Die aufstrebenden Märkte Mittel- und Osteuropas sind besonders anfällig für den Konjunkturabschwung in der Euro-Zone, zumal sie von der Nachfrage und den Finanzierungsströmen der Euroländer abhängen. Trotz außenwirtschaftlicher Anpassung in den meisten Ländern haben – mit Ausnahme Polens – fast alle aufstrebenden Länder der Region hinsichtlich des BIP-Wachstums immer noch nicht das ­Vorkrisenniveau erreicht und sind deswegen gegen eine neue Welle externer Schocks nicht gut gewappnet.

Von Dr. Dirk Bröckelmann, Referent Unternehmenskommunikation, Coface Deutschland AG

In den meisten mitteleuropäischen Ländern sind die Exporte rückläufig, und der private Konsum übernimmt nur bedingt die Rolle des Wachstumsmotors. Die privaten Haushalte sind in Devisen verschuldet und setzen weiterhin auf einen Abbau ihrer Schulden, zumal sich die Arbeitslosenquote auf einem hohen Niveau bewegt. Zudem hat sich die Staatsverschuldung – wenn auch mit Unterschieden in den einzelnen Ländern – verdoppelt, und die Regierungen verfügen über wenig Handlungsspielraum, um die Inlandsnachfrage zu stimulieren. Eine effizientere Nutzung der europäischen Strukturfonds im Rahmen von Public-Private-Partnership-Projekten könnte die schwache Investitionstätigkeit in den Ländern teilweise kompensieren.

Ein weiterer Schwachpunkt: Nach dem jahrelangen Kreditboom verzeichnen die Banken ein hohes Niveau an notleidenden Krediten und haben zunehmend Schwierigkeiten, sich bei west- und südeuropäischen Banken zu refinanzieren. Während 2009 die Mutterhäuser der Banken im Rahmen der „Wiener Initiative“ ihre osteuropäischen Töchter noch mit Liquidität versorgt haben, besteht 2012 die Gefahr, dass die Kreditlinien austrocknen. Schließlich dürften die Wechselkurse sehr volatil bleiben angesichts einer steigenden Risikoaversion der Investoren, die noch bis zum Sommer 2011 keine Verbindung zwischen den Risiken in MOE und in der Euro-Zone hergestellt hatten.

Die Konjunktur in den MOE-Ländern dürfte durch die schwächere Nachfrage aus der Euro-Zone und insbesondere aus Deutschland getroffen werden. So wurden die Länderbewertungen der Tschechischen Republik (A2) sowie der Slowakischen Republik (A3) unter Beobachtung für eine Abwertung gestellt.

Die Bewertung Ungarns wurde auf B herabgestuft. Die Anpassungen im ungarischen Staatshaushalt erweisen sich als unzureichend, was zu Vertrauensverlust bei den Investoren führt und Verhandlungen über ein neues Abkommen mit dem IWF notwendig macht, um eine Zahlungsbilanzkrise zu vermeiden. Die ungarische Währung (Forint) hat im zweiten Halbjahr 2011 gegenüber dem Euro 20% an Wert verloren, und der Wechselkurs dürfte 2012 unter Druck bleiben. Dies führt zu einer Schwächung der Nachfrage der Haushalte und Unternehmen, die in Devisen verschuldet sind.

Die baltischen Staaten haben ihr außenwirtschaftliches Ungleichgewicht abgebaut. Hilfreich dabei waren die dynamischen Ausfuhren der Elektronikbranche, die von einem hohen technologischen Niveau profitiert. Das Wachstum wird durch die hohe Arbeitslosigkeit begrenzt, die noch auf die Folgen der Immobilien- und Kreditkrise zurückzuführen ist.

Polen (A3) ist das einzige Land in Mitteleuropa, das im Krisenjahr 2009 Wachstum verzeichnete, und das Land dürfte weiterhin vom dynamischen Wachstum der Binnennachfrage profitieren. 2012 dürfte das BIP-Wachstum (+2,5%) insbesondere durch die robusten staatlichen Investitionen getragen werden, die durch Finanzmittel des Europäischen Strukturfonds flankiert werden.

Die wirtschaftliche Lage in den Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hat sich 2011 in Verbindung mit der Aufhellung der internationalen Konjunktur verbessert. Die Erholung wurde zunächst durch die Auslandsnachfrage und den Anstieg der Rohstoffpreise (Erdöl, Gas, Metalle und Baumwolle) angetrieben und hat sich dann auf die Binnennachfrage ausgeweitet.

Die Dynamik der russischen Wirtschaft und ihres Arbeitsmarktes hat den privaten Verbrauch in Russland (Länderbewertung: B) und in vielen anderen Ländern der Region gestützt, die auch von den Geldüberweisungen der im Ausland beschäftigten Arbeiter profitierten. Für den Nachfrageaufschwung sorgte zudem die expansive Haushaltspolitik der Regierungen, insbesondere Zentralasiens.

Die private Investitionstätigkeit ist jedoch nach wie vor schwach, was auf die anhaltende Entschuldung des Privatsektors und die Krisenanfälligkeit des Bankensektors in den drei großen Volkswirtschaften Russland, Ukraine (D) und Kasachstan (B) zurückgeführt wird. Weißrussland (D) befindet sich nach der Währungskrise von 2011 in einem Prozess der wirtschaftlichen Anpassung. Das Wachstum in den GUS-Staaten war 2011 robust mit einem Plus von 5,2%, blieb aber unter dem Vorkrisenniveau (7,5% durchschnittliches Jahreswachstum zwischen 2000 und 2009) und dem Durchschnitt der aufstrebenden Märkte insgesamt zurück.

2012 wird die Verlangsamung der globalen Nachfrage das Wachstum in den GUS-Staaten schwächen, das zwischen 4% und 5% liegen wird. Trotz des zu erwartenden Rückgangs der Rohstoffpreise werden die ölexportierenden Länder weiterhin hohe Wachstumsraten verzeichnen, was auf die anhaltend dynamische Nachfrage aus China zurückzuführen ist. Die Wettbewerbsvorteile, die 2008/2009 durch die Abwertungen der Währungen erzielt worden waren, dürften jedoch weiter schwinden, da die Währungen anhaltend aufwerten.

Kontakt: dirk.broeckelmann[at]coface.de

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