Der deutsche Export nach Russland wächst weiterhin kräftig: Im ersten Halbjahr waren es 14,8% mehr als im Vorjahr. Vor allem die deutsche Technik gilt in Russland als erste Wahl. Dagegen begegnet man chinesischen Produkten mit Skepsis. Die Übernahmen deutscher Maschinenbauer durch chinesische Unternehmen relativieren diese Unterscheidung zwar. Doch der Wert deutscher ­Qualitätsarbeit wird von Moskau bis Peking anerkannt und bleibt ein wichtiges Verkaufsargument.

Von Johann Vranic, Exportleiter Osteuropa, Rosenberg Ventilatoren GmbH

„Es ist an der Zeit, unsere Industrie wieder aufzubauen. Wir müssen wieder autark werden wie in alten Zeiten.“ Die Ziele des russischen Mittelständlers dürften ganz nach dem Geschmack der Regierung sein. Alexander D. lebt in Zelenyj Gorod: Die „grüne Stadt“ liegt etwa 30 km vor Moskau und war in den glorreichen Zeiten der Sowjetunion nicht auf der Landkarte zu finden. Sie war eine von vielen „geschlossenen Städten“, in der Rüstungsgüter produziert wurden. In Zelenyj Gorod entwickelten an die 5.000 Ingenieure Elektronik für Raketen. Heute sind dort fast nur noch heruntergekommene Hallen und Gebäude zu finden. Die meisten Ingenieure sind nach dem Zerfall der Sowjetunion in die USA gegangen – mit großzügiger Unterstützung der amerikanischen CIA.

Alexander D. hatte Probleme mit der englischen Sprache und zog das „harte“ Leben in der Heimat dem in Aussicht gestellten Luxus in der unbekannten Fremde vor. Heute ist er froh über diese Entscheidung und stolzer Besitzer einer Elektronikfirma. Er und seine 20-köpfige Mannschaft sind darauf spezialisiert, Schaltschränke für Klima- und Kältegeräte zu bauen und die ganze Anlage zu programmieren.

„Meine Schaltschränke sind in Russland sehr beliebt“, sagt Alexander D. „Und wissen Sie, warum? Fast alle Komponenten kommen aus Deutschland: vom Gehäuse über die Regelung bis hin zu den kleinsten Schrauben. Ja, ich bin sicher, die deutsche Qualität sorgt für den guten Ruf meiner Firma.“

Sergej R. teilt sich mit Alexander D. die Miete für die immer noch staatliche Halle, und ihre Betriebe sind nur durch eine aus Ziegelsteinen selbst hochgezogene Wand voneinander getrennt. Sergej ist auch ein stolzer Firmenbesitzer. Sein Hauptmaterial ist verzinktes Blech, und sein größter Stolz ist eine Stanznippelmaschine von Trumpf aus Ditzingen. Mit seiner deutschen „Freundin“ sowie ein paar weiteren Gerätschaften und natürlich Rosenbergs Ventilatoren und Schrauben von der Firma Würth baut er Klimageräte, für die er die Schaltschränke von seinem Freund Alexander kauft.

Sergej beklagt, dass es in Russland kaum Zulieferer gebe, fast alles müsse importiert werden. „Putin sagt schon seit Jahren, dass er den Mittelstand in Russland unterstützen und aufbauen würde, aber das Heer seiner Beamten scheint das nicht verstanden zu haben oder nicht verstehen zu wollen. Sie sehen in der aufkommenden Industrie nur eine zusätzliche Einnahmequelle. Man muss schon ein großer Abenteurer sein, um in Russland zu produzieren“, fasst Sergej die Schwierigkeiten zusammen.

Bei seinen Komponenten handelt es sich oft um ganz einfache Halbfertigprodukte, wie z.B. Filter oder einzelne Verbindungsteile, die auf die Qualität des Produktes keinen großen Einfluss haben. Dennoch bezieht Sergej fast alles aus Deutschland, nur das verzinkte Blech kauft er im Ural. In der Nähe der Werkstatt gibt es einen chinesischen Großhändler, bei dem Sergej und Alexander viele Komponenten zu einem viel günstigeren Preis kaufen könnten. Sie tun das kategorisch nicht, weil sie befürchten, ihre deutsche Qualität würde einen Beigeschmack bekommen. Beide stimmen jedoch eindeutig zu, dass die chinesischen Produkte von Jahr zu Jahr qualitätsmäßig aufholen.

Qualität entscheidet zunehmend auch Regierungsausschreibungen
Anton ist ein Freund und zugleich Kunde von Alexander und Sergej. Er lebt auch in Zelenyj Gorod und ist stolzer Besitzer einer Baufirma, die als Systemanbieter für Heiz-, Kälte- und Lüftungstechnik auftritt und die Geräte von Alexander und Sergej installiert. In seiner Firma sind 250 Mitarbeiter festangestellt und richtig versichert, was in Russland immer noch nicht die Regel ist. Bei Bedarf werden Leiharbeiter hinzugezogen, was momentan der Fall ist. Wegen seiner guten Kontakte in Moskau konnte er in der Stadt Sotschi für die Olympiade nächstes Jahr 22 Projekte gewinnen, vom Supermarkt über Hotels bis zu einem Krankenhaus. Derzeit sind über 400 seiner Mitarbeiter mit der Installation und Montage von Heiz-, Kälte- und Lüftungsgeräten beschäftigt.

Bei seinen Projekten in Sotschi sind nur deutsche Marken zu finden und vor allem die Klimageräte der Firma Rosenberg. Anton erinnert sich, dass bei der Bewerbung um den Auftrag Firmen mit chinesischen, italienischen, aber auch Marken aus Osteuropa wie Slowenien und Polen gleich in der ersten Runde herausflogen. In der entscheidenden dritten Runde blieben fast nur noch deutsche Marken, unter denen er sich wahrscheinlich wegen seiner guten Kontakte durchsetzen konnte. Aber die Kontakte sind nicht mehr alles, wie es früher der Fall war. Heute müssen auch der Preis und die Qualität stimmen. Die meisten Russen hatten in ihrem Leben schon irgendwo die Möglichkeit, die deutsche Zuverlässigkeit und Gradlinigkeit, aber auch die Produktqualität kennenzulernen, und sie waren davon so beeindruckt, dass sie automatisch den deutschen Produkten in der Regel den Vorzug geben und sogar bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen.

Der Frage, wie er zu chinesischen Produkten steht, weicht Anton zunächst aus, gibt aber dann freimütig zu, dass er diesbezüglich aus dem Nähkästchen plaudern könne: Vor ein paar Jahren machte ihm einer seiner Manager plausibel, dass man durch den Einsatz chinesischer Produkte bei der Ventilation bis zu 50% Kosten sparen könnte. Wer könnte so einer Verlockung widerstehen! Aber vorsichtig wie Anton ist, empfahl er, sukzessive vorzugehen, d.h. eine nach der anderen Komponente zu ersetzen. Sein schlauer Manager entschied sich dafür, mit den Filtern anzufangen, weil das ein Verschleißteil ist und dadurch nicht nur bei der Anschaffungsinvestition, sondern dauernd Geld gespart werden könnte. Tatsächlich kosteten die chinesischen Filter nur die Hälfte der deutschen, was zunächst auch bei Anton für Jubel sorgte.

Die erste Anlage mit dem chinesischen Filtern wurde in Betrieb genommen, und schon nach ein paar Wochen meldete der Kunde den Ausfall eines Elektromotors am Ventilator. So etwas kann immer vorkommen, und aus Kulanzgründen wurde der Motor kostenlos ersetzt. Ein paar Wochen später wiederholte sich das Szenario. Jetzt erinnerte sich Anton, dass dort ein chinesischer Filter eingesetzt worden war und man entschied sich, die Anlage gründlich zu überprüfen. In der Tat: Der chinesische Filter verschmutzte viel schneller, was den freien Luftstrom hinderte und zur Druckerhöhung führte, die den Motor überlastete. Es stellte sich heraus, dass die chinesischen Filter fast doppelt so schnell getauscht werden müssten wie die deutschen, mit anderen Worten sind sie nicht billiger, sondern langfristig gesehen sogar noch teurer.

„Wahrscheinlich kommen die Russen mit der deutschen Mentalität besser zurecht als mit der chinesischen“, resümiert Anton. „Wir haben in den letzten Jahrzehnten unsere negativen Erfahrungen mit den Chinesen gehabt, als Mao Tse-tung und Genosse Chruschtschow zusammen die Welt verändern wollten, und wir am Ende von den Chinesen hereingelegt wurden. In jüngster Vergangenheit wurde aus China viel Ware von schlechter Qualität viel zu teuer an uns verkauft, deshalb stehen wir den chinesischen Produkten immer noch skeptisch gegenüber. Die vielen chinesischen Busse und Baumaschinen, die auf unseren Straßen zu sehen sind, bedeuten nur, dass irgendjemand Schmiergeld bekam und aus eigenen Interessen und nicht wegen der Qualität die Maschinen kaufte. Die deutschen Maschinen erbringen das, was in den Katalogen und Zertifikaten versprochen wird. Diese Gradlinigkeit gefällt uns. Das kommt dem russischen Charakter entgegen: Wir sind gerne bequem und neigen dazu, uns auf unsere Partner zu verlassen. Hoffentlich versteht ihr das nicht falsch, und verlasst uns nicht – passt schön auf: ihr habt in Russland einen exzellenten Ruf zu verlieren.“

Kontakt: johann.vranic[at]rosenberg-gmbh.com

18 replies on “Moskau mag es deutsch und nicht chinesisch”

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