Die Aussichten in Chinas Einzelhandel sind nach wie vor gut. Die fortschreitende Urbanisierung und der zunehmende individuelle Wohlstand, vor allem unter der jungen arbeitenden Bevölkerung, beflügeln die Nachfrage nach Hausgeräten und Möbeln. Doch im Non-Food-Einzelhandel wächst der Margendruck, der insbesondere für kleinere Unternehmen schwer zu verkraften ist. Atradius verfolgt eine offene Zeichnungspolitik gegenüber Abnehmern der Branche. Wir beurteilen jedes Unternehmen individuell.

Von Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung

Nach einem Plus von 7,9% im Jahr 2013 wird das Bruttoinlandsprodukt Chinas laut einer Prognose von IHS Global Insight 2014 voraussichtlich real um 7,5% wachsen. Die wirtschaftliche Neuausrichtung des Landes wird ein langsamer, schmerzlicher Prozess, und die Wachstumsraten werden in den kommenden Jahren weiter zurückgehen. Doch in Chinas Einzelhandel sind die Aussichten angesichts zweistelliger Wachstumsraten nach wie vor gut. Die Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 erleichterte ausländischen Einzelhändlern den Marktzutritt. Sie bedienen in erster Linie junge, aufstrebende Verbraucher und haben einen großen Anteil am Wachstum des Einzelhandels. Das Bevölkerungswachstum und der zunehmende individuelle Wohlstand werden die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern beflügeln. Allerdings herrscht im Non-Food-Einzelhandel ein hoher Wettbewerbs- und Margendruck.

Der Einzelhandelsumsatz mit Haushaltsgeräten profitierte 2013 von der guten Entwicklung am Immobilienmarkt und stieg um 14,2% im Jahresvergleich auf 1,284 Bio Yuan (153 Mrd EUR). Dank der staatlichen Förderung stromsparender Haushaltsgeräte, die bis zum 31. Mai 2013 galt, verzeichnete der chinesische Markt für Haushaltsgeräte vor allem in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 ein beachtliches Wachstum.

In der zweiten Jahreshälfte 2013 schrumpften dann die Erträge in der gesamten Branche, vor allem bei den Anbietern von Klimaanlagen, Kühlschränken und Waschmaschinen. Der hohe Konkurrenzdruck belastet die Margen der Einzelhändler. Die massiven Preisnachlässe setzen zunehmend auch die Lieferanten unter Druck. Zudem heizt der wachsende Internethandel den Wettbewerb an und lässt die Margen schrumpfen. In Anbetracht der vergleichsweise hohen Kosten für Löhne und Gewerbeflächen wird es für die Unternehmen immer schwieriger, kostendeckend zu arbeiten. Darüber hinaus belastet auch der kapitalintensive Onlinehandel die Rentabilität der führenden Einzelhändler.

Trotzdem haben die Haushaltsgerätehersteller im Allgemeinen immer noch eine vergleichsweise solide Finanzlage, da es sich bei den meisten Anbietern um Großunternehmen handelt. Doch sehen sich viele Hersteller von langlebigen Konsumgütern im unteren Preissegment gezwungen, ihre Preise anzuheben, um angesichts der steigenden Produktionskosten noch rentabel arbeiten zu können. Im Export lassen sich 2014 allenfalls durch eine Optimierung des Produktangebots Zuwächse erzielen. Die chinesischen Hersteller der Branche müssen in moderne Produktionstechnik und in Produktinnovationen investieren, wenn sie weiterhin konkurrenzfähig bleiben wollen.

Nach Angaben des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie stieg der Umsatz der heimischen Möbelindustrie im Zeitraum Januar bis November 2013 um 13,6% im Jahresvergleich. Seit einigen Jahren leisten sich chinesische Verbraucher mehr Möbel, weil sich der Lebensstandard kontinuierlich verbessert und das verfügbare Einkommen steigt. Die Nachfrage nach Möbeln ist eng an die Entwicklung des chinesischen Immobilienmarktes gekoppelt: Die führenden Wirtschaftsplaner des Landes rufen die Kommunen dazu auf, den Bau von bezahlbarem Wohnraum zu fördern, was 2013 auch geschehen ist.

Doch gleichzeitig hat sich das Wachstum des chinesischen Wohnimmobilienmarktes etwas verlangsamt, nachdem der Staat Maßnahmen zur Eindämmung von Spekulationen und zur Preiskontrolle eingeleitet hat. Die Lage am Wohnungsmarkt wird sich 2014 kaum ändern. Dagegen hat der Bauboom in vielen Großstädten des Landes zu einem deutlich gestiegenen Angebot an Gewerbeimmobilien geführt. In der Folge stieg auch die Nachfrage nach Büroeinrichtungen. Die Anbieter von Büromöbeln im mittleren und oberen Preissegment erleben derzeit einen Boom. Die Anbieter von Hoteleinrichtungen profitieren ihrerseits von der Entwicklung der Tourismusbranche, die den Neubau und die Modernisierung von Hotels nach sich zieht.

Maßgefertigte Möbel (Marktanteil: 10%)liegen voll im Trend. Anders als Hersteller von Standardware können Betriebe, die Maßanfertigung anbieten, in der Regel höhere Preise verlangen, und sie erzielen auch einen höheren Stückgewinn. Da nach Maß gefertigte Möbel mit individuellem Stil den Bedürfnissen junger Menschen entgegenkommen, bestehen für dieses Segment gute Wachstumschancen.

Zahlungsverhalten unverändert Rechnungen werden in der Branche im Durchschnitt nach 45 bis 90 Tagen beglichen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Zahlungsverzögerungen in nächster Zeit wesentlich zunehmen werden. Gelegentlich auftretende Zahlungsverzögerungen haben meistens mit Verhandlungstricks zu tun und sind seltener auf Liquiditätsprobleme zurückzuführen. Die Insolvenzrate in diesem Segment des Einzelhandels ist im Vergleich zu anderen chinesischen Wirtschaftszweigen sehr niedrig. Daran wird sich in nächster Zeit nichts ändern.

Wir beobachten insbesondere die Unternehmen mit geringeren Umsätzen, die trotz schwacher Finanzlage große Beträge in ihre Onlineplattformen investieren.
Sie könnten schnell in eine finanzielle Schieflage und im schlimmsten Fall in die Insolvenz geraten, wenn nicht rechtzeitig wirksame Maßnahmen ergriffen werden.

Gegenüber Abnehmern der Branche verfolgen wir grundsätzlich eine offene Zeichnungspolitik. Wir beurteilen Abnehmer aus der Branche von Fall zu Fall. Dabei prüfen wir in erster Linie die Eigentumsverhältnisse des betreffenden Unternehmens sowie die Auftragsbücher und die Geschäftszahlen. Weniger Einschränkungen machen wir bei der Absicherung von Geschäften mit Großunternehmen, finanzstarken Konzernen und Unternehmen, die sich in staatlicher Hand befinden. Dennoch lassen wir uns vor der Absicherung größerer Beträge im Zweifelsfall Referenzen geben. Vorsichtiger sind wir bei kleinen und mittelständischen Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil, da die Gefahr besteht, dass die Banken ihre Kreditvergabepolitik verschärfen könnten.

Eine ausführliche Darstellung des Zahlungsverhaltens in Chinas Einzelhandel steht im MarktMonitor (03/14) unter www.atradius.de zum kostenlosen Download bereit.

Kontakt: thomas.langen[at]atradius.com

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