg mehr der Global Player.“ Kleine Unternehmen sowie Dienstleister seien aktiv, besuchten Messen, belieferten Kunden.

„Wir möchten diese Firmen noch mehr dabei unterstützen, ihre Chancen im internationalen Geschäft besser und risikoloser wahrnehmen zu können“, betont Udo Dolezych, Präsident der IHK zu Dortmund, die am 13. September 2012 erstmalig den IHK-Außenwirtschaftstag NRW ausrichtet. Unter dem Motto „Weltweiser: Wege zum internationalen Erfolg“ zeigen die NRW-IHKs an diesem Tag Chancen und Perspektiven für die heimische Wirtschaft im Auslandsgeschäft auf. Zum Programm gehören neben Workshops, Diskussionsgesprächen und interkulturellen Trainings auch eine internationale Messe und Beratungsgespräche mit mehr als 40 Experten der Deutschen Auslandshandelskammern (www.ihk-aussenwirtschaftstag-nrw.de).

Unbedingte Voraussetzung für den erfolgreichen Außenhandel bleibt jedoch die effektive Förderung der Internationalisierung. „Außenwirtschaftsförderung ist Ländersache, alle Bundesländer unterstützen ihre Wirtschaft mehr oder weniger erfolgreich beim Aufbau des Auslandsgeschäfts“, weiß Dr. Ralf Mittelstädt. Die Instrumente seien häufig die gleichen: Organisation von Firmengemeinschaftsständen auf Auslandsmessen und Tür­öffner-Funktionen durch politische Begleitung bei Auslandsreisen. Häufig übernähmen Landesgesellschaften das Management der Förderung.

In NRW gibt es seit fünf Jahren eine einzigartige Struktur: IHKs, Handwerks­kammern und die NRW-Bank gründeten gemeinsam „NRW International“ und organisieren im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des Landes die Außenwirtschaftsförderung. Mittelstädt sagt: „Diese neue Form der Kooperation zwischen Land und Selbstverwaltungs­körperschaften der Wirtschaft erfolgt im Vertrauen auf die Wirtschaftsnähe, die außenwirtschaftliche Kompetenz, das breite Dienstleistungsangebot der Kammern und ihre Netzwerke. Wir brauchen eine starke NRW-Außenwirtschaftsförderung, und die Kammern in NRW sind bereit, ihren Beitrag zum Erfolg der NRW-Wirtschaft im Ausland zu leisten.“

Harald Grefe freut sich besonders darüber, dass die Veranstaltungen der Industrie- und Handelskammern beim Thema Export 2011 in NRW ebenfalls einen neuen Rekord erzielten. An 446 Veran­staltungen hätten insgesamt 13.775 Unternehmensvertreter teilgenommen. Außerdem wurden 328.700 Ursprungszeugnisse ausgestellt, eine Art „Passierschein“ für Waren aller Art in arabische Länder und nach Osteuropa. Insgesamt berieten die über 140 Exportfachleute der IHKs in NRW bisher 130.360 Interessenten und informierten über Länder und Märkte sowie über das Zoll- und Außenwirtschaftsrecht.

Interesse und Profitpotentiale sind also da. Denn nicht zuletzt zieht auch der Heimatstandort großen Nutzen aus der Erschließung neuer Märkte im Ausland: Insgesamt gesehen, wollen Industrieunternehmen, die im Ausland investieren, dies auch im Inland tun und mehr Leute einstellen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet daher in Deutschland für 2012 mit 50.000 zusätzlichen Beschäftigten bei auslandsaktiven Unternehmen.

Noch bessere Zeiten für NRW sind in greifbarer Nähe. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erwartet für 2013 ein deutsches Wirtschaftswachstum von 2% und eine Verbesserung der weltwirtschaftlichen Konjunktur. Alle Zeichen stehen laut RWI auf Grün für eine kräftige Zunahme des internationalen Warenhandels. Beste ­Aussichten für NRW-Unternehmen, mit kompetenter Unterstützung und struktureller Entlastung den Schritt ins Auslandsgeschäft zu wagen. Damit es auch im nächsten Jahr wieder heißt: Und schon wieder Deutscher Meister NRW. In jeder Hinsicht.

Kontakt: s.bojahr[at]sunnymediapott.de

17 replies on “NRW deutscher Exportmeister dank Maschinenbau”

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