Nicht nur als Absatzmarkt, auch als Lieferant von Vorerzeugnissen zur Weiterverarbeitung etwa in Osteuropa gewinnt China innerhalb der weltweiten Lieferketten an Bedeutung. Bei der Beurteilung der günstigsten Lieferwege kam eine Studie der ROI Management Consultants im März 2012 zu überraschenden Ergebnissen. Nicht der direkte Weg über südosteuropäische Häfen, sondern der Umweg über die Nord- und Ostsee ist für viele der befragten Unternehmen die bessere Lösung.

Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut

Für Exporte aus Deutschland sind die norddeutschen Seehäfen traditionell und im direkten Kostenvergleich mit alternativen Verkehrswegen wie Flug, Schiene und Straße auf langen Strecken oft im Vorteil. Eine andere Entscheidung würde bei Lieferungen im internationalen Produktionsverbund von China nach Osteuropa naheliegen, da insbesondere südosteuropäische Standorte in Rumänien und der Ukraine, aber auch in Ungarn von Häfen am Schwarzmeer und an der Adria schneller zu erreichen wären.

Eine aktuelle Studie der ROI Management Consultants vom März 2012 ist dieser Thematik nun in einer Befragung der Mitglieder der Bundesvereinigung Logistik (BVL) nachgegangen. Zwischen Ende November 2011 und Januar 2012 beantworteten 90 Personen ausführliche Fragen zu den Standorten in Osteuropa, der Nutzung von Häfen in China und Europa sowie zu Details der Lieferverfahren und Kosten. Zudem wurden die untersuchten Häfen hinsichtlich Infrastruktur, Verbindungsfrequenz, Umschlagzeiten, Transitzeiten und Anbindung verglichen.

Bei der Auswahl der Häfen wurde eine Mindestgröße des Containerumschlags von 100.000 TEU vorausgesetzt und eine gewisse geographische Nähe zu den osteuropäischen Standorten in Ungarn, der Slowakischen und der Tschechischen Republik, Polen, Rumänien und der Ukraine. Der griechische Hafen Piräus wurde zwar nicht berücksichtigt, dürfte aber nach der Übernahme der Hafenleitung durch die chinesische COSCO interessant werden.

Bei der Beurteilung der Lieferzeiten und kosten ist auf den ersten Blick die deutlich geringere Seelaufzeit der südlichen Häfen ein Plus. Ab dem Suezkanal ist sie nach Istanbul, Varna oder Constantza etwa drei bis fünf Tage geringer als zu den Nord und Ostseehäfen. Betrachtet man die Nachlaufzeit für den Lkw-Transport ab den Häfen zu den osteuropäischen Standorten, weist der rumänische Hafen Constantza die geringste Entfernung zu den Hauptstädten der ausgewählten osteuropäischen Länder auf.

Weitere Bewertungskriterien neben den Kosten für Hafen und Nachlauf (für 66% sehr wichtig) sowie der Nachlaufzeit (54%) waren die Bearbeitungszeit des Containers (57%) und die Zuverlässigkeit der Bearbeitung (53%). Die Sicherheit und Anbindung war für etwa die Hälfte der Befragten sehr wichtig.

Die befragten Unternehmen mit Standorten in der Tschechischen Republik (18%), Polen (17%), Ungarn (14%), der Slowakischen Republik und Rumänien (je 13%) sowie der Ukraine (10%) wählten mit deutlichem Abstand Hamburg (28%) vor Antwerpen, Bremerhaven und Rotterdam (je 12%) als Zielhafen für Produkte aus China, die nach Mittel- und Osteuropa weiterbefördert werden. Der Hafen Danzig kam auf 5%. Von den südlichen Häfen wurde das slowenische Koper (11%) am häufigsten genannt, gefolgt von Odessa, Constantza und Genua (je 4%).

Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de

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