Mexikos Automobilindustrie erlebt derzeit einen beachtlichen Wachstumsschub. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die geographische Lage, eine solide Infrastruktur, das vorhandene Arbeitskräftepotential, die niedrigen Arbeitskosten, eine große Anzahl von Freihandelsabkommen, aber auch externe Faktoren wie steigende Produktionskosten in China und ein sich erholender US-Automobilmarkt. Für europäische Unternehmen sind die Bedingungen vergleichsweise gut, vor allem wenn sie sich von Experten beraten lassen.

von Alexander Wegenast, Büroleiter Mexiko, KfW IPEX-Bank

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Als 2013 Enrique Peña Nieto als neuer Präsident der PRI-Partei die Amtsgeschäfte aufnimmt, ist schnell und euphorisch vom „Mexican Moment“ die Rede. Luis Videgaray wird als Finanzminister des Jahres gekrönt, und die schnell durchgesetzten großen Reformen, Energie, Telekom, Erziehung und Finanzsektor sind in aller Munde.

In der Zwischenzeit hat die Realität das Land wieder eingeholt, und obwohl erhebliche Fortschritte in einigen Bereichen erkennbar sind, geht die Transformation langsamer vonstatten als erhofft. Korruption bleibt ein großes Problem, und der allgegenwärtige „Narco“, die Drogenmafia, konnte bisher kaum unter Kontrolle gebracht werden. Erhebliche Budgetprobleme aufgrund des stark gefallenen Ölpreises schränken den Handlungsspielraum der Politik zusätzlich ein.

Dennoch kann sich ein Sektor von dieser Entwicklung fast vollständig entkoppeln und fällt durch eine beispiellose Dynamik auf: die Automobil- und Automobilzulieferindustrie.

Lange gewachsener Standort

Seit den Investitionen großer Automobilhersteller in den 50er und 60er Jahren existiert ein Pool qualifizierter Arbeitskräfte. Das im Land vorhandene Produktions-Know-how ist seitdem auf wettbewerbsfähigem Niveau. Trotz der bereits vorhandenen Basis ist in den vergangenen Jahren ein erheblich beschleunigtes Wachstum des Sektors zu beobachten.

Mexiko ist heute das Land mit den meisten Freihandelsabkommen weltweit, eine Folge der in den frühen 90er Jahren eingeleiteten Öffnung des Landes durch die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA. Heute bestehen 46 Abkommen einschließlich des MEFTA mit der EU und des AAE mit Japan.

Die Grenze Mexikos zu den USA ist heute die am meisten überquerte der Welt. Die Integration von Lieferketten in Unternehmen über die Grenze hinweg hat sich durch eine verbesserte Infrastruktur vor allem auf Straße und Schiene deutlich vereinfacht, aber auch die geographische Nähe zu einer verbesserten Hafeninfrastruktur an Pazifik und Atlantik eröffnet Potentiale insbesondere im Zentrum des Landes.

Anspruchsvolle Produktion

Aufgrund der oben beschriebenen Faktoren stieg die Investitionstätigkeit der Industrie in den vergangenen Jahren stark an. Dabei war die Entscheidung von Audi, den neuen Q5 ab 2017 exklusiv in Mexiko zu fertigen, ein wichtiger Meilenstein, da dies die erste Produktion eines Premiumherstellers in Mexiko sein wird; Zitat eines Industrievertreters: „There will be a Mexico before and after Audi“. BMW und Mercedes-Benz haben in diesem Jahr Investitionen in eigene Produktionsanlagen angekündigt, womit die drei großen deutschen Premiumhersteller mit eigener Produktion vor Ort sein werden. Dies erhöht den Druck auf Zulieferer, nicht nur zusätzliche Investitionen in Mexiko zu tätigen, sondern auch ihre neuesten Technologien und Produkte vor Ort anzubieten. Innerhalb der nächsten 24 Monate wollen auch Volkswagen, Fiat Chrysler, Nissan-Renault, GM, Ford, Toyota, Kia, Honda und Mazda neue Produktionsanlagen in Mexiko in Betrieb nehmen, einige mit Modellen in weltexklusiver Produktion. Die Entscheidung, Fahrzeuge in Mexiko zu produzieren, war vermutlich nie so einfach wie heute. Weitgehend stabile rechtliche Rahmenbedingung, eine konservative, unabhängige und professionell gemanagte Zentralbank mit dem Resultat niedriger Inflationsraten, eine seit 20 Jahren stabile Finanzpolitik, eine relativ stabile Währung und gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter haben ein stabiles Investitionsklima geschaffen, in dem man langfristig planen kann.

Produktion günstiger als in China

Während konkurrierende Volkswirtschaften, allen voran die sogenannten BRICS‘ in den vergangenen Jahren stürmisches Wachstum verzeichnen konnten, das zu steigenden Lohnstückkosten und strukturellen Herausforderungen führte, konnte Mexiko, von vielen unbemerkt, Infrastruktur und Rahmenbedingungen verbessern. Heute liegen die Produktionskosten in Mexiko bemerkenswerterweise unter denen in China.

Zudem hilft der Industrie natürlich auch die Erholung des US-Automobilmarktes erheblich: Seit 1998 stiegen die Exporte von Automobilen um über 140%, während sich die Produktion verdoppelt hat. Von den heute in Mexiko produzierten 2,5 Mio Einheiten werden 82% exportiert, was Platz 8 in der Welt entspricht, während die automobile Zulieferindustrie sogar einen fünften Platz beansprucht. Während die steigenden „Local Content“- Anforderungen der OEMs zu weiter wachsender Zulieferkapazität führen werden, steigen auch die Investitionen der OEMs selber stetig an. Mehrere Milliarden US-Dollar sind in den nächsten zwei bis drei Jahren zu erwarten, zu denen neben den genannten deutschen Premiumherstellern auch Volkswagen, Kia, Honda, Nissan (Infinity) und andere beitragen.

Natürlich ist nicht alles Licht, und auch schattige Bereiche können nicht ignoriert werden. So ist der nationale Markt weiterhin volatil und mit unter 20% der Produktion relativ klein, was unter anderem auf die Einkommensverteilung zurückzuführen ist, die viele Konsumenten von diesem Markt ausschließt. Allerdings verfügt das Land über eine „traumhafte“ Demographie mit einem Durchschnittsalter der Bevölkerung von 26 Jahren.

Gut ausgebildete Mitarbeiter sind aufgrund des geschilderten Wachstums nicht immer in ausreichender Zahl vorhanden, allerdings bildet Mexiko jedes Jahr 75.000 Ingenieure verschiedener Qualitätsstufen aus. Viele Unternehmen der Industrie begegnen diesem Mangel mit eigenen Ausbildungswerkstätten.

Rahmenbedingungen nicht einfach

Das Steuersystem ist kompliziert, und die Steuerbehörden arbeiten nicht immer so kooperativ, wie man das aus anderen ­Ländern gewohnt ist. Rechtssicherheit kann nicht immer vorausgesetzt werden. Lokale Behörden und die Strom- und ­Wasserversorgung sind Faktoren, die insbesondere mittelständische Investoren in Betracht ziehen müssen. Lokaler Rat ist hier unabdingbar, um Verzögerungen zu beschränken.

Die KfW IPEX-Bank betreibt seit 2014 ein Büro in Mexiko-Stadt, um die Interessen der deutschen Exporteure und Produzenten mit langfristigen Finanzierungen vor Ort zu unterstützen. Eine andere Tochtergesellschaft der KfW Bankengruppe, die DEG, ist bereits seit über zehn Jahren vor Ort und steht mit langfristigen Finanzierungen und Eigenkapital insbesondere mittelständischen Unternehmen zur Verfügung.

Generell ist Mexiko kein kompliziertes Land für Investoren und Exporteure. Allerdings ist lokale Beratung immer hilfreich und empfehlenswert, um mögliche Fehler zu vermeiden. Und ja, Sicherheit ist ein Problem in Mexiko, allerdings lange nicht in dem Maße, in dem es in Europa kommuniziert wird. Es bleibt die Hoffnung, dass die gegenwärtige Regierung Rezepte findet, um auch dieses Problem zu reduzieren. Spätestens dann: Get ready to be there!

Kontakt: alexander.wegenast@kfw.de

 

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