Deutsche Exporteure, die sich aktuell auf dem russischen Markt engagieren wollen, haben gleich mit zwei Unwägbarkeiten zu kämpfen: Die konjunkturelle Entwicklung lässt kurzfristig keinen Aufschwung erkennen. Und viele russische Firmen leiden unter den ungünstigen Finanzierungsmöglichkeiten im Land. Doch deutsche Unternehmer können den Handel mit russischen Unternehmen auf sichere Beine stellen.

Von Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS, Atradius

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Schwacher Ölpreis drückt Konsumlaune

Zwei wesentliche Faktoren für die wirtschaftlichen Probleme der russischen Föderation sind der niedrige Ölpreis sowie die starke Volatilität des russischen Rubel. Dadurch sinken einerseits die Exporterlöse und Staatseinnahmen – was wiederum die Investitionsmöglichkeiten von Unternehmen und Regierung beschneidet. Zudem sind die Finanzierungskosten recht hoch: Der Leitzins der russischen Zentralbank liegt aktuell bei 11%, die individuellen Refinanzierungszinssätze der Unternehmen sogar oft bei 14% bis 20%.

Die Abwertung des Rubel verteuert zudem die Importe für Unternehmen und drückt den privaten Konsum. Die aufgrund des starken Rubel-Verfalls zur Jahreswende 2014/2015 getätigten Hamsterkäufe langlebiger Konsumgüter belasten im aktuellen Weihnachtsgeschäft zudem das Verbraucherklima.

Um hier gegenzusteuern, plant die russische Regierung eine Art Industrialisierungsoffensive, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Es bleibt abzuwarten, wie die dafür notwendigen Mittel angesichts der schrumpfenden Devisenreserven aufgebracht werden. Bisher ist auf dem Markt kein wirklicher Trend zu mehr Industrialisierung zu erkennen.

Lange Zahlungsziele – Insolvenzzahlen steigen

Die durchschnittlichen Zahlungsziele haben sich im Verlauf der Krise deutlich erhöht und liegen derzeit zwischen 90 und 270, in der Landwirtschaft sogar bei 360 Tagen. Atradius prognostiziert einen starken Anstieg der Insolvenzzahlen für 2015 und 2016, was nicht zuletzt mit den kürzlich verlängerten Sanktionen zusammenhängt. Hier muss man jedoch differenzieren, denn nicht jede Branche ist gleichermaßen von den Sanktionen betroffen. Es gibt zwar deutliche Umsatzeinbußen bei Lebensmitteln und im Bau, andere Branchen wie Handel und Logistik bieten jedoch nach wie vor interessante Absatzchancen.

Worauf deutsche Exporteure achten sollten

Wichtig ist, die Finanzierung im Vorfeld mit einem soliden Partner auf eine sichere Grundlage zu stellen, denn viele russische Banken sind aufgrund der wirtschaft­lichen Krise und der Währungsturbulenzen kapitalschwach, und ein Entzug der Bankenlizenz kommt durchaus vor. Sie verfügen nicht über vergleichbare Einlagensicherungsfonds wie in Deutschland. Finanzdienstleistungen wie Factoring sind in Russland weitgehend unbekannt oder stecken noch in den Kinderschuhen.

Deshalb empfehlen wir Unternehmen, die in Russland Geschäfte machen wollen, vertrauensvolle Partner auszuwählen und einige grundlegende Regeln einzuhalten, um ihre Transaktionen zu sichern.

Langfristig gute Geschäftschancen

Langfristig schätzt Atradius die Geschäftsaussichten für Russland positiv ein, doch brauchen exportwillige Unternehmer einen längeren Atem. Die Lage wird sich voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren wirklich nachhaltig verbessern. Gute Investitionschancen bieten sich neben den bereits genannten Branchen aber schon jetzt vor allem im Maschinen- und Anlagenbau – insbesondere im Bereich Automobilzulieferer – ebenso wie bei Raffinerien.

Kontakt: michael.karrenberg@atradius.com

 

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