Am 21. März 2019 ist im Amtsblatt der Europäischen Union erstmals ein europäischer Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen veröffentlicht worden.

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Das Ziel des neuen EU-Rahmens ist die verbesserte Wahrung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der strategischen Interessen Europas im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen in der EU. Der Rahmen wird bereits Mitte April in Kraft treten, gewährt den Mitgliedstaaten und der Kommission dann aber weitere 18 Monate zur Vorbereitung der Umsetzung.

Die Zahl der ausländischen Investitionen in europäische Unternehmen hat in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Dies belegt unter anderem ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission zu ausländischen Direktinvestitionen. Die EU verfügt aktuell – wie die OECD mit ihrem Index zu Investitionshindernissen (Restrictiveness-Index) bestätigt hat – über eine der weltweit liberalsten Investitionsregelungen und ist das wichtigste Ziel für ausländische Direktinvestitionen in der Welt. Investoren kommen zunehmend nicht nur aus den traditionellen Investorländern (wie etwa den USA, Kanada, der Schweiz, Norwegen, Japan und Australien), sondern vermehrt auch aus Schwellenländern wie China und Indien.

Von den Investitionstätigkeiten sind dabei insbesondere auch strategisch wichtige Schlüsselsektoren und kritische Infrastrukturen betroffen, die für die europäischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen als essentiell betrachtet werden. Die bereits seit längerer Zeit politisch diskutierte effektivere Überprüfung und Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Europa hat nunmehr mit dem neuen Rechtsrahmen auch auf europäischer Ebene ihre Umsetzung gefunden.

Aktuelle Rechtslage in Deutschland

Das deutsche Recht sieht bereits seit 2004 ein System zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen vor. Die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) unterscheidet dabei zwischen einer sektorspezifischen und einer sektorübergreifenden Prüfung. Zuständig für die Prüfung ist jeweils das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Zusammenspiel mit anderen Ministerien und unter Umständen der Bundesregierung.

Anknüpfungspunkt einer Investitionsprüfung ist stets der unmittelbare oder mittelbare Erwerb eines deutschen Unternehmens oder die Beteiligung eines nichtdeutschen Unternehmens an einem deutschen, soweit dabei bestimmte Schwellenwerte an erworbenen Stimmrechten überschritten werden; die Schwellen sind zuletzt Ende 2018 weiter gesenkt worden und liegen nunmehr zwischen 10% und 25%.

Im Rahmen der sektorspezifischen Prüfung (§§ 60 ff. AWV) kann das Ministerium den Erwerb von solchen Unternehmen verbieten, die bestimmte (abschließend gelistete) sicherheitssensible (vornehmlich militärische) Güter herstellen oder entwickeln, soweit es durch die Transaktion essentielle Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik gefährdet sieht. Hier besteht eine Meldepflicht durch das erwerbende Unternehmen. Die sektorübergreifende Prüfung (§§ 55 ff. AWV) erfasst grundsätzlich alle anderen ausländischen Direkt­investitionen, wobei hier nur in eingeschränkten Fällen eine Meldepflicht besteht. Unternehmen können sich aber auch bei nicht meldepflichtigen Vorhaben deren Unbedenklichkeit bescheinigen lassen.

In jedem Fall kann das BMWi eine Prüfung nach eigenem Ermessen durchführen und die Transaktion verbieten oder Anordnungen erlassen, wenn die Transaktion aus Sicht des Ministeriums die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet. Dies ist nach den nicht abschließenden Regelbeispielen in der Norm insbesondere dann zu befürchten, wenn das Zielunternehmen kritische Infrastrukturen betreibt. Grundsätzlich sollen ausländische Direktinvestitionen nach dem deutschen System nur im Ausnahmefall überprüft werden, allerdings ist das Prüfungsregime in den vergangenen Jahren immer wieder verschärft worden.

Der neue EU-Rahmen

Der neue EU-Rahmen für ausländische Investitionen beruht auf einem Vorschlag der Kommission, den Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union bereits 2017 vorgestellt hatte. Nachdem nunmehr das Europäische Parlament am 14. Februar 2019 ein positives Votum abgegeben hat, billigte am 5. März 2019 auch der Rat der Europäischen Union den Vorschlag und schloss damit das Gesetzgebungsverfahren ab. Die Verordnung (EU) 2019/452 wurde am 21. März 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt am 10. April 2019 (d.h. 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung) in Kraft.

Gemäß Art. 17 der Verordnung entfaltet sie ihre Geltung allerdings erst ab dem 11. Oktober 2020, um den Mitgliedstaaten und der Kommission ausreichend Zeit zu geben, die notwendigen Vorkehrungen für die Anwendung des neuen Mechanismus zu treffen. Die Vorbereitungen laufen bereits, unter anderem in Form eines regelmäßigen Austauschs von Informationen und bewährten Verfahren mit den Mitgliedstaaten in der 2017 eingerichteten einschlägigen Expertengruppe.

Einführung eines Kooperationsmechanismus

Der Rechtsrahmen sieht einen Kooperationsmechanismus vor, bei dem es sich im Wesentlichen um ein Informationsaustauschsystem handelt, das es den Mitgliedstaaten und der Kommission ermöglicht, Informationen und Erfahrungen zu ausländischen Direktinvestitionen auszutauschen und Bedenken in Bezug auf bestimmte ausländische Investitionen mit Blick auf die Sicherheit und öffentliche Ordnung der EU und einzelner Mitgliedstaaten zu äußern. Das Informations­austauschsystem bietet damit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, etwaige Investitionsstrategien ausländischer Er-werber besser erkennen zu können.

Die Entscheidung, ob eine bestimmte ausländische Direktinvestition überprüft wird, und die endgültige Entscheidung über die Direktinvestition verbleiben aber weiterhin in der alleinigen Verantwortung des Mitgliedstaats, in dem die ausländische Direktinvestition geplant ist oder abgeschlossen wurde. Allerdings können andere Mitgliedstaaten und die Kommission innerhalb gewisser Zeitrahmen Kommentare bzw. Stellungnahmen zu anstehenden oder durchgeführten Direkt­investitionen abgeben, die vom betroffenen Mitgliedstaat „angemessen zu berücksichtigen“ sind. Was genau dies bedeutet, ist bislang nicht geklärt. Im Falle der Betroffenheit von Projekten oder Programmen von Unionsinteresse – also von solchen Projekten, bei denen Unionsmittel in erheblicher Höhe oder zu einem wesentlichen Anteil bereitgestellt werden oder die unter die Rechtsvorschriften der Union über kritische Infrastrukturen, kritische Technologien oder kritische Ressourcen, die für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung wesentlich sind, fallen – hat der Mitgliedstaat einer Stellungnahme der Kommission sogar „umfassend Rechnung“ zu tragen und eine Erklärung abzugeben, falls er dieser nicht nachkommt. Eine aktuelle Liste dieser Projekte findet sich im Anhang I zur Verordnung. Derzeit umfasste Programme sind:

  • Europäische GNSS-Programme (Galileo und EGNOS)
  • Copernicus
  • Horizont 2020
  • Transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-T)
  • Transeuropäische Energienetze (TEN-E)
  • Transeuropäische Netze im Bereich der Telekommunikation
  • Europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich
  • Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ)

Beeinträchtigung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung

Art. 4 der Verordnung listet beispielhaft Faktoren auf, die die Mitgliedstaaten bei der Ermittlung, ob eine ausländische Direktinvestition voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, berücksichtigen können. Diese betreffen insbesondere die Auswirkungen der Investition auf kritische Infrastrukturen, Technologien (insbesondere sog. Schlüsseltechnologien) und für die Sicherheit oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung grundlegende Ressourcen, deren Störung, Ausfall, Verlust oder Vernichtung beträchtliche Folgen in einem Mitgliedstaat oder der Union hätte, sowie den Kontext und die Umstände der ausländischen Direktinvestitionen.

Im Einzelnen handelt es sich hierbei um:

  • kritische Infrastrukturen physischer oder virtueller Art einschließlich ­Energie, Verkehr, Wasser, Gesundheit, Kommunikation, Medien, Datenverarbeitung oder -speicherung, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Wahl- oder Finanzinfrastrukturen und sensibler Einrichtungen sowie Investitionen in Grundstücke und Immobilien, die für die Nutzung dieser Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung sind,
  • kritische Technologien und Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates (sog. ­Dual-Use-Verordnung), einschließlich künstlicher Intelligenz, Robotik, Halbleitern, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologien,
  • die Versorgung mit kritischen Ressourcen, einschließlich Energie oder Rohstoffen, sowie die Nahrungsmittelsicherheit,
  • den Zugang zu sensiblen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, die Fähigkeit, solche Informationen zu kontrollieren oder die Freiheit und Pluralität der Medien,
  • die Frage, ob der ausländische Investor direkt oder indirekt von der Regierung einschließlich staatlicher Stellen oder der Streitkräfte eines Drittstaats, unter anderem aufgrund der Eigentümerstruktur oder in Form beträchtlicher Finanzausstattung, kontrolliert wird,
  • die Frage, ob der ausländische Investor bereits an Aktivitäten beteiligt war, die Auswirkungen auf die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung in einem Mitgliedstaat hatten, sowie
  • die Frage, ob ein erhebliches Risiko besteht, dass der ausländische Investor an illegalen oder kriminellen Aktivitäten beteiligt ist.

Überprüfungsmechanismen

Schließlich sieht der Rahmen vor, dass die Mitgliedstaaten zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen Verfahren vorsehen oder bestehende Mechanismen ändern oder beibehalten können (aktuell verfügen neben Deutschland weitere 13 Mitgliedstaaten über solche nationalen Überprüfungsmechanismen). Diese Mechanismen sollen transparent und diskriminierungsfrei sein und den anderen Mitgliedstaaten sowie der Kommission die Abgabe von Kommentaren/Stellungnahmen im obengenannten Sinn ermöglichen. Die Kommission wird künftig eine Übersicht der bestehenden Überprüfungsmechanismen in den Mitgliedstaaten veröffentlichen.

Fazit

Insgesamt reiht sich der EU-Rahmen nahtlos in die sowohl national als auch international steigende Tendenz zum Protektionismus mit Blick auf strategisch essentielle Wirtschaftssektoren ein. Ob eine sinnvolle Umsetzung gelingt, die – wie es Kommissionspräsident Juncker formulierte – sicherstellen wird, „dass Investitionen aus Ländern außerhalb der EU tatsächlich in unserem Interesse sind“, und damit die mit der Verordnung verfolgten Ziele erreicht werden, gleichzeitig aber Investoren nicht abgeschreckt werden, bleibt abzuwarten.

m.niestedt@gvw.com

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