Mit knapp 80 Millionen überwiegend jungen und oft gut ausgebildeten Menschen bietet der Iran nach dem Ende der Wirtschaftssanktionen neue Perspektiven für die deutsche Exportwirtschaft. Allerdings sorgen strukturelle Probleme im iranischen Finanz­system für Risiken. Zudem fällt es iranischen Unternehmen schwer, die erforderliche Liquidität für Importgeschäfte zu erhalten. Mittelständler können diese Hindernisse mit der Einbindung eines Finanzierungspartners bei Iran-Exporten überwinden.

von Dirk Oliver Haller, Vorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG

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Nach langwierigen Verhandlungen trat Mitte Januar ein Wendepunkt in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und den westlichen Industrieländern ein: Nachdem der Iran seine Zusagen zur ­Kontrolle der Nuklearanlagen durch internationale Expertenteams eingehalten hatte, konnte der Abbau von bisherigen Wirtschaftssanktionen beginnen. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Handelsbeschränkungen aufgehoben, die von den USA und der EU für Import- und Exportgeschäfte mit dem Iran verhängt worden waren. Vor allem der Export von Rüstungsgütern ist weiterhin verboten, weitere einzelne Geschäfte unterliegen der Ausfuhrkontrolle und sind genehmigungspflichtig. Doch für den Handel mit ausschließlich zivil nutzbaren Gütern eröffnen sich nach der weitreichenden Lockerung der Sanktionen für deutsche Exportunternehmen attraktive Chancen.

Großer Nachholbedarf

Im Zuge der langjährigen wirtschaftlichen Sanktionen, die von der westlichen Welt gegen den Iran verhängt worden waren, hatte die dortige Wirtschaft massiv zu leiden. In allen Bereichen des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens fehlten die Möglichkeiten sowohl für Investitionen als auch für den Konsum. In der Folge ist heute die Ausrüstung von Industrie und Infrastruktur überwiegend veraltet und marode, weil sich aufgrund fehlender Importmöglichkeiten ein immenser Investitions- und Modernisierungsstau gebildet hat. Vor allem die Anlagen für die Öl- und Gasförderung benötigen dringend Modernisierungsmaßnahmen, damit die Förderkapazitäten wieder erhöht werden können.

Trotz der wirtschaftlichen Rückschläge, die der Iran infolge der Sanktionen erlitten hat, eröffnet sich für deutsche Unternehmen ein großes Potential für Exportgeschäfte. Nach Expertenschätzungen könnten sich in den kommenden Jahren die jährlichen Ausfuhren in den Iran von zuletzt rund 2,5 Mrd USD auf mehr als 7 Mrd USD verdreifachen. Für einen baldigen wirtschaftlichen Aufschwung im Iran sprechen vor allem zwei Faktoren: der Bildungsstand der Bevölkerung und der Reichtum an Rohstoffen.

Junge und gut ausgebildete Bevölkerung

Mit einer Bevölkerung von knapp 80 Millionen Menschen hat der Iran fast so viele Einwohner wie Deutschland. Im Unterschied zur Bundesrepublik sind jedoch die Menschen weitaus jünger: Das Durchschnittsalter liegt bei nur 27 Jahren, und sieben von zehn Iranern sind jünger als 25 Jahre. Die jungen Menschen sind zu einem großen Teil gut ausgebildet, so dass bei einer wirtschaftlichen Öffnung des Landes eine ökonomische Dynamik schnell in Gang kommen kann.

Der Rohstoffreichtum des Landes fokussiert sich vor allem auf Öl und Erdgas. Nach Venezuela, Saudi-Arabien und Kanada besitzt der Iran die viertgrößten Erdölvorkommen der Welt, bei den Erdgasreserven gilt das Land sogar weltweit als die Nummer 1. Im Vergleich zu anderen Regionen sind die Vorkommen vergleichsweise leicht zugänglich, so dass auch bei niedrigen Rohstoffpreisen schneller eine Gewinnspanne erzielt werden kann als in vielen anderen Staaten. Dennoch hat die iranische Regierung bereits angekündigt, sich in Zukunft nicht allzu sehr von Öl- und Gasexporten abhängig machen zu wollen, sondern gezielt den Aufbau der inländischen Industrie zu fördern.

Als Schlüsselbereiche gelten für deutsche Exporteure neben der Ausrüstung der Öl- und Gasförderung unter anderem Personen- und Nutzfahrzeuge, Landmaschinen sowie andere Maschinen, chemische Produkte und Energie- und Umwelttechnik. Beispiel Nutzfahrzeuge: Allein in diesem Segment schätzt das iranische Industrieministerium aufgrund der überalterten Fahrzeugflotte den Bedarf an neuen Lastwagen in den kommenden Jahren auf 200.000 Fahrzeuge.

Schwierige Einschätzung der Risiken

Gerade für die typischen deutschen Mittelstandsbranchen wie Maschinenbau, Fahrzeugbauzulieferer oder Elektrotechnikhersteller bietet der Iran damit die Möglichkeit, nach dem Ende der Wirtschaftssanktionen einen neuen Wachstumsmarkt zu erschließen. Allerdings nicht ohne Risiko: Noch gilt das iranische Finanz- und Bankensystem als labil und unterentwickelt, und für Exporteure ohne Iran-Erfahrung ist es oft schwierig einzuschätzen, welche Ausfallgefahren sich hinter den oftmals komplex und wenig transparent aufgebauten Geschäften verbergen. Dazu kommt, dass aufgrund der nach der Wirtschaftskrise angespannten Liquiditätslage viele Unternehmen nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen, um größere Importlieferungen per Vorkasse oder Akkreditiv bezahlen zu können. Ideal ist es daher aus Sicht des iranischen Importeurs, wenn der Lieferant ein Gesamtpaket aus Warenlieferung und Finanzierung anbieten kann.

Da vor allem in mittelständischen Unternehmen eine Länderexpertise zum Iran Mangelware ist, gilt es, einen Partner zu suchen, der den Lieferanten bei der Finanzierung seines Exportgeschäftes unterstützen kann. Hilfreich für die Finanzierung ist hierbei ein Partner, der zwar die Risiken in der Finanzinfrastruktur und Politik im Iran im Blick hat, bei der Einschätzung des Ausfallrisikos jedoch den Fokus auf die individuelle Bonität des einzelnen Unternehmens richtet. Vor diesem Hintergrund kann Finetrading als bankenunabhängige und vor allem auch für den Export in Schwellen- und Entwicklungsländer geeignete Finanzierungsform bei Geschäften mit Abnehmern im Iran das Mittel der Wahl sein.

Finetrading verkörpert im Kern kein Kredit-, sondern ein Handelsgeschäft. Der Finetrader erwirbt die Ware vom Lieferanten und veräußert sie direkt an den Abnehmer weiter – wobei die physische Lieferung im Regelfall direkt vom Lieferanten an den Abnehmer erfolgt. Als Finanzierungsinstrument dient dabei das Zahlungsziel: Während der Finetrader die Rechnung des Lieferanten sofort bezahlt, gewährt er dem Abnehmer ein längeres Zahlungsziel. Bei Gütern des Umlaufvermögens wie Rohstoffen oder Handelswaren kann sich der Abnehmer bis zu sechs Monate Zeit für das Begleichen der Rechnung nehmen, beim Erwerb von Investitionsgütern sogar bis zu zwölf Monate.

Abwicklung wie ein Inlandsgeschäft

Damit übernimmt der Finetrader das komplette Ausfallrisiko für die Warenlieferung. Er prüft die Bonität des Abnehmers, und nach dem Erhalt eines positiven Resultats kann das Exportgeschäft in die Wege geleitet werden. Gerade mit Blick auf Geschäfte mit dem Iran profitieren Finetrading-Nutzer auch davon, dass sie keine eigene Länderexpertise aufbauen müssen und damit sowohl personellen wie auch zeitlichen Aufwand einsparen. Weil der Finetrader nicht nur die Bonitätsprüfung, sondern auch die Zahlungsabwicklung übernimmt, gestaltet sich die Transaktion aus Sicht des Lieferanten praktisch wie ein Inlandsgeschäft und ermöglicht auf elegante Weise das Umgehen so mancher Klippen des iranischen Finanzwesens.

In der Praxis könnte eine Finetrading-Finanzierung beispielsweise wie folgt ablaufen: Ein deutscher Hersteller von Komponenten für Landmaschinen gewinnt einen iranischen Generalvertreter als Neukunden für den Aufbau eines Ersatzteillagers im Iran. Um den dortigen Händlern und Werkstätten eine schnelle Ersatzteilversorgung zu gewährleisten, muss von jedem Produkt eine bestimmte Anzahl vorrätig sein. Durch die Einschaltung eines Finetraders als Zwischenhändler kann der Lieferant eine einfache Inlandsrechnung stellen. Der Abnehmer wiederum kann bis zur Fälligkeit der Rechnung des Finetraders nach sechs Monaten die notwendigen Umsatzerlöse erzielen, um den Kaufpreis aus eigenen Mitteln entrichten zu können. Mit solchen Finanzierungsmodellen können exportierende Mittelständler auch schwierige Märkte wie den sich öffnenden Iran erschließen, ohne dabei unverhältnismäßig hohe Risiken eingehen zu müssen.

Kontakt: info@dft-ag.de

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