Lieferantenkredite, die Einkäufer von Waren oder Dienstleistungen aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Lieferung und Bezahlung in Anspruch nehmen, sind nach wie vor eine der wichtigsten Kreditformen überhaupt. Immerhin leihen deutsche Lieferanten ihren Kunden auf diese Weise rund 320 Mrd Euro. Das ist mehr Geld, als deutsche Banken in Form von kurzfristigen Krediten zur Verfügung stellen. Der Lieferant hat jedoch gerade in Krisenzeiten oft das Nachsehen. Lösungen sind gefragt, um die Finanzierung der Unternehmen zu sichern.

Von Dr. Thomas Langen, Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius N.V.

Kein anderer Kredit ist so leicht zu haben wie der Lieferantenkredit: Er steht in dem Moment zur Verfügung, in dem die Schuld entsteht. Dieses in Außenständen gebundene Kapital ist jedoch für den Lieferanten zunehmend ein Problem. Eine Atradius-Umfrage vom Sommer 2009 zeigt: Fast 60% der deutschen Unternehmen klagen aufgrund des schleppenden Zahlungsverhaltens ihrer Kunden über einen reduzierten, 16% davon sogar über einen deutlich reduzierten Cashflow.

Höchste Zeit also auch für die Lieferanten, liquiditätssichernde Maßnahmen zu ergreifen. Auf Vorauskasse zu bestehen ist jedoch meist keine nachhaltige Lösung. Denn die Gewährung von Zahlungszielen ist für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen oft unverzichtbar. Laut dem Atradius-Zahlungsmoralbarometer vom Sommer 2009 haben deutsche Unternehmen ihr durchschnitt­liches Zahlungsziel zwar gegenüber dem Frühjahr 2009 um zwei Tage verkürzt. Angenommen hat der Markt diese Maßnahme allerdings nicht, denn deutsche Unternehmen zahlen im Durchschnitt erst sechs Tage nach Fälligkeit. Und manchmal muss die Forderung auch komplett abgeschrieben werden.

Dass Unternehmen Zahlungsausfälle nicht einfach wegstecken, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel. Schon um einen Forderungsverlust von 10.000 Euro zu kompensieren, muss ein Unternehmen mit einer Umsatzrendite von 2,5% einen Mehrumsatz von 400.000 Euro erwirtschaften. Fällt ein großer Kunde komplett aus, ist nicht selten auch die Existenz des Lieferanten ernsthaft gefährdet. Jede vierte Insolvenz in Deutschland ist eine solche Folgeinsolvenz – Tendenz steigend. 2009 erhöhte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 11,6% auf 32.687 Fälle.

Damit aus unkalkulierbaren Ausfallrisiken keine Ertragseinbußen oder gar Folgeinsolvenzen werden, ist ein professionelles Risiko- und Forderungsmanagement gefragt. Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit einem Warenkreditversicherer an. Dieser prüft die Abnehmer des Lieferanten nicht nur bei Vertragsabschluss auf ihre derzeitige und künftige Zahlungsfähigkeit, sondern überwacht deren Bonität auch während der Laufzeit der Kreditversicherung. Auf dieser Basis wird über die individuelle Deckung, das sogenannte Kreditlimit, entschieden.

Unternehmen sichern damit ihre Liquidität und können sich auf Dauer einen solventen Kundenstamm aufbauen. Wenn doch ein Abnehmer unerwartet in die Insolvenz geht, springt der Kreditversicherer ein und erstattet in der Regel 80 bis 90% der ausstehenden Forderung.

Der Kreditversicherer erkennt jedoch aufkommende Zahlungsschwierigkeiten meist schon im Vorfeld. Atradius greift dabei auf ein Netzwerk von Niederlassungen in 42 Ländern und auf Informationen über mehr als 52 Millionen Unternehmen weltweit zurück.

Den Kern der Bonitätsanalyse bildet dabei immer das individuelle Rating eines Unternehmens, in das verschiedenste Informationen einfließen – von den aktuellen Zahlungserfahrungen aus diversen anderen kreditversicherten Geschäften über die Marktstellung des betreffenden Unternehmens, sein Kundenportfolio und die Auftragssituation bis hin zum politischen Risiko am Standort. Damit erkennt der Kreditversicherer aktuelle Entwicklungen meist, bevor der einzelne Lieferant sie realisiert.

Erfreulicherweise mehren sich die ersten zaghaften Zeichen einer Erholung der deutschen Wirtschaft. Atradius geht von einem leichten Wachstum bis Ende 2010 aus. Diese Prognose bestätigt auch die jüngste Studie des Kreditversicherers, nach der 60% der Befragten aus Deutschland mit dem Ende der Krise im Jahr 2010 rechnen.

Für eine Entwarnung ist es jedoch noch zu früh. Vielmehr kommt es jetzt darauf an, den aufkeimenden Aufschwung nicht durch ein rein rückwärtsgerichtetes Kreditmanagement zu gefährden. Wichtiger denn je ist jetzt eine angemessene Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des betreffenden Unternehmens. Diese sogenannte „antizipative Bonitätsanalyse“ wird bei Atradius bereits im Rahmen der Kreditversicherung praktiziert. Um den Aufschwung aber nachhaltig zu finanzieren, ist ein Umdenken aller Marktteilnehmer erforderlich.

Die Erfahrung zeigt, dass sich das Insolvenzrisiko für Unternehmen im Aufschwung noch einmal erhöht, weil steigende Umsätze nicht finanziert werden können. Grund: Die Liquiditätsreserven sind in vielen Unternehmen im Zuge der Krise bereits deutlich reduziert oder sogar aufgebraucht. Hinzu kommt: Die Vorlage der von der Wirtschaftskrise gebeutelten Jahresabschlüsse wird eine rapide Verschlechterung vieler Kreditnehmerratings auslösen.

Um dieser Verschlechterung entgegenzusteuern, sind nicht nur Banken und Kreditversicherer in der Pflicht, die sich nicht allein auf zurückliegende Daten wie Bilanzen stützen dürfen, sondern auch die Unternehmen selbst. Diese müssen mit ihren Kreditgebern eng zusammenarbeiten und aussagekräf­tige Informationen zur Verfügung stellen, um eine fundierte Kreditentscheidung zu ermöglichen.

Ein Umdenken ist bereits jetzt in der täg­lichen Praxis erkennbar. Die zunehmende Transparenz der Unternehmen führt dazu, dass Atradius aufgrund der genaueren Informationen viele Risiken anders bewerten und Kreditlimite erhöhen kann.

Eine besondere Relevanz erhält die recht­zeitige Einbindung des Kreditversicherers in Restrukturierungsfällen. Denn: Wenn der Berater zunächst statt einzelner Lieferanten deren Kreditversicherer anspricht und Konzepte mit ihnen gemeinsam vermittelt, kann oft ein „Dominoeffekt“ bei den Lieferanten verhindert werden.

Voraussetzung ist neben einem schlüssigen Sanierungskonzept die offene Kommunikation mit dem Kreditversicherer, seine selbstverständliche Teilnahme an Sitzungen des Gläubigerkreises, die Gleichbehandlung mit anderen Finanzierern und die Vereinbarung marktkonformer Sicherheitsinstrumente. Sind all diese Voraussetzungen gegeben, kann das sogar bedeuten, dass der Kreditversicherer höhere Deckungsvolumina bereitstellt als noch vor der Restrukturierung.

Eine Kreditversicherung bildet damit die notwendige Rückversicherung für das Unternehmen als (Lieferanten-)Kreditgeber. Dieses System der Kreditvergabe zwischen Unternehmen ist ein oft unterschätzter Bestandteil des gesamten Kreditaufkommens der Wirtschaft. Immerhin stellen die Kreditversicherer in Deutschland ein Versicherungsvolumen für Lieferantenkredite im Wert von rund 260 Mrd Euro zur Verfügung. Das entspricht rund 13% des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Voraussetzungen dafür sind jedoch die Transparenz der (Lieferanten-)Kreditnehmer, ein klar vorwärtsgerichtetes Kredit­management aller Kreditgeber und – in Restrukturierungsfällen – die Einbindung der Kreditversicherer auf Augenhöhe mit den Banken. Dieses Zusammenspiel zwischen allen Marktteilnehmern wird entscheidend sein, um den Aufschwung nicht durch fehlende Finanzierung im Keim zu ersticken.

Kontakt: thomas.langen[at]atradius.com

19 replies on “Forderungsausfällen vorbeugen!”

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