Die elektronische Ausfuhranmeldung führt zu rechtlichen Risiken: Immer wieder kommt es zu Verstößen, weil unrichtige Atlas-Codes in der Ausfuhranmeldung genannt werden. Andere Rechtsfragen hängen daran, dass Exporteure häufig von ihrem Spediteur zu spät den elektronische Atlas-Bescheid erhalten, dass die Zollanmeldung nicht angenommen wird: Es ist rechtsstaatlich bedenklich, wenn dadurch die Einlegung von Rechtsmitteln beschnitten wird.

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

Fall 1: Fehlerhafte Codes

Firma D will zwei Güter exportieren. Gut 1 ist gelistet, und D erhielt dafür einen Genehmigungsbescheid des BAFA. Gut 2 ist nicht gelistet, und D hat dafür einen Nullbescheid erhalten. In der Ausfuhranmeldung unterließ D für Gut 1 versehentlich die Eintragung des Codes, und für Gut 2 gab sie fälschlich „Y901“ an. Hat D einen Verstoß begangen? Was sollte sie tun?

Fall 2: Spät erhaltener Atlas-Bescheid

D, vertreten durch ihre Spedition S, im-portiert Güter, welche nach Auffassung des Zolls der Marktüberwachungsbehörde (dem zuständigen RP) vorgelegt werden sollen, um zu prüfen, ob hier die VuB (Verbote und Beschränkungen) eingehalten worden sind. Nachdem der RP mitgeteilt hatte, dass die Anforderungen des Medizinproduktgesetzes (MPG) bei dieser Einfuhrsendung nicht erfüllt wären, wurde an S nur elektronisch (über Atlas) der Bescheid verschickt, dass diese Zollanmeldung nicht angenommen werde. Erst acht Monate später erhält D diesen Bescheid von S. Kann D dagegen noch Rechtsmittel einlegen?

Lösung Fall 1

Die Angabe der richtigen Atlas-Codes dient der beschleunigten Zollabfertigung. Da D für Gut 1 eine Ausfuhrgenehmigung erhalten hatte, hätte sie „X002 DEE“ (Einzelausfuhrgenehmigung des BAFA nach Art. 3 Dual-Use-VO für Waren nach Anhang I DUV) in Feld 44 eintragen müssen; diese Angabe fehlte, wodurch eine Überprüfung erschwert wurde. Für Gut 2 hätte D die Codierung „3LLD/NB“ (Güter sind in keiner Liste erfasst, und ein Nullbescheid wurde erteilt) angeben sollen; stattdessen wählte sie „Y901“ (= die Güter sind nicht von DUV Anhang I erfasst), wodurch ebenfalls eine Überprüfung erschwert wurde. Durch die Angabe fehlerhafter Codes bei der Abgabe der elektronischen Ausfuhranmeldung hat D eine Ordnungswidrigkeit nach §70 Abs. 6 AWV begangen. Denn D hat Angaben nach §18 Abs. 2 Satz 4 AWV (u.a. Angaben zur Genehmigungscodierung) nicht bzw. nicht richtig angegeben (maximale Geldbuße bei Vorsatz 25.000 EUR). Allerdings sehen einige Hauptzollämter darin stattdessen eine Ordnungswidrigkeit nach §70 Abs. 4 AWV, weil eine Ausfuhranmeldung nicht richtig abgegeben worden sei. Dann würde (bei Vorsatz) eine maximale Geldbuße von 500.000 EUR drohen.

Vorzugswürdig dürfte es sein, hier allein auf die Ordnungswidrigkeit nach §70 Abs. 6 AWV abzustellen, weil sich aus dessen Wortlaut ergibt, dass dies die speziellere Vorschrift gegenüber der allgemeinen nach §70 Abs. 4 AWV ist. Dann wäre klar, dass es nur um einen „Formalverstoß“ – also nicht um einen Verstoß gegen eine Hauptpflicht – geht, der zu einer maximalen Geldbuße von 25.000 EUR (bei Vorsatz) bzw. von 12.500 EUR (bei Fahrlässigkeit) führt. Soweit die Hauptzollämter zusätzlich die fehlende Abschreibungsmöglichkeit durch Nichtvorlage der Ausfuhrgenehmigung rügen, muss klar gesagt werden, dass hieraus keine weitere Ordnungswidrigkeit abgeleitet werden kann. Sie dürfte zumindest als subsidiär hinter der anderen zurücktreten. Denn aus §18 Abs. 2 AWV ergibt sich, dass die zuständige Zollstelle dann die vom BAFA erteilte Ausfuhrgenehmigung über das ZIVIT (Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik des BAFA) abrufen darf; daher kann die Abschreibung elektronisch noch realisiert werden.

D wird hier zu einer freiwilligen Selbstanzeige geraten. In dieser sollte D die fahrlässige Begehung und alle Milderungsgründe aufführen, damit die Sache außergerichtlich möglichst nur gegen eine Verwarnung (oder eine sehr geringe Geldauflage) eingestellt wird. Die Chancen für eine Straflosigkeit bei freiwilliger Selbstanzeige sind inzwischen gestiegen: Nach Inkrafttreten des novellierten AWG wäre dies ein fahrlässiger Verstoß gegen §19 Abs. 3 AWG n.F. Dadurch wäre die Möglichkeit eröffnet, nach §22 Abs. 4 AWG n.F. Straflosigkeit durch eine freiwillige Selbstanzeige zu erlangen, wenn der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle (also im Rahmen des Internal Compliance Program) aufgedeckt, der zuständigen Zollbehörde freiwillig angezeigt und Maßnahmen zur Ver-hinderung eines solchen Verstoßes für die Zukunft ergriffen wurden. Diese mildere Sanktion muss auch jetzt schon für Verstöße, die vor Inkrafttreten des AWG n.F. geschahen, berücksichtigt werden.

Lösung von Fall 2

Hier stellen sich gravierende rechtsstaatliche Probleme, die alle mit der Formulierung des §122 Abs. 2a AO zusammenhängen. Diese Norm lautet wie folgt: „Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen“.

Sofern die Zollbehörde nachweisen kann, dass dieser elektronische Bescheid an S herausging, hat sie ihrer Nachweispflicht Genüge getan. Die rechtsstaatlichen Transparenzprobleme beruhen darauf, dass einige Speditionen, die vom Hauptzollamt elektronisch eine PDF zugeschickt bekommen, gar nicht wissen, dass es sich hier um rechtsmittelfähige Bescheide handelt, so dass sie diese häufig nicht zur Kenntnis nehmen und nicht an die Exporteure weiterleiten und sie damit ihrer Möglichkeit berauben, Rechtsmittel einzulegen.

Verstärkt werden die rechtsstaatlichen Bedenken dadurch, dass der Text dieser elektronischen Bescheide meist keine explizite Rechtsmittelbelehrung enthält. So teilte die Zollbehörde in einem Fall hierzu Folgendes mit: „Die Rechtsbehelfsbelehrung wurde nicht mit der CUSTAX Nachricht verknüpft, sondern sie erfolgte mit der Übersendung des Kennzeichens Rechtsbehelf GIS+974. Dieses Kennzeichen ist nach Auskunft des ZIVIT durch die Software des Teilnehmers aus der Codeliste zu entschlüsseln und beinhaltet die Rechtsbehelfsbelehrung. Somit hat die Spedition eine entsprechende Belehrung erhalten“. Der Orwell´sche verschlüsselte Rechtsstaat lässt grüßen!

Probleme und ein Gesetzesvorschlag

Da hier der elektronische Verwaltungsakt vor acht Monaten an S ergangen war, hätte D nur noch dann eine Chance, einen Einspruch einzulegen, wenn mangels Beifügen einer Rechtsmittelbelehrung die Einspruchsfrist ein Jahr betragen würde. Aus den dargelegten Gründen werden Hauptzollämter und Gerichte meist davon ausgehen, dass hier (trotz der Verschlüsselung) eine Rechtsmittelbelehrung erfolgt ist, so dass die Einspruchsfrist verpasst wurde. Dann werden sie meist auch nicht bereit sein, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Einspruch gegen den elektronischen Verwaltungsakt einzuräumen, so dass D keinen Einspruch mehr einlegen kann.

Ein solches Ergebnis ist zumindest dann unhaltbar, wenn D ihre Spedition S genügend geschult und angewiesen hat, sofort alle Bescheide an D weiterzuleiten, damit D noch die Chance zu Einsprüchen hat. In einem solchen Fall müsste u.E. entweder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingeräumt werden, oder die verschlüsselte Rechtsmittelbelehrung dürfte nicht als ausreichend anerkannt werden, so dass dann die Jahresfrist für Einsprüche gelten würde. Wir schlagen vor, §122 Abs. 2a AO durch folgenden Satz zu ergänzen: „Die für den Lauf der Monatsfrist erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung ist bei diesem elektronischen Verwaltungsakt nur dann erteilt, wenn sie unverschlüsselt dem Text dieses Verwaltungsakts angefügt wird; sonst gilt die Jahresfrist nach §356 Abs. 2 AO“.

Resümee

Elektronische Ausfuhranmeldungen bergen erhebliche rechtliche Risiken. Exporteure, die nicht genügend in den Codierungen geschult sind, riskieren, durch falsche Codes eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, wobei Hauptzollämter fälschlich dazu tendieren, darin einen Verstoß gegen eine Hauptpflicht zu sehen. Wenn hingegen die speziellere Regelung in §70 Abs. 6 AWV berücksichtigt und auch die neue Regelung §22 Abs. 4 AWG n.F. genutzt wird, dürfte bei fahrlässiger Begehung und freiwilliger Selbstanzeige Straflosigkeit erreicht werden können.

Dies hilft allerdings nicht bei einem wiederholten Verstoß, weswegen Maßnahmen zur künftigen Verhinderung dieses Verstoßes in das Zentrum rücken werden. Spediteure, die nicht genügend geschult worden sind, werden dazu tendieren, elektronische Bescheide nicht an die Exporteure weiterzuleiten, wodurch Rechtsmittel wegen Verfristung unterbleiben müssen. Hier kann es zu kafkaesken Vorgängen (es ergehen Bescheide, ohne dass der Exporteur davon erfährt) kommen, und: Auf die Spediteure kommen hohe Haftungsrisiken zu. Um den Orwell´schen verschlüsselten Rechtsstaat zu verhindern, sollte dringend die Regelung des §122 Abs. 2a AO um den von uns genannten Satz 2 ergänzt werden.

Kontakt: info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com

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