Zum 15. März 2016 ist die Sechste Änderungsverordnung zur AWV in Kraft getreten. Durch die neuen Bestimmungen § 21 Abs. 4 und Abs. 5 AWV gibt es zwei neue Prinzipien zumindest für die Exportkontrolle von Rüstungsgütern: Neu für Alt und Notwendigkeit von Vor-Ort-Kontrollen nach der Lieferung. Was bedeuten sie für Rüstungsgüter? Und was bedeuten sie vor allem für die Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern?

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

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Ausgangsfall 1

Die Firma D in Deutschland will Maschinengewehre an M in Mexiko liefern. M ist die staatliche Beschaffungsstelle der mexikanischen Polizei in einem der Bundesstaaten, in denen es gelegentlich zu bewaffneten Konflikten kommt. Kann M mit entsprechenden Auflagen beliefert werden?

Ausgangsfall 2

Die Firma D in Deutschland will gelistete Auswuchtmaschinen an R in Russland liefern. Da das Portfolio von R sowohl zivile als auch militärische Güter umfasst, besteht das BAFA auf einem Nachweis, dass es allein um eine zivile Verwendung geht. Falls D keine anderen Nachweise hat: Kann D notfalls auf eine spätere Vor-Ort-Kontrolle der deutschen Botschaft in Russland oder auf eine entsprechende Kontrolle einer geeigneten privaten Gesellschaft verweisen für den Nachweis der allein zivilen Verwendung?

Die neuen Bestimmungen des § 21 AWV und die Grundsätze der Bundesregierung von 2015

Nach § 21 Abs. 4 AWV kann das BAFA „bei bestimmten Ländern“ verlangen, dass dem Genehmigungsantrag für die Ausfuhr „von bestimmten Gütern nach Teil I der Ausfuhrliste“ eine Erklärung beigefügt wird, in der sich der Empfänger der Güter dazu verpflichtet, „die durch die Neubeschaffung zu ersetzenden Güter zu vernichten“. Im Klartext: Er muss erklären, dass er die Altbestände dieser Güter entweder sofort oder demnächst („bei späterer Außerdienststellung“) vernichtet, damit er die neuen Güter erhalten kann. Und nach § 21 Abs. 5 AWV kann das BAFA „bei bestimmten Ländern“ verlangen, dass dem Genehmigungsantrag für die Ausfuhr „von bestimmten Gütern nach Teil I der Ausfuhrliste“ ein Nachweis über die Zustimmung des Bestimmungslands zur Duldung von Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs und der Kontrolle zur Einhaltung des Prinzips „Neu für Alt“ durch deutsche Stellen sowie ein Nachweis über die auf den Gütern angebrachte Kennzeichnung beigefügt werden.

Diese zwei Normen sollen vor allem zwei Dokumente der Bundesregierung vom März bzw. Juli 2015 umsetzen. Zum einen geht es um die Umsetzung der Grundsätze der Bundesregierung für die Exportpolitik bei der Lieferung von „kleinen und leichten Waffen“ (nachfolgend KLW) in Drittländer (18. März 2015). Demnach gelten für den Export dieser Rüstungsgüter in Länder außerhalb der EU/außerhalb der NATO (inkl. Major Allies wie Australien, Neuseeland, Japan und Schweiz) u.a. die folgenden Prinzipien:

  • Neue Genehmigungen für die Ausfuhr von Komponenten/Technologie (z.B. im Zusammenhang mit Lizenzvergaben) werden nicht erteilt, wenn im Bestimmungsland damit eine neue Herstellungslinie für diese Waffen eröffnet würde.
  • Die Lieferung von Ersatz- und Verschleißteilen, Ersatzmaschinen und Verbrauchsmaterialien ist nur im Rahmen des Vertrauensschutzes möglich, wenn es dadurch nicht zu einem Upgrading kommt.
  • Genehmigungen für die Lieferung von Scharfschützengewehren, Pumpguns und Kriegswaffen an nichtstaatliche Stellen werden grundsätzlich nicht erteilt (Ausnahmen für Jagd- und Sportwaffen).
  • Der Exportgrundsatz „Neu für Alt“ bedeutet, dass staatliche Empfänger von KLW eine Verpflichtungserklärung abgeben müssen, dass sie die vorhandenen Waffen sofort bzw. bei späterer Aussonderung vernichten, um diese neuen Waffen zu erhalten.
  • Der Reexport dieser Waffen unterliegt der Pflicht zur Zustimmung der Bundesregierung; dies muss im EUC ergänzt werden.

Den Eckpunkten der Bundesregierung für die Einführung von Post-Shipment-Kontrollen bei deutschen Rüstungsexporten vom 8. Juli 2015 – sie gelten v.a. für Kriegswaffen und bestimmte Schusswaffen – lässt sich Folgendes entnehmen: Mit den Kontrollen, mit denen das BAFA und die jeweiligen Auslandsvertretungen beauftragt werden sollen, soll überprüft werden, ob die gelieferten Waffen noch im Empfangsland bei dem im EUC angegebenen Endverwender vorhanden sind (durch Inaugenscheinnahme oder Stichproben). Werden Verstöße festgestellt oder die Durchführung der Kontrollen grundlos verweigert, soll dieses Empfangsland nicht mehr beliefert werden.

Lösung von Fall 1

Der Export dieser Rüstungsgüter ist genehmigungspflichtig (nach AWV und KWKG). Nach dem GASP-Standpunkt 2008/944 würde Kriterium 3 (keine bewaffneten Konflikte) gegen die Genehmigungserteilung sprechen, weil es in dem mexikanischen Bundesstaat zu bewaffneten Konflikten kommt. Im Licht des neuen § 21 Abs. 4 AWV könnte dieser Einwand möglicherweise dadurch entkräftet werden, dass sich M verpflichtet, die vorhandenen alten Maschinengewehre erst einzuschmelzen, um die neuen Maschinengewehre zu erhalten. Denn dann bleibt die Anzahl der Rüstungsgüter unter dem Strich gleich, so dass das Risiko relativ gering ist, dass sich durch diese Lieferung die Spannungen bzw. Konflikte verschärfen würden. Anders als im Fall der Mexiko-Lieferung der G-36 von Heckler & Koch wäre dann aber weitere Voraussetzung, dass auch die Einhaltung der Auflage, dass die vorhandenen alten Maschinengewehre eingeschmolzen werden, überwacht wird. Zusätzlich müsste M die Erlaubnis einholen, dass Mexiko mit entsprechenden Vor-Ort-Kontrollen der Deutschen Botschaft in Mexiko einverstanden ist. Dann könnte nicht nur die vorherige Vernichtung der Altbestände kontrolliert werden, sondern auch, ob die Rüstungsgüter im Land geblieben sind bei dem im EUC genannten Endverwender M. Nur unter diesen Voraussetzungen hätte D evtl. eine Chance, M zu beliefern.

Vermutlich ist diese Auslegung aber etwas weitgehend, weil im Zweifel die Genehmigungsvoraussetzungen und der Grundsatz „Neu für Alt“ kumulativ anzusehen sind. Im diesem Fall wäre „Neu für Alt“ nur ein Korrektiv gegen eine zu hohe, nicht plausible Anzahl von Waffen. Dann hätte D keine Chance, M zu beliefern.

Lösung Fall 2

Da es um gelistete Maschinen geht, besteht nach der Dual-Use-VO (nachfolgend: DUV) eine Genehmigungspflicht. Nach Art. 2 der Russland-Embargo-VO 833/2014 ist diese Lieferung nach Russland aber verboten, wenn diese Güter für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endnutzer bestimmt sein könnten. D hätte somit nur dann eine Chance auf die BAFA-Genehmigung, wenn er den Nachweis führen könnte, dass diese Auswuchtmaschinen alleine für zivile Zwecke genutzt werden sollen. Nach dem Sachverhalt hat D Schwierigkeiten, diesen Nachweis zu erbringen, wenn der Nachweis durch Post-Shipment-Kontrollen nicht zulässig wäre.

Es stellt sich daher die Frage, ob D unter Berufung auf § 21 Abs. 5 AWV vorbringen kann, dass das BAFA solche nachträglichen Kontrollen auch für Dual-Use-Güter akzeptieren sollte. U.E. ist dies hier möglich aus folgenden Gründen: Erstens: Es ist nicht ganz klar, was genau mit „in Teil I der Ausfuhrliste genannten Gütern“ gemeint ist. Da dieser Begriff unverändert von § 17 AWV a.F. übernommen wurde, dürfte er alle gelisteten Güter (DUV Anhang I, AL Teil I A und I B) umfassen. Zweitens: Selbst wenn damit primär Rüstungsgüter gemeint gewesen sein sollten – die Gesetzesbegründung spricht allein von Rüstungsgütern –, dürfte dies analog zumindest dann anzuwenden sein, wenn es (wie hier) um eine Grenzziehung zwischen ziviler und militärischer Verwendung geht. Drittens: Der Umstand, dass die EU-Kommission überlegt, die Post-Shipment-Kontrollen auch in die Neufassung der DUV zu übernehmen, spricht dafür, dass solche Kontrollen nicht auf Rüstungsgüter beschränkt sind. Hingegen ist der Grundsatz „Neu für Alt“ eher auf Rüstungsgüter zugeschnitten (evtl. kann er später auch für sehr sensitive Dual-Use-Güter fruchtbar gemacht werden?).

Die einzige Frage ist, wie solche Post-Shipment-Kontrollen realistisch durchgeführt werden können. Mit einer Kontrolle durch die Deutsche Botschaft in Russland müsste sich Russland vorab einverstanden erklären. Sollte dies nicht gehen, so könnten auch private Gremien, die entsprechende Prüfungen/Zertifizierungen vornehmen, solche Kontrollen durchführen. Wenn D hier eine realistische Variante benennt, wie diese Kontrollen durchgeführt werden können, hat er im Zweifel Anspruch auf die Ausfuhrgenehmigung des BAFA.

Resümee

Mit diesen neuen Normen der AWV und den Grundsätzen der Bundesregierung von 2015 werden die Grundlagen für eine sehr restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik geschaffen: In alle Drittländer soll grundsätzlich nur noch „Neu für Alt“ geliefert werden, damit die Lieferung nicht die Spannungen weiter verschärft (denn die Anzahl der Waffen soll unterm Strich gleich bleiben). Und zugleich soll durch Post-Shipment-Kontrollen überprüft werden: erstens, ob die Rüstungsgüter im Bestimmungsland beim im EUC genannten Kunden geblieben sind, und zweitens, ob es vor Belieferung mit neuen Rüstungsgütern zu einem Einschmelzen der alten Güter gekommen ist. Allerdings sind hier noch einige Detailfragen für die konkrete Anwendung zu klären. Das BAFA will hierzu in Kürze ein Dokument vorlegen.

Dies darf aber nicht dazu führen, die Post-Shipment-Kontrollen allein auf Rüstungsgüter zu begrenzen. Da der Ausführer eine hohe Beweislast trägt, dass bei der Ausfuhr keine Gemeinwohlbelange verletzt werden, kann dies nur bedeuten, dass das BAFA grundsätzlich alle Möglichkeiten für Beweise akzeptiert. Sowohl der Wortlaut des § 21 Abs. 5 AWV als auch sein Sinn und Zweck sprechen dafür, Post-Shipment-Kontrollen auch für Dual-Use-Güter zu akzeptieren. Es wäre eine unzulässige Benachteiligung, wenn Rüstungsgüter wegen Zulässigkeit solcher nachträglicher Kontrollen ausgeführt werden dürften, während harmlosere Dual-Use-Güter in vergleichbaren Situationen nicht exportiert werden dürften, weil hier nicht solche Kontrollen akzeptiert werden. Es handelt sich um ein wichtiges neues Konzept auch für Dual-Use-Güter, dessen Bedeutung für die Praxis nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Wegen aktueller Hinweise zum Zollrecht (vgl. den Beitrag in der vorigen Ausgabe) vgl. auch hier.

Kontakt: info@hohmann-rechtsanwaelte.com

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