Nach der Präsidentschaftswahl in den USA blickt Mexiko mit Sorge auf den politischen Wechsel im nördlichen Nachbarland. Die Analysten von Coface rechnen im aktuellen „Panorama“ nach einem überdurchschnittlichen Wachstum im vergangenen Jahr für 2016 und 2017 mit einer schwächeren Entwicklung. Dazu tragen auch der niedrige Ölpreis und die Abwertung des ­Mexikanischen Peso bei.

Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA, und Jana Braun, Redaktion ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Mexikos Wirtschaft wuchs seit 2012 schneller als der lateinamerikanische Durchschnitt. Als die Region 2015 einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung um 0,5% verzeichnete, konnte Mexiko als zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas um 2,5% zulegen. Doch der Ausblick ist nach Ansicht der Volkswirte von Coface getrübt, da sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtert haben.

Abhängigkeit von den USA

Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben die mexikanische Wirtschaft verunsichert. Die protektionistische Handelspolitik, die der zukünftige Präsident Donald Trump im Wahlkampf angekündigt hat, bedroht die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Mexiko würde dies hart treffen, da die Nachfrage in den USA für die mexikanische Wirtschaft sehr wichtig ist. Unabhängig von den politischen Themen könnte die Wirtschaft in den USA nach Einschätzung des Coface-Ökonomen Dr. Mario Jung eine weitere Abschwächung bis hin zu einer Stagnation erleben.

Bereits vor der Präsidentschaftswahl haben die harten Töne Trumps in Richtung Mexiko den Mexikanischen Peso unter Druck gesetzt. Nach der Entscheidung für Trump wertete die mexikanische Währung noch einmal stark auf über 20 MXN/USD ab. Der zukünftige Präsident hatte sich im Wahlkampf unter anderem gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA ausgesprochen, den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko angekündigt und der illegalen Immigration aus Mexiko den Kampf angesagt. In diesem Zusammenhang könnten auch die Überweisungen der in den USA lebenden Mexikaner in ihre Heimat eingeschränkt werden, die einen wichtigen Finanzierungsbeitrag für die inländische Nachfrage leisten.

Konjunktur bleibt robust

In den ersten drei Quartalen 2016 konnte die mexikanische Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr noch um durchschnittlich 2,3% zulegen. Dabei lag die Zuwachsrate des realen BIP im dritten Quartal mit 2,0% unter dem Niveau des ersten Halbjahres. Trotz der möglichen Einschränkungen im Außenhandel rechnet Coface für Mexiko 2017 mit einem Wachstum des realen BIP von 1,5%. Unter anderem wird seit Juni 2016 das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko neu verhandelt und optimiert. Auch wenn dies kein Ersatz für den Freihandel mit den nördlichen Nachbarn wäre, bieten sich doch auch in anderen Regionen Absatzmöglichkeiten für mexikanische Produkte.

Für die über 1.900 deutschstämmigen Unternehmen, die aktuell in Mexiko ansässig sind, sowie für zukünftige Investoren und Exporteure dürfte vor allem wichtig sein, dass nach Einschätzung von Coface die Arbeitslosenquote abnehmen und die öffentlichen Investitionen steigen sollen. Außerdem wird prognostiziert, dass auch private Investitionen zulegen werden. Vor allem der wachsende Privatkonsum stellt einen Hoffnungsschimmer für deutsche Exporteure dar. Da die Reallöhne tendenziell steigen, wächst auch die Kaufkraft der mexikanischen Bevölkerung. Auch der Peso wird voraussichtlich wieder stärker, so dass die Einfuhr von Konsumprodukten um 4,3% und die von Investitionsgütern sogar um 5,6% zulegen könnte.

Aussichtsreiche Branchen

Zusammen mit der Ansiedlung vieler internationaler Industrieunternehmen sorgt der vielversprechende Privatkonsum dafür, dass Mexiko für deutsche Unternehmen verschiedener Branchen ein gutes Investitions- und Exportziel bleibt. Die Branchen Automobilbau, Pharmazie und Chemie, Elektrik und Elektronik sowie Logistik spielen für deutsche Exporteure eine besonders große Rolle – und genau das sind die Branchen, denen eine durchaus positive Zukunft prognostiziert wird.

Deutsche Zulieferer dürften von der geplanten Vergrößerung ihres Absatzmarktes in der Automobilbranche profitieren. Die strategisch bedeutende Branche wird durch die Regierung Mexikos unterstützt. Das Ziel ist ambitioniert: Mexiko will bis 2020 den weltweit fünften Platz in der Produktion von Automobilen belegen und pro Jahr fünf Millionen Einheiten produzieren. Die Automobilkonzerne Audi, KIA Motors und das Gemeinschaftswerk von Daimler, Nissan und Renault wollen zwischen 2016 und 2018 neue Produktionsstätten in Mexiko eröffnen. Toyota plant, in eine Produktionsstätte in Mexiko zu investieren, und auch der deutsche Automobilkonzern BMW will im Jahr 2019 mit der Produktion in Mexiko beginnen; die Vorbereitungen laufen. Diese Neuigkeiten dürften bei deutschen Zulieferern für Optimismus sorgen.

Laut jüngster Prognose von Coface eröffnen sich der Pharmaindustrie trotz kurzfristiger Beeinträchtigungen durch Haushaltskürzungen langfristig positive Perspektiven, da die Lebenserwartung der knapp 120 Millionen Einwohner stetig steigt. Im Gesundheitssektor wird ein dynamisches Wachstum erwartet; bis 2020 ist von einem stetigen Zuwachs des Marktvolumens auf fast 18 Mrd EUR auszugehen. Die Zahl der chronisch Erkrankten und derjenigen, deren medizinische Behandlung kostspielig ist, steigt.

Hier bieten sich langfristig gesehen für deutsche Pharmaunternehmen und Medizintechniker Absatzchancen, vor allem da das Gesundheitssystem nach und nach ausgebaut werden und allen Einwohnern Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen soll. Und auch Privatunternehmen kommen ab diesem Jahr auf ihre Kosten: Die Basischemie wurde nun auch für private Unternehmen geöffnet, so dass die Branche in den kommenden Jahren einen Aufschwung erleben dürfte.

Mexiko will sich, wie viele weitere Staaten auch, vermehrt für eine nachhaltige und „grüne“ Energiegewinnung einsetzen. Laut der Auslandshandelskammer bietet der Markt rund um erneuerbare Energien und Energieeffizienz gute geschäftliche Chancen, vor allem für deutsche Unternehmen. Der Ausbau der Energieversorgung durch erneuerbare Energien soll in Mexiko auch weiterhin vorangetrieben werden. Nach der Liberalisierung des Strommarktes Anfang dieses Jahres bietet dieser sehr gute Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Technologieanbieter.

Laut Germany Trade and Invest (GTAI) bieten die vielen bevorstehenden Projekte zum Ausbau der Transportinfrastruktur Chancen für Investoren. Im Jahr 2016 wuchs der Tourismus um knapp 14%, da Mexiko als Urlaubsziel immer beliebter wird. Diese Entwicklung bietet deutschen Unternehmen die Möglichkeit, verstärkt in die mexikanische Infrastruktur und Logistik zu investieren. Den zahlreichen deutschen Unternehmen, die bereits in die mexikanische Logistikbranche involviert sind, kommt dieser Trend ebenfalls zugute.

Insgesamt also bietet der mexikanische Markt derzeit eine kleine, aber feine Auswahl an Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Die Entwicklung des Peso sollte man dabei stets im Auge behalten, ebenso, ob Trump seine protektionistisch geplante Politik realisieren kann.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

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