Einheitliche Software ist in international organisierten Unternehmen ein wichtiger Baustein zur Standardisierung der Zusammen­arbeit. Doch die meist von US-amerikanischen Herstellern bezogenen Produkte bedürfen auch der exportrechtlichen Prüfung. Darf ein deutscher Konzern seinen weltweiten Konzerntöchtern gelistete Bürosoftware durch verschlüsselten Onlinezugriff zur ­Verfügung stellen? Oder handelt es sich dabei um einen Export, der einer Exportgenehmigung der USA oder Deutschlands bedarf?

Beitrag als PDF (Download)

Ausgangsfall

Konzern D in Deutschland möchte seinen weltweiten Töchtern, u.a. auch der Tochter I im Iran, seine gelistete Bürosoftware zur Nutzung überlassen. Es handelt sich um mehrere gängige Softwareprodukte, überwiegend aus den USA. Diese Programme sind auf Ds Server in Deutschland installiert; sie enthalten US-Komponenten, die meist unter 5D992 (Massenmarkt) gelistet sind. I hat nur einen verschlüsselten Onlinezugang, um diese Software im Iran zu nutzen. Die installierte Software kann somit nur virtuell in Deutschland genutzt werden. I kann den Quellcode nicht erkennen, und er kann auch die Software nicht herunterladen. Braucht D dafür eine Exportgenehmigung Deutschlands bzw. der USA?

Exportdefinition in der EU und in den USA

Nach EU-Exportrecht liegt eine Ausfuhr bereits dann vor, wenn Software oder Technologie in elektronischer Form für Personen in Drittstaaten (außerhalb der EU) bereitgestellt wird. Hierfür ist nach herrschender Auffassung unerheblich, ob die Software oder Technologie vom Empfänger im Drittstaat heruntergeladen wird. Also selbst dann, wenn die Software durch Ausländer nicht heruntergeladen und kein Quellcode erkannt werden können, liegt für das BAFA eine „Ausfuhr“ aufgrund des bloßen Einräumens der Nutzungsmöglichkeit im Drittland vor. (Mit Inkrafttreten der Neufassung der Dual-Use-VO könnte sich dies ändern.)

Die Software unterfällt den EAR, weil die Software US-Software ist oder weil sie gelistete US-Komponenten mit einem Wertanteil von mindestens 10% enthält. Nach dem US-Exportrecht liegt eine „Ausfuhr“ der Software nur dann vor, wenn Ausländer durch das Bereitstellen der Software den Quellcode sehen oder sie die Software herunterladen können. Demnach liegt nach US-Exportrecht – anders als nach EU-Exportrecht – im Zweifel keine „Ausfuhr“ der Software vor. Allerdings gibt es US-Normen, nach denen das „mittelbare Verschaffen“ der Software in den Iran der Genehmigung bedarf, ohne dass klar ist, was ein „mittelbares Verschaffen“ ist und ob es selbst dann vorliegen kann, wenn keine „Ausfuhr“ vorliegt.

Genehmigungsbedarf in der EU und in den USA

Zur EU: D braucht nur dann eine Ausfuhrgenehmigung des BAFA, wenn diese Software in der EU gelistet ist oder wenn sie sensitiv verwendet werden kann. Sofern eine Verwendung im Kontext mit ABC-Waffen/-Trägern, Militärischem oder mit Nuklearanlagen ausscheidet (dies muss im Iran sorgfältig geprüft werden), kommt es darauf an, ob die Software in der EU gelistet ist. Da es hier keine Listung 5D992 gibt, ist zu prüfen, ob eine der anderen möglichen Listungen hier eingreift (vgl. etwa die allgemeinen Dual-Use-Listungen unter 4D und 5D sowie die spezielle Iran-Listung unter Iran-Anhang VII A). Sollten auch diese ausscheiden, ist keine Ausfuhrgenehmigung Deutschlands erforderlich.

Zu den USA: Nur sofern doch eine „Ausfuhr“ nach US-Recht oder ein „mittelbares Verschaffen“ in den Iran vorliegen sollte, wäre eine US-Genehmigung erforderlich. Dann wäre primär zu prüfen, ob es um eine Software geht, die bereits nach der US-Allgemeingenehmigung D:1 genehmigt ist, weil dann keine Einzelgenehmigung des OFAC mehr erforderlich ist. Bei Software, die nach 5D992 gelistet ist, stehen grundsätzlich die Chancen gut, die Voraussetzungen dieser Allgemeingenehmigung zu erfüllen, sofern es Software für „effektiven Verbraucherbedarf“ ist. Dies gilt zumindest für viele Massenmarktprodukte, wenn sie keine spezifische Verwendung für die Wirtschaft aufweisen; dies gilt nur eingeschränkt für spezielle Businesssoftware.

Resümee

Gegenwärtig liegt nach EU-Exportrecht auf jeden Fall eine „Ausfuhr“ vor, während dies nach US-Exportrecht im Zweifel nicht der Fall ist, wenn keine Besonderheiten im Sachverhalt vorliegen. Daher muss in der EU außer auf eine sensitive Verwendung sorgfältig geprüft werden, ob eines der betroffenen Softwareprodukte gelistet ist. Sollte nach US-Recht eine „Ausfuhr“ oder ein „mittelbares Verschaffen“ in den USA vorliegen, ist für den Iran primär die US-Allgemeingenehmigung D:1 zu prüfen. Für Softwareprodukte, die überwiegend von Verbrauchern (statt von der Wirtschaft) verwendet werden, stehen die Chancen für eine Rechtfertigung nach dieser Allgemeingenehmigung gut, wenn diese auf 5D992 gelistet sind; ansonsten ist evtl. eine Einzelgenehmigung erforderlich. Es ist schwer verständlich, warum die „Ausfuhr“-Definitionen in der EU und den USA hier im Zweifel zu gegenteiligen Ergebnissen kommen. Und es ist auch wenig nachvollziehbar, warum in den USA noch zusätzlich ein „mittelbares Verschaffen“ in den Iran (zusätzlich zur Iran-„Aus-fuhr“) geprüft und im Zweifel gerechtfertigt werden muss – solche Begriffe müssen vom Gesetzgeber definiert werden. Der Fall zeigt deutlich: Ein Bereitstellen von gelisteten Bürosoftwareprodukten für die Nutzung durch Konzerntöchter überall auf der Welt bedarf der anwaltlichen Begleitung, um exportrechtliche Verstöße zu vermeiden.

Wegen aktueller Hinweise zum US-Exportrecht vgl. auch HIER.

Das kostenlose Sonderheft des Export-Managers zum 15-jährigen Bestehen der Kanzlei Hohmann Rechtsanwälte ist erhältlich über eine Mail an: info@hohmann-rechtsanwaelte.com.

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner