Namibias Finanzlage wird sich aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs und der für die Bekämpfung der aktuellen Krise erforderlichen erheblichen Finanzmittel weiter eintrüben. Gleichwohl hat Namibia den IWF seit seinem Beitritt im Jahr 1990 kein einziges Mal um Hilfe ersucht, und auch bei der Bekämpfung von Covid-19 wurde keine IWF-Unterstützung beantragt.

Der Covid-19-bedingte Einbruch der weltweiten Wirtschaftstätigkeit wird Namibia ins vierte Rezessionsjahr seit 2016 stürzen. Aufgrund des damit einhergehenden Rückgangs von Exporterlösen und Einnahmen aus der Zollunion des südlichen Afrika (SACU) dürften die öffentliche Schuldenquote und die Auslandsverschuldung weiter zu-nehmen. Gleichzeitig steigen die Schuldendienstverpflichtungen gegenüber dem Ausland auf ein nicht länger tragfähiges Niveau.

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Bis Ende Juni 2020 zählte Namibia lediglich 183 bestätigte Covid-19-Infektionen (keine Todesfälle). Dennoch rief die Regierung den nationalen Notstand aus und leitete Eindämmungsmaßnahmen ein: Social Distancing, Home-Office-Initiativen (einschließlich einer 21-tägigen Sitzungspause für das  Parlament), Lockdowns in einigen Regionen sowie Reiseverbote für Besucher aus Hochrisikoländern und Screeninguntersuchungen bei Einreise.

Der pandemiebedingte Einbruch der weltweiten Wirtschaftstätigkeit wird Namibia 2020 in ein weiteres Rezessionsjahr stürzen, es wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,5% erwartet. Vor allem die Ausfuhr von Diamanten und Uran sowie der Tourismus leiden unter der weltweiten Nachfrageschwäche. Auch die Zolleinnahmen der SACU gingen zurück. Zudem  wurden die Konsumausgaben während des Lockdowns deutlich verringert. Dieser Einbruch der Exporterlöse in Kombination mit einem Rückgang der öffentlichen und privaten Investitionen erklärt die beträchtliche Korrektur der Wachstumsprognose in-folge des Covid-19-Ausbruchs. Das für 2021 vom IWF vorausgesagte BIP-Wachstum von 3,2% dürfte sich als zu optimistisch erweisen und könnte je nach Dauer und Intensität der Covid-19-Epedimie, insbesondere in Afrika, nach unten korrigiert werden.

Bereits im vergangenen Jahr erlebte Namibia eine Rezession, die auf einen Rückgang des Diamantenabbaus (Schließung der Mine Elisabethbucht) sowie eine schwere Dürre mit Folgen für die Agrarproduktion zurückzuführen war. Privatkonsum und Sparquote litten unter der extremen Arbeitslosigkeit (33% der Erwerbsbevölkerung). Das reale BIP sank 2019 um 1,4% gegenüber dem Vorjahr.

2020 sollten der Anstieg des Offshorediamantenabbaus und die Wiederbelebung des Uranabbaus für wirtschaftliche Erholung sorgen und das Land nach vorne bringen. Namibia sollte sogar zum drittgrößten Uranproduzenten der Welt aufsteigen. Zu Jahresbeginn 2020 wurden diese Pläne jedoch vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie vereitelt.

Außenhandelsbilanz bereits vor Covid-19 unter Druck

Covid-19 wirkt sich in zweifacher Hinsicht auf die Leistungsbilanz aus: Zum einen ist mit einem Rückgang der Exporterlöse zu rechnen, zum anderen werden auch die Importkosten angesichts niedriger internationaler Ölpreise und gesunkener investitionsbedingter Kosten deutlich abnehmen.

Schlechte Wirtschaftspolitik und eine steigende Risikoaversion unter globalen Investoren ließen auch den Kapitalzufluss ausländischer Direkt- und Portfolioinvestitionen seit 2018 sinken, die Kapitalbilanz verschlechterte sich. Die Währungsreserven Namibias sind strukturell recht niedrig und deckten im Februar 2020 lediglich 2,4 Monatsimporte ab.

Das Verhältnis des Leistungsbilanzdefizits zum BIP lag zwischen 2014 und 2016 aufgrund der umfangreichen Investitionsoffensive und niedrigerer internationaler Rohstoffpreise bei durchschnittlich rund 25% des BIP (offizielle Transfers ausgenommen). Zur Finanzierung der steigenden Leistungsbilanzdefizite zog Namibia umfangreiche ausländische Direktinvestitionen an und emittierte 2011 und 2015 Eurobonds, wobei es von der damaligen hohen Liquidität auf dem globalen Kapitalmarkt profitierte. Namibia erhielt zudem Einnahmen aus der SACU (2019 etwa 11% des BIP), die einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung leisteten.

Das Leistungsbilanzdefizit schwächte sich 2018 und 2019 auf etwa 12% des BIP ab (32% der Leistungsbilanzeinnahmen). Unter Einbeziehung der Einnahmen aus offiziellen Transfers (vorwiegend SACU) blieb das Leistungsbilanzdefizit Namibias in den Jahren 2018 und 2019 recht be-grenzt (2,7% bzw. 2,3% des BIP).

Bedienung der Auslandsschulden gefährdet

Der Namibische Dollar hat aufgrund der Abwärtsspirale des Südafrikanischen Rand (SAR), an den er gebunden ist, die Hälfte seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren. Die Auslandsschulden nahmen durch Kapitalzuflüsse aus der Emission von Eurobonds weiter zu. Das Verhältnis der Auslandsverschuldung zum BIP stieg von 31% im Jahr 2010 auf 63% im Jahr 2019. 2020 dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen. Gleichzeitig liegt mehr als die Hälfte dieser Schulden beim Privatsektor. Namibia gehört zur Ländergruppe mit gehobenem mittlerem Einkommen und war über viele Jahre ein geschätzter Schuldner.

Namibias Finanzlage wird sich aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs und der für die Bekämpfung der aktuellen Krise erforderlichen erheblichen Finanzmittel weiter eintrüben. Gleichwohl hat Namibia den IWF seit seinem Beitritt im Jahr 1990 kein einziges Mal um Hilfe ersucht, und auch bei der Bekämpfung von Covid-19 wurde keine IWF-Unterstützung beantragt.

Dennoch liegt die von der Tilgung der Auslandsverbindlichkeiten ausgehende finanzielle Belastung seit 2015 bei über 20% der Leistungsbilanzeinnahmen und stieg 2019 auf 39% (31% der Leistungsbilanzeinnahmen einschl. offizieller Transfers). 2020 und 2021 dürften die Schuldendienstkosten über ein tragfähiges Niveau hinausgehen und das Land in die schlimmste finanzielle Lage seit seiner Unabhängigkeit stürzen.

Stabiles politisches System wird mit Haushaltsengpass konfrontiert

Während Namibia zwischen 2014 und 2019 erhebliche Haushaltsdefizite aufwies (durchschnittlich 6% des BIP), hat sich auch die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung deutlich verschlechtert. Jahrelang hat der Staat im In- und Ausland hohe Kredite aufgenommen, was die Gesamtverschuldung 2019 auf 56% des BIP anschwellen ließ (von 28% des BIP im Jahr 2014). Über die Hälfte dieser Schulden wird im Inland gehalten und lautet auf Namibische Dollar oder Südafrikanische Rand.

Angesichts eines starken Anstiegs des Haushaltsdefizits im Jahr 2020 wird damit gerechnet, dass die Staatsverschuldung in diesem Jahr auf geschätzte 67% des BIP und 2021 auf 68% des BIP emporschnellen wird (über 200% der Staatseinnahmen von 2021). Die Regierungspartei SWAPO (South West Africa People’s Organisation) ist seit 1990 an der Macht und dürfte ihre dominante Rolle auch künftig behalten, nachdem Präsident Hage Geingob 2019 für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren wiedergewählt wurde. Obwohl Namibia seit den frühen 90er Jahren merkliche Fortschritte bei der Armutsbekämpfung erzielt hat, zählt es weltweit zu den ­Ländern mit der höchsten Ungleichheit, und 33% der Erwerbsbevölkerung sind arbeitslos.

Der linksradikale Flügel der SWAPO plädiert für Landreformen und eine Umverteilung des Wohlstands, um die dreifache Herausforderung durch hohe Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit zu bewältigen. 2019 rief Präsident Geingob aufgrund der extremen Dürre den Notstand aus. Eine halbe Million Namibier sind derzeit von Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit bedroht, was umfangreiche Hilfsmaßnahmen notwendig macht.

Die sukzessive Verschlechterung der ­wirtschaftlichen und finanziellen Indikatoren Namibias hat Credendo in den ­Jahren 2015, 2019 sowie im Mai 2020 zu einer Herabstufung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos veranlasst. Damit ist das Risiko dieser einst prosperierenden afrikanischen Volkswirtschaft nunmehr in der zweithöchsten Kategorie 6/7 eingestuft (während es vor 2015 bei 3/7 lag).

Weitere Länderinformationen finden Sie auch auf www.credendo.com.

K.Koch@credendo.com

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