Seit den letzten Wahlen vor zwei Jahren arbeiten Regierung und Zentralbank weiterhin mit Hochdruck an Reformen, um das ­Wirtschaftswachstum nachhaltig voranzutreiben sowie das Land als einen attraktiven Investitionsstandort zu positionieren. Als Schwellenland präsentiert sich Indien perspektivisch als einer der vielversprechendsten Märkte für deutsche und europäische Exporteure.

Von Luis-Miguel Gutierrez, Büroleiter Mumbai, KfW IPEX-Bank

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Indien ist im Vergleich zu den anderen BRICS-Staaten ein Outperformer. Bereits im zweiten Jahr in Folge wird Indiens Wirtschaft in diesem Kalenderjahr mit über 7% p.a. wachsen. In einem schwachen weltkonjunkturellen Umfeld sowie nach zwei aufeinanderfolgenden schlechten Monsunperioden ist dies bemerkenswert. Regierungskritiker führen dies insbesondere auf die niedrigen Rohstoffpreise zurück. Gleichwohl muss hervorgehoben werden, dass die Regierung Modi, aber auch die indische Zentralbank (RBI) die günstigen Rahmenbedingungen für Indien gewinnbringend nutzen.

Regierung und Zentralbank schaffen Rahmenbedingungen

Die niedrigen Rohstoffpreise wirken positiv auf das Außenhandelsdefizit Indiens. Darüber hinaus kann die Regierung Modi weiterhin an dem eingeschlagenen Kurs zur Haushaltskonsolidierung festhalten, ohne dramatische Einschnitte bei den Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen. Dies ist sehr zu begrüßen, denn entgegen vielen Kritikern hatte sich Finanzminister Jaitley im Februar 2016 klar gegen eine ausufernde expansive Fiskalpolitik gestellt. Sein Ziel ist eine nachhaltigere Belebung der Wirtschaft durch eine intelligentere Gliederung der Ausgaben in Form von effizienteren und gesteuerten Subventionen und selektiven Infrastrukturinvestitionen. Mit einem Haushaltsdefizitziel im kommenden Fiskaljahr von 3,5% gegenüber 3,9% im laufenden Fiskaljahr hält er weiter an der Konsolidierung des Haushalts fest und sendet damit ein wichtiges Signal an die Kapitalmärkte.

Ebenso positiv wirken sich die niedrigen Rohstoffpreise auf die Inflation aus, die weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau verbleiben wird. Die RBI konnte im Fiskaljahr 2015/2016 ihr Inflationsziel einhalten und steuert nun einen Inflationskorridor von 4% p.a. (+/–2%) ab 2017 an. Im weiteren Jahresverlauf verfügt sie sogar über einen gewissen Spielraum, um die Reposätze zu reduzieren. Perspektivisch dürften daher für die indischen Unternehmen insgesamt weiter abnehmende Finanzierungskosten in einem ohnehin bereits sehr kompetitiven Bankenumfeld zu erwarten sein. Dies sollte sich positiv auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen auswirken und den Absatz der deutschen Exportindustrie in Indien begünstigen.

Eine weitere Belebung der Investitionstätigkeit ist aus den Reformbestrebungen der Regierung Modi zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums zu erwarten. Sie wird hierbei von der RBI flankiert. Zu nennen sind neben einer ganzen Reihe von gesetzlichen Neuerungen, die Umschuldung eines Teils der hohen Verbindlichkeiten der Energieversorger in Verbindung mit zusätzlichen Strukturmaßnahmen durch die Bundesstaaten sowie die Inklusion weiter Teile der Bevölkerung in den formellen Finanzsektor. Beide Maßnahmen sind in ihrer Tragweite kaum zu unterschätzen, denn sie führen zu einer Verbesserung der gestressten Bankaktiva, einer Erhöhung der Liquidität im Bankenmarkt sowie zu zusätzlichen Konsumanreizen.

Dennoch bleibt die Minderheit der Regierungskoalition in der zweiten Kammer ein Problem. Wichtige Reformen wie beispielsweise die Goods and Service Tax, die sowohl durch das Parlament als auch die Vertretung der Bundesstaaten verabschiedet werden müssen, konnten noch nicht umgesetzt werden und dürften vermutlich durch politische Kompromisse aufgeweicht werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das wirtschaftliche Umfeld grundsätzlich positiv ist und die Regierung Modi gemeinsam mit der RBI die richtigen Schritte unternimmt, um die Wirtschaft in Indien nachhaltig anzukurbeln. Allerdings haben sich diese positiven Treiber noch nicht in eine breite Investitionstätigkeit übersetzt. Zwar beobachten wir ein anhaltendes reges Interesse an neuen Projekten in einzelnen Segmenten, die tatsächliche Umsetzung der Projekte erfolgt jedoch selektiv.

Im Privatsektor ist ein positives Investitionsklima vor allem in den konsumorientierten Wirtschaftszweigen wie in der Automobilbranche und deren Zulieferern, der Pharmaindustrie sowie in der Konsumgüterindustrie und dem Textilbereich zu spüren. Unternehmen in diesen Branchen profitieren von der anhaltenden Nachfrage in den städtischen Regionen. Schwer wiegt allerdings die Nachfrage ausländischer und ländlicher Absatzmärkte. Letztere könnte sich perspektivisch unter der Voraussetzung eines guten Monsuns jedoch verbessern. Die Chancen hierfür stehen gegenwärtig gut.

Maßnahmen zur ­Bankenstabilisierung

Ein Hindernis stellt in diesem Umfeld die Sicherung der nötigen Finanzierung dar. In Indien ansässige Banken haben mit einer hohen Zahl gestresster Kredite zu kämpfen. Diese stammen überwiegend aus dem Infrastrukturbereich. Bis März 2017 sollen die Banken ihre Aktiva gänzlich bereinigt und adäquat mit Rücklagen unterlegt haben. Die RBI hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Gläubigerinteressen, die Governance-Strukturen und gemeinsam mit der Regierung die Eigenmittelausstattung der Banken zu stärken. Wichtig wird in diesem Zusammenhang auch die derzeitige Überarbeitung des Insolvenzrechts sein. Dennoch zeigen sich Banken in Indien restriktiv bei der Vergabe neuer Investitionskredite und stehen in einem enormen Wettbewerb um gute Adressen und Projekte.

Mit Blick auf die ausländischen Banken ist die Novellierung der Richtlinien für externe kommerzielle Kredite (ECB, ECB-Guidelines) hervorzuheben. Diese wurden von der RBI Ende November 2015 neu gefasst und Ende März 2016 in Teilaspekten überarbeitet. Begrüßenswert ist die Anhebung des Limits für ECBs mit einer mittleren Kreditlaufzeit von drei bis fünf Jahren von 20 Mio USD auf 50 Mio USD. In der Vergangenheit stellte dieses Limit bei der Exportförderung unter dem OECD-Konsensus insofern ein Hindernis dar, als bei Exporten, die unter dem OECD-Konsensus kurzfristiger finanziert werden mussten, unter den alten ECB-Normen nur kleinere Volumina zulässig waren.

Besonderheiten im Bereich Infrastrukturfinanzierung

Große Herausforderungen ergeben sich bei der Finanzierung im Infrastrukturbereich, denn Fremdwährungsfinanzierungen in diesem Segment müssen nun anstelle der bislang fünf Jahre eine mittlere Kreditlaufzeit von zehn Jahren und mehr aufweisen. Kürzere mittlere Finanzierungsdauern sind nur bei Lokalwährungsfinanzierungen sowie, seit März 2016 geltend, im Fall von vollständig gehedgten Krediten zulässig. Zum Infrastruktursektor zählen sämtliche Bereiche, die in der harmonisierten Liste über Infrastruktursubsektoren der indischen Regierung zusammengefasst sind. Hierunter fallen u.a. die Bereiche Energie (Erzeugung, Transmission und Verteilung), Wasser und Abwasser sowie Telekommunikation. Mit der Überarbeitung der ECB-Guidelines vom März 2016 sind die Bereiche Exploration, Bergbau und Raffinerie dem Infrastruktursektor gleichzustellen.

Eine Exportförderung im Infrastrukturbereich kann unter klassischen Mustern folglich nicht mehr abgebildet werden, sondern bedarf eines erhöhten Strukturierungsaufwands. Aufgrund der langjährigen Erfahrung der KfW IPEX-Bank sowie der lokalen Präsenz und Expertise der Repräsentanz am Standort Indien untersuchen wir Möglichkeiten, durch eine intelligente Strukturierung den Anforderungen der ECB-Guidelines sowie dem OECD-Konsensus gerecht zu werden. Hierdurch können wir die gegenläufigen politischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Interessen erfolgreich kombinieren und deutschen Exporteuren nicht nur klassische ECA(Export Credit Agency, „ECA“)-Finanzierungen, sondern auch komplexere durch eine Exportkreditversicherung gedeckte Lösungen im Infrastrukturbereich bieten.

Die KfW Bankengruppe begleitet die indische Wirtschaftsentwicklung mit unterschiedlichsten Finanzierungsmitteln. Diese umfassen neben der klassischen finanziellen Zusammenarbeit mit der KfW Entwicklungsbank auch die Finanzierung des Einsatzes deutscher und europäischer Technologien sowie Direktinvestitionen in Indien durch die KfW IPEX-Bank.

Maßgeschneiderte Finanzierungen

Finanzierungsseitig fragen indische Besteller bei Investitionsfinanzierungen weiterhin liefer- und leistungsgebundene Finanzierungen nach, die von einer ECA gedeckt werden. Mit gutem Grund: Eine derartige Finanzierungsstruktur kann sich als sehr vorteilhaft erweisen. Zum einen werden durch die Risikoabsicherung der ECA geringere Risikoaufschläge von den finanzierenden Banken eingefordert. Zum anderen kann die Versicherungsprämie mit Zustimmung der ECA üblicherweise unter dem Darlehen finanziert werden, was für die indischen Besteller generell von Interesse ist.

Besonders attraktiv ist diese Form von Darlehen für indische Besteller mit einem natürlichen Währungshedge. Der risikolose Mindestzinssatz indischer Banken für langfristige Lokalwährungsdarlehen lag zum Redaktionsschluss bei mindestens 9,3% p.a. Selbst unter Berücksichtigung einer kalkulatorisch annualisierten ECA-Versicherungsprämie kann ein ECA-gedecktes Darlehen daher im Vergleich zu einer Lokalwährungsfinanzierung für den Besteller auf Gesamtkostenbasis günstiger sein.

Des Weiteren besteht in Indien auch ein starkes Interesse an Finanzierungsstrukturen, denen neben einer Deckung durch eine staatliche ECA auch eine staatliche Förderung in Bezug auf das Zinsregime zugrunde liegt. Der OECD-Konsensus, das internationale Übereinkommen für öffentlich unterstützte Exportkredite, regelt den Mindestzinssatz (Commercial Interest Reference Rate; CIRR), von dem ein ECA-gedeckter Kredit profitieren kann. Diese sogenannten CIRR-Kredite sind Kredite mit einem attraktiven Festzinssatz. Die Kreditnehmer tragen infolgedessen kein Zinsrisiko während der Gesamtlaufzeit.

Der Exporteur hat die Chance, sein kommerzielles Angebot mittels einer liefergebundenen Finanzierungsofferte zu untermauern. Die KfW IPEX-Bank begleitet Exporteure und Besteller bereits seit Jahrzehnten bei dieser Art von Finanzierungen in Indien und weltweit. Sie unterstützt Geschäfte in den Wirtschaftszweigen Petrochemie, Metallverarbeitung und Energie sowie Finanzierungen zum Ausbau der Hafen- und Schieneninfrastruktur, der maritimen Industrie sowie des produzierenden Gewerbes wie der Automobil- und Verpackungsindustrie. Von Vorteil war dabei in der Vergangenheit neben einer vertieften Produktexpertise ein ausgeprägtes Branchen- und Markt-Know-how. Durch ihre lokalen Fachkräfte in Indien sowie ihre Branchenspezialisten in der Zentrale in Frankfurt am Main ist die seit über 60 Jahren international agierende KfW IPEX-Bank bestens aufgestellt, um Finanzierungen entlang der deutsch-indischen bzw. europäisch-indischen Wertschöpfungskette zum Erfolg zu führen. Das Spektrum der arrangierten, strukturierten und finanzierten Kredite umfasst klassische Handelsfinanzierungen, ECA-gedeckte Bestellerkredite, aber auch maßgeschneiderte komplexe Multi-Sourcing-Strukturen und Shopping-Lines. Sogar ungedeckte Strukturen sind im Einzelfall finanzierungsfähig.

Insgesamt bleibt Indien ein attraktiver Markt für die deutsche Exportwirtschaft und wird komparativ zu den anderen BRICS-Staaten noch bedeutender. Es kommt neben den hervorragenden Produkten auch auf die Finanzierungsexpertise an, um in Indien erfolgreich bestehen zu können.

Kontakt: luis-miguel.gutierrez@kfw.de

 

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