Die Coronapandemie bringt die Weltwirtschaft gehörig aus dem Takt: Um mindestens 5,0% könnte das globale BIP in diesem Jahr einbrechen – wenn nicht sogar mehr. Denn die zur Eindämmung des Covid-19-Virus notwendigen Maßnahmen haben negative Auswirkungen auf die weltweite Fertigung, die globalen Lieferketten, die Rohstoffpreise und die Konsumausgaben.

Deutsche Exporteure fast aller Branchen müssen sich auf ­deutlich geringere Ausfuhren einstellen. Das betrifft nicht nur den Industriebereich, sondern auch die Konsumgüterbranche. Die dadurch entstehenden Liquiditätsengpässe könnten in der zweiten Jahreshälfte eine erhebliche Zunahme der Unternehmensinsolvenzen bewirken.

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Die Coronapandemie bringt die Weltwirtschaft gehörig aus dem Takt: Um mindestens 5,0% könnte das globale BIP in diesem Jahr einbrechen – wenn nicht sogar mehr. Dieser Rückgang geht auch an Deutschlands Exportmärkten nicht spurlos vorüber. Denn die zur Eindämmung des Covid-19-Virus notwendigen Maßnahmen haben negative Auswirkungen auf die weltweite Fertigung, die globalen Lieferketten, die Rohstoffpreise und die Konsumausgaben.

Ausfuhren sinken um fast ein Drittel

In der Summe schmälern diese Faktoren sowohl die Umsätze als auch die Margen deutscher Exporteure erheblich. Einen Vorgeschmack darauf, was das für die traditionell stark vom Außenhandel abhängige deutsche Wirtschaft bedeuten könnte, gaben die Anfang Juni veröffentlichten Kennzahlen des Statistischen Bundesamtes zu den Im- und Exporten. Besonders Exporte in die von der Coronapandemie stark getroffenen Staaten wie Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten nahmen darin im Jahresvergleich erheblich ab. So verringerte sich die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen im April 2020 gegenüber dem Vormonat um 24%. Gegenüber dem Vorjahresmonat mussten die deutschen Exporteure gar einen Einbruch um 31,1% verkraften. Dies war der größte Rückgang innerhalb eines Monats seit Beginn der Aufzeichnungen der Außenhandelsstatistik im Jahr 1950.

Welthandel geht zurück

Unter den Lockdown-Maßnahmen wird den Prognosen zufolge nicht nur der Außenhandel in Deutschland, sondern auch der Welthandel leiden. Bereits im vergangenen Jahr kränkelte der globale Handel. Durch den Ausbruch von Covid-19 geriet die Angebots- und Nachfrageseite noch weiter unter Druck. Die Werte für das erste Quartal 2020 zeigen bereits einen Rückgang des weltweiten Handelsvolumens um 1,2%. Insgesamt ist von einem Rückgang von bis zu 15% auszugehen.

Zyklische Branchen unter Druck

Was bedeuten diese Indikatoren für exportorientierte Unternehmen? Die schlechte Nachricht vorweg: Der Konjunktureinbruch trifft nahezu sämtliche Branchen mit ähnlicher Härte. Besonders schwierig ist die Lage bei Deutschlands wichtigstem Aktivposten im Außenhandel: dem Automobilsektor. Hier stehen nicht nur in Europa, sondern auch auf den Märkten Nord- und Südamerikas, Asiens und Ozeaniens die Zeichen auf Sturm. Die sich bereits seit 2018 manifestierende Absatzschwäche der deutschen Autobauer hat angesichts der Coronakrise nochmals deutlich an negativer Dynamik gewonnen, da die Verbraucher in der aktuellen Situation äußerst zurückhaltend bei ihren Kaufentscheidungen sind. Diese Vorsicht bringt auch die Konsumgüterbranche weltweit in Bedrängnis. Ebenfalls direkt von den Lockdown-Maßnahmen betroffen sind Dienstleistungsunternehmen, deren Geschäftsaussichten sich in allen Regionen der Welt ebenfalls erheblich eingetrübt haben.

Aussichten in Europa verschlechtert

Doch auch zyklische Branchen wie die Bauwirtschaft, die Metallverarbeitung, die Stahlindustrie sowie der Maschinenbau leiden unter der aktuellen Situation. Regional betrachtet, dürfte sich das Exportklima besonders in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, dem Vereinigten Königreich und Irland sowie der Türkei deutlich verschlechtern. Etwas besser sieht es lediglich in den Beneluxstaaten, der Schweiz und Schweden aus. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Branchenrisiken auf den für deutsche Exporteure besonders wichtigen Märkten wie Frankreich, den Niederlanden, Italien und Großbritannien deutlich steigen. So verzeichnet beispielsweise Frankreich in elf von 14 Branchen, die aktuell von Atradius untersucht wurden, ein stürmisches Geschäftsklima. In Italien fiel die Branchenprognose in zehn von 14 untersuchten Sektoren um zwei Stufen.

Erhebliche Wachstumseinbußen

Auf dem amerikanischen Kontinent drohen vor allem in Mexiko und Brasilien erhebliche Branchenrisiken in konjunktursensitiven Bereichen, während Kanada und die USA im Vergleich dazu noch relativ stabil dastehen. Auf Deutschlands Exportmarkt Nummer 1, den USA, sind die Aussichten für Branchen wie die Landwirtschaft, die Baubranche, den Maschinenbau, Metalle und Dienstleistungen gedämpft neutral. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie der Ölpreisverfall auf die Binnenkonjunktur in den kommenden Monaten auswirken werden.

In China leiden exportorientierte Branchen ebenfalls unter dem Abflachen des Welthandels. Der für deutsche Exporteure wichtige Maschinenbau sowie die Elektronikbranche zeigen sich jedoch in robuster Verfassung. Auch in Ländern wie Hongkong, Indonesien, Japan, Singapur und Südkorea sowie Taiwan ist der Branchenausblick des Kreditversicherers insgesamt neutral bis vorwiegend positiv.

Wenige Lichtblicke

Doch neben all diesen düsteren Prognosen gibt es auch vereinzelte Lichtblicke: Sektoren wie die Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Finanzdienstleistungen sowie Chemie und Pharma sind weltweit stabil oder weisen sogar eine positive Geschäftsprognose auf, da sie sich den negativen Auswirkungen der Coronapandemie weitgehend entziehen konnten: Während die Agrar- und Lebensmittelbranche eine stabile Nachfrage nach Nahrungsmitteln verzeichnet, profitiert der Finanzsektor von den massiven Interventionen der Nationalstaaten und Zentralbanken. Auf die Chemie- und Pharmabranche wirkt die Coronapandemie sogar als Wachstumstreiber, da die Weltgemeinschaft hier massiv in Schutzmaßnahmen und Impfstoffe investiert.

Anstieg von Zahlungsausfällen befürchtet

Dennoch ist beim grenzüberschreitenden Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Ziel in naher Zukunft Vorsicht angebracht: In der zweiten Jahreshälfte könnten sowohl die Zahlungsverzögerungen als auch die Insolvenzen quer durch alle Branchen und Regionen drastisch zunehmen und damit die Ausfallrisiken des deutschen Außenhandels erheblich erhöhen. Davon besonders betroffen sind die Staaten der südlichen Peripherie innerhalb der Euro-Zone sowie Großbritannien, die Türkei und Russland. Außerhalb Europas kann es insbesondere in den Schwellenländern sinnvoll sein, sich gegen Zahlungsausfälle zu wappnen.

Generell ist insbesondere bei Abnehmern aus der Automobilindustrie, der Bauwirtschaft, der Stahl- und Metallindustrie, der Papier- und Textilwirtschaft, der Konsumgüterherstellung sowie dem Maschinenbau die wachsame Verfolgung der finanziellen Stabilität das Gebot der Stunde.

frank.liebold@atradius.de

www.atradius.de

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