Nach Jahren der Rezession kehrt Griechenland wieder auf den Wachstumspfad zurück. Treibender Motor sind der private Konsum und die kontinuierliche Erholung am Arbeitsmarkt dank des boomenden Tourismus. Darüber hinaus lassen die zahlreichen geplanten Infrastrukturprojekte auf mehr Beschäftigung im Land hoffen. Deutsche mittelständische Unternehmer sollten diese Entwicklung im Blick behalten und Chancen rechtzeitig nutzen.

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Die griechische Staatsschuldenkrise stellte sowohl Griechenland als auch die gesamte EU auf eine harte Probe. Zwischenzeitlich drohte sogar der Ausstieg aus der Währungsunion (Grexit). Mit insgesamt drei Hilfspaketen aus dem EU-Rettungsschirm sowie einschneidenden Sparmaßnahmen hat Griechenland in den vergangenen Jahren dem Staatsdefizit entgegengearbeitet. Bei politischer und wirtschaftlicher Stabilität kann nun wieder mit einem moderaten Wirtschaftswachstum gerechnet werden. Der IWF rechnet für 2017 mit einer Zuwachsrate von 1,8%.

Im Mai 2017 wurde nach fast 18-monatigen Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung, den EU-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds das „Mittelfristige Programm zur finanzwirtschaftlichen Anpassung Griechenlands“ beschlossen. Mit erneuten Rentenkürzungen sowie weiteren Steueranhebungen muss Griechenland demnach bis 2021 zusätzlich 4,9 Mrd EUR einsparen. Parallel arbeiten die vier systemrelevanten griechischen Banken am Abbau der Non-Performing-Loans (NPLs).

Darüber hinaus ist die griechische Regierung verpflichtet, den Privatisierungsanforderungen nachzukommen, die im 3. Memorandum 2015 beschlossen wurden. Zu diesem Zweck wurde im September 2016 der Privatisierungsfonds TAIPED gegründet, in welchen u.a. die staatliche Elektrizitätsgesellschaft DEI, die Wassergesellschaften von Thessaloniki und Athen (EYATH und EYDAP), die Baugesellschaft von U-Bahn- und Straßenbahnlinien (Attiko Metro) sowie der Fahrzeughersteller ELVO eingebracht wurden. Bis 2018 sind Gesamteinnahmen von 6 Mrd EUR geplant, die zur Schuldentilgung verwendet werden.

Eine Wirtschaft im Wandel

Die Bauwirtschaft war für Griechenland im vergangenen Jahrzehnt der bedeutendste Wirtschaftssektor – resultierend aus dem olympischen Bauprogramm und den Fördermitteln der EU. Mit dem Ausbruch der griechischen Staatsschuldenkrise und der sich daraus ergebenden restriktiven Kreditvergabe der Banken verlor der Sektor jedoch immer mehr an Bedeutung. Nun geht man davon aus, dass die geplanten Infrastrukturprojekte, die teilweise von der EU kofinanziert werden, auch dem Bausektor sowie dem Maschinen- und Anlagenbau positive Impulse geben. Eine weitere Unterstützung erfährt der Maschinenbau durch die Bereitstellung von EU-Fördergeldern. Eine leichte Erholung des Sektors zeichnet sich bereits ab. So stieg von Januar bis März 2017 die Produktion von Maschinen um rund 8,4% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Die griechischen Maschinenexporte erhöhten sich in den ersten neun Monaten um 3,3%.

Anstelle der Bauwirtschaft hat die Dienstleistungsindustrie in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung ge-wonnen. Der Sektor erwirtschaftet rund 80% des Bruttoinlandsprodukts. Dabei sind der Tourismus, die Gastronomie und der Handel die stärksten Felder. Der Tourismus und die mit ihm verbundenen Unternehmen machen mittlerweile ein Viertel des Bruttoinlandprodukts Griechenlands aus und sorgten bisher für mehr als 210.000 neue Arbeitsplätze.

Die verarbeitende Industrie ist der zweitstärkste Zweig der griechischen Wirtschaft. In der Lebensmittel-, Getränke- und Tabakindustrie, die rund 36% zur Industrieleistung beitragen, arbeitet ein Drittel aller Arbeitnehmer des Bereichs. Darüber hinaus nehmen Branchen wie Textil, Elektronik, Papier, Kunststoffe, Telekommunikation und Maschinenbau beständig weiter Fahrt auf. Die Bruttoanlageinvestitionen werden gemäß EU-Erwartungen 2017 um 6,3% steigen. Eine weitere Erholung der griechischen Wirtschaft wird nach der Aufhebung der im Juli 2015 eingeführten Kapitalverkehrskontrollen erwartet, die Ende 2017 erfolgen soll.

Handelsbeziehungen im Aufwind

Die Wirtschaftskrise in Griechenland hinterließ auch im Außenhandel ihre Spuren. Griechenlands Handelsdefizit ging in den Krisenjahren zwischen 2010 und 2015 um 43% zurück. Während die Importe in diesem Zeitraum um etwa 16,5% nachließen, legten die Exporte um rund ein Fünftel zu.

Griechenlands wichtigster Handelspartner ist traditionell Deutschland, gefolgt von Italien und Korea (Rep.). Fast ein Drittel der importierten Kfz sowie ein Viertel der Arzneimittel stammen aus Deutschland. In den ersten acht Monaten 2017 stiegen die deutschen Exporte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 4,0% auf 3,4 Mrd EUR, die deutsche Einfuhr aus Griechenland sank um 2,5% auf 1,2 Mrd EUR.

2016 betrugen die griechischen Exporte insgesamt 25,4 Mrd EUR. Hauptziel der griechischen Exporte bleiben die EU-27, allen voran Italien und Deutschland mit einem Anteil von 11% bzw. 8% am Gesamtexport. Weitere bedeutende Exportziele sind die Balkanstaaten, die Türkei, Afrika, der Mittlere Osten, Asien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Russland sowie Nord- und Südamerika.

In der griechischen Exportstatistik stellen verarbeitete Erdölprodukte die mit Abstand wichtigste Warengruppe dar, diese machen über 27% der Ausfuhren aus. Darüber hinaus zählen nichteisenhaltige Metalle, insbesondere Aluminium, medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse sowie Nahrungsmittel zu weiteren, wichtigen Exportgütern. Insgesamt verzeichneten die griechischen Exporte in den ersten drei Quartalen 2017 ein Plus von 13,5% gegenüber der Vorjahresperiode. Ohne Erdölprodukte stiegen sie um 6,5%. Der Gesamtexport soll 2017 um 6,4% und 2018 um 8,3% steigen.

Die griechischen Wareneinfuhren stiegen in den ersten drei Quartalen 2017 um 15,6% im Vergleich zur Vorjahresperiode auf 37,2 Mrd EUR. Das hohe Wachstum ist auf die Importe von Erdgas und Erdöl (+40,6%) sowie von Schiffen (+67,4%) zurückzuführen. Ohne Berücksichtigung dieser Warengruppen verzeichneten die Einfuhren ein Plus von rund 6,2%. Erdöl macht rund ein Fünftel des gesamten Imports aus. Weitere Einfuhrgüter sind medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse, Nahrungsmittel und Kraftfahrzeuge. Im laufenden und kommenden Jahr sollen die Wareneinfuhren weiter steigen. Die Europäische Kommission prognostiziert einen Anstieg von 6,4% für 2017 und ein weiteres Plus von 7,3% für 2018.

Vielfältige Chancen für Investoren

Der Aufschwung und der positive Ausblick haben Griechenland auch als Schuldner an den Kapitalmärkten wieder attraktiver gemacht. Dies wird auch von den Ratingagenturen honoriert. Moody’s hob das Rating des Landes im Juni von „Caa3“ auf „Caa2“ an, Standard & Poor‘s (S&P) erhöhte zugleich den Ausblick von „stabil“ auf „positiv“, und Fitch benotet seit August Griechenland mit „B“ statt mit „CCC“. Für Griechenland ist es wieder möglich geworden, Geld an den Kapitalmärkten zu beschaffen. So hat die National Bank of Greece Anfang Oktober erstmals seit drei Jahren einen Pfandbrief erfolgreich am Kapitalmarkt platziert und 750 Mio EUR eingenommen. Diese Emission ist bei Investoren auf großes Interesse gestoßen, die Papiere mit einer dreijährigen Laufzeit und mit einem Zinscoupon von 2,75% waren dreifach überzeichnet. Nun bereitet die Eurobank ebenfalls die Ausgabe eines Pfandbriefs vor und rechnet mit einer ebenso großen Nachfrage.

Die sich abzeichnende Erholung Griechenlands eröffnet deutschen Unternehmen viele Möglichkeiten. So plant z.B. das deutsch-griechische Konsortium Fraport-Slentel, bis 2020 rund 400 Mio EUR in den Ausbau und die Modernisierung der 14 regionalen Flughäfen zu investieren. Darüber hinaus will die Betriebsgesellschaft des Hafens von Piräus fast 300 Mio Euro in Liegeplätze für Kreuzfahrtschiffe, in neue Hotels sowie in Einkaufszentren investieren. Ein weiteres größeres Projekt ist der Ausbau der Metro in Athen und in Thessaloniki, der 2020 beendet sein soll.

Zusätzliche Chancen ergeben sich in der Abfall- und in der Energiewirtschaft, im Straßen- sowie im Maschinenbau. Das griechische Milchunternehmen Kri Kri will zwischen 2017 und 2019 rund 10 Mio EUR in seine Maschinenausrüstung investieren. Die Brauerei EZA (Hellenic Brewery of Atalanti) investierte rund 12 Mio EUR in eine neue Produktionslinie für Glasflaschen, die 2017 den Betrieb aufgenommen hat.

Im Sektor der erneuerbaren Energien konzentrieren sich einige griechische Unternehmen wie Terna Energeiaki, Mitilineos, Kopelouzos und J&P Avax auf den Bau von Windparks. Hier ist eine Gesamtkapazität von 1.400 MW geplant. Dabei handelt es sich um Projekte, die bereits lizenziert sind oder bei denen sich die Investoren die Einspeisetarife gesichert haben.

Zudem gewinnt die mineralölverarbeitende Industrie an Bedeutung. Die Förderung von Erdöl in Westgriechenland ist ein wichtiges Vorhaben in diesem Sektor. Das Konsortium um das griechische Erdölunternehmen Energean Oil & Gas, das britische Unternehmen Trajan Oil & Gas und den niederländischen Konzern Schlumberger will 2017 Studien für die Erdölförderung in Katakolo, Westgriechenland, vorlegen. Es ist geplant, dort insgesamt 10 Mio Barrel Erdöl zu fördern. Mit der ersten Offshorebohrung möchte das Konsortium 2018 beginnen.

Darüber hinaus sollen 1,5 Mrd EUR in den Ausbau des Breitband- und Glasfasernetzes bis 2020 investiert werden. Davon entfällt 1 Mrd EUR auf die ehemals staatliche Gesellschaft OTE, deren größter Anteilseigner die Deutsche Telekom ist. Die Anbieter Wind Hellas und Vodafone tragen mit 500 Mio EUR zur Investitionssumme bei.

Dass ausländische Investoren im Land aktiv werden, ist ein Indiz für die Erholung Griechenlands. Für die weitere Belebung der Handelsbeziehungen fehlt es allerdings noch an der Bereitschaft der westlichen Banken, auch unbesicherte Finanzierungen darzustellen. Bisher werden Exporte aus und Importe nach Griechenland mit Hilfe von EBRD- bzw. IFC-Garantien besichert.

Markt mit Perspektive

Die spürbare Belebung der griechischen Wirtschaft, die wiedererlangte Möglichkeit der Geldbeschaffung an den Kapitalmärkten, die erwartete Lockerung der Kapitalkontrollen sowie die zahlreichen Infrastrukturprojekte sind positive Signale für Griechenland. Deutsche Investoren können von der sich entspannenden Lage in Griechenland profitieren. Eine vollständige Erholung wird sicher nicht über Nacht kommen. Sollte es Griechenland aber gelingen, die beschlossenen EU-Auflagen umzusetzen, werden sich die positiven Effekte in einer deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den kommenden 18 bis 24 Monaten zeigen. Griechenland muss in der Lage sein, ohne das European-Stability-Mechanism-Programme (ESM) zu bestehen. Langfristig und aus eigener Kraft. Das ist das Ziel.

ODDO BHF pflegt historisch gewachsene Beziehungen zu den wichtigsten Banken vor Ort in Griechenland sowie zu zahlreichen Korrespondenzbanken in den Emerging Markets. Als erfahrener Außenhandelsfinanzierungspartner steht das Institut Griechenland offen gegenüber und begleitet sowohl deutsche als auch ausländische exportorientierte Unternehmen bei der Umsetzung und Absicherung ihrer Handelsgeschäfte mit Griechenland. Deutsche Investoren können mit der Bank prüfen, wie sie im EU-Wachstumsland von morgen aktiv werden können.

andrejana.waechter@bhf-bank.com

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