Laut Statistischem Bundesamt sind die deutschen Exporte 2011 um 11,4% auf 1.060 Mrd EUR gestiegen. Damit wurde erstmals die Billionen-Euro-Marke geknackt. Diese Wachstumsraten gehen nicht allein auf das Konto der Großkonzerne. Auch für kleine und mittelständische Unternehmen gehört es längst zum Alltag, ihre Produkte international zu vermarkten. Dass sich damit große ­Herausforderungen in der Kommunikation ergeben, liegt auf der Hand. Diese sind jedoch nicht allein sprachlicher Natur.

Von Lone Colding Wolf, Geschäftsführerin, 24translate

Wer erfolgreich exportieren will, muss nicht nur sprachliche Hürden meistern, sondern auch kulturelle Feinheiten des jeweiligen Marktes berücksichtigen. Diese Erfahrung machte zum Beispiel ein mittelständischer Hersteller von Ladyshavern, der sein Produkt im arabischen Raum vertreiben wollte. Er ging davon aus, dass sich dafür die gleiche Werbekampagne wie in Europa eignen würde. Diese sprach gezielt Frauen an, die das Produkt ja benutzen sollten. Der Hersteller hatte nicht bedacht, dass in der betreffenden arabischen Zielregion Frauen nur selten Kaufentscheidungen treffen. Das Produkt wurde also trotz hoher Werbeausgaben zum Ladenhüter. Der Hersteller hatte die Werbung zwar korrekt übersetzt, gravierende kulturelle Unterschiede aber unberücksichtigt gelassen.

Ein weiteres Beispiel zeigt, dass auch etablierte Global Player die Wichtigkeit interkultureller Kommunikation unterschätzen können: Anfang der 80er Jahre brachte der japanische Autohersteller Mitsubishi einen Geländewagen heraus, der seinen Namen „Pajero“ nach einer Unterart der Pampaskatze erhielt – einer Tierart, die in unwegsamen Gebirgszügen Südamerikas lebt. Die Marketingexperten versäumten allerdings, sich zu erkundigen, ob dieser Name international ausnahmslos funktioniert. Tatsächlich stellte sich heraus, dass „Pajero“ in einigen spanischsprachigen Ländern eine beleidigende Bedeutung haben kann. Für diese Länder wurde das Modell in „Montero“ umgetauft. Wie hoch die Kosten für das Versäumnis waren, ist nicht bekannt.

Wenn es bei internationalen Kampagnen an Übersetzungen geht, sind alle anderen Disziplinen in der Regel schon durchgeplant. Vor allem bei Mittelständlern, die nicht in jedem Zielland über Niederlassungen mit ortsansässigen Mitarbeitern verfügen, kann das zu gravierenden Fehleinschätzungen führen. Denn weder vielreisende Vertriebsmitarbeiter noch erfahrene Marketingexperten können sich ganz und gar in die Verbraucher in China, Brasilien oder Südafrika hineinversetzen. Aufwendige Marktforschung lenkt zwar in die richtige Richtung, doch spätestens bei den Feinheiten, wie zum Beispiel der bildlichen und sprachlichen Umsetzung von Kampagnen, kommt es auf gute Beratung aus dem jeweiligen Land an.

Diese Beratung beginnt damit, dass man Übersetzungen von Muttersprachlern anfertigen lässt, die auch im Mutterland der Zielsprache leben. Nur sie kennen die aktuellsten sprachlichen und kulturellen Entwicklungen, um Übersetzungen authentisch und auf dem modernsten Stand anzufertigen. Darüber hinaus geht es vor allem darum, Experten für interkulturelle Kommunikation von Beginn an in die internationalen Planungen einzubeziehen – so selbstverständlich wie Accountmanager, Kommunikationsverantwortliche und Kreative einbezogen werden. Sie sollten nicht nur aus den Ländern stammen, um die es sich handelt, sondern auch dauerhaft dort leben bzw. dauerhaft mit der Kultur zu tun haben.

Hat nun beispielsweise der oben beschriebene Hersteller von Ladyshavern die kulturellen Unterschiede berücksichtigt, so muss die gleiche Erkenntnis nicht auf spätere Kampagnen übertragbar sein. Das liegt daran, dass sich die Kulturen dynamisch entwickeln, was ein weiteres Beispiel zeigt: In den meisten Teilen Zentralafrikas entspricht das Schönheitsideal nicht dem, was wir zum Beispiel aus Europa oder Amerika kennen. Füllige Frauen sind dort das Maß aller Dinge, und für ihre Figur unternehmen afrikanische Frauen ebenso große Anstrengungen wie die Frauen auf unserem Kontinent, nur in die andere Richtung. Sie essen systematisch, um zuzunehmen. Der Launch eines Diätproduktes ist in solchen Regionen also wenig erfolgversprechend. Wer diese Märkte jedoch zu lange ausklammert, der könnte aktuelle Entwicklungen verpassen. Denn langsam eifern die Frauen in einigen Regionen auch dem schlanken Schönheitsideal nach, das unserem Kulturkreis entspricht – ein Trend, der sich, ausgehend von Südafrika, langsam fortsetzt.

In einem Thesenpapier der Bertelsmann Stiftung wird interkulturelle Kompetenz als „Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Außerdem gibt es an der Fachhochschule in Köln einen eigenen Forschungsschwerpunkt, der vom Ministerium für Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Und das aus gutem Grund, denn in unserer globalisierten Welt begegnen wir diesem Thema tagtäglich. Interkulturelles Einfühlungsvermögen beginnt bereits bei Telefonaten und Schriftverkehr und reicht bis zum Geschäftsgespräch. Es stellen sich Fragen wie „Gibt es bestimmte Höflichkeitsregeln? Wie interpretiere ich Gesten vom Gegenüber? Was ist die korrekte Grußformel in einer E-Mail? Und wie löse ich Konflikte über kulturelle Grenzen hinweg?“ Man braucht nur in die Schweizer Nachbarschaft zu gehen, um über Regeln zum richtigen Benehmen zu stolpern. Dort ist es unter anderem wichtig, in Gesprächen Höflichkeitspausen einzulegen. Auch die Anrede mit Namen gehört bei Begrüßung und Verabschiedung zum guten Ton. In Teilen Asiens gilt es als unhöflich, Fehler direkt anzusprechen. Auf der einen Seite muss dies dem Gast bewusst sein, wenn er in einer asiatischen Niederlassung Verbesserungsvorschläge anbringen möchte. Auf der anderen Seite muss der Gast wissen, welche Umschreibungen des ausländischen Kollegen bedeuten, dass er mit etwas unzufrieden ist.

Professionelle Übersetzungs- bzw. Kommunikationsdienstleister haben den interkulturellen Beratungsbedarf erkannt und sich darauf eingestellt. Wenn sie über ein ausgefeiltes, weltweites Netzwerk an Spezialisten verfügen, können sie Expertenteams zusammenstellen, die jederzeit beratend zur Seite stehen. Diese Teams bestehen aus hochqualifizierten Linguisten unterschiedlicher Kulturen, die es ebenso wie klassische Unternehmensberater gewohnt sind, interdisziplinär zu arbeiten. Oft verfügen sie zusätzlich über weitere fachliche Qualifikationen wie z.B. in Technologie, Jura oder Medizin. Da exportierende Unternehmen mehrsprachige Texte meistens zu speziellen Produkten benötigen, spielt die fachliche Spezialisierung eine ebenso große Rolle wie das interkulturelle Know-how.

Bei allen Unterschieden, die auf dem internationalen Parkett zu beachten sind, gibt es eine einheitliche Fach- und Firmenterminologie, die standardisiert zu benutzen ist. Um diese multilingual zu verwalten, arbeiten moderne Übersetzungsbüros mit Terminologiedatenbanken, deren Einhaltung durch spezielle Software nochmals überprüft werden kann. Diese Glossare stehen jedem zur Verfügung und sorgen dafür, dass jeder Begriff mit der definierten Terminologie übereinstimmt. Dabei kann je nach Zielgruppe unter anderem zwischen internem und externem Wording unterschieden werden. Im technischen Bereich zum Beispiel benutzen Ingenieure bei der Kommunikation untereinander ein anderes Vokabular, als es die Marketingabteilung für Verbraucherinformationen verwendet. Solche selbstverständlich klingenden Sachverhalte haben komplexe Auswirkungen auf die technische Dokumentation der Terminologien.

Auch im technologischen Zeitalter wurde noch keine Maschine erfunden, die den Übersetzungsprozess übernehmen kann. Denn Sprache lebt und verändert sich, ebenso wie Kulturen. Beides wird von Menschen im sozialen Zusammenleben entwickelt, gelebt und verändert. Deshalb schafft es nur der Mensch, textliche Nuancen in andere Sprachen zu übertragen, Bedeutungen im Kontext zu erfassen und zwischen den Zeilen ausgedrückte Botschaften wiederzugeben. Die Herausforderung besteht darin, Mensch und IT so zusammenarbeiten zu lassen, dass sie voneinander lernen. Softwarelösungen sind aus dem Übersetzungsprozess heute ebenso wenig wegzudenken wie die interkulturellen Kompetenzen der Übersetzerteams. Denn nur so wird internationale Kommunikation so gut, schnell und wirtschaftlich, wie es das dynamische Exportgeschäft erfordert.

Kontakt: em[at]24translate.de

15 replies on “Global denken, interkulurell handeln”

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