In den letzten Monaten rückte die von der EU-Kommission geplante verpflichtende Umstellung des europäischen Zahlungsverkehrs auf SEPA (Single Euro Payments Area) in den Fokus der veröffentlichten Meinung. Die Lager sind dabei gespalten zwischen Befürwortern, die SEPA als Chance für in Europa tätige Unternehmen sehen, und Skeptikern, die einen erheblichen Aufwand ohne ausreichenden Nutzen für Banken und Unternehmen befürchten. Am Beispiel der SEPA-Lastschrift sollen beide Seiten beleuchtet werden.

Von Kees Hoving, Leiter Trade Finance/Cash Management Corporates in Deutschland, Deutsche Bank AG

Zunächst ist festzuhalten, dass SEPA eine politisch getriebene Initiative der EU-Kommission ist, mit dem Ziel, einen einheitlichen und preisgünstigen Euro-Zahlungsverkehr in Europa zu ermöglichen und den EU-weiten Wettbewerb zu fördern. Diese Initiative wird im Rahmen der Realisierung des Europäischen Binnenmarktes von politischer Seite derzeit mit Hochdruck vorangetrieben.

Der Kern von SEPA ist die Einführung einheitlicher Standards und Verfahren für die SEPA-Überweisung und Lastschrift. Wo heute in den 31 SEPA-Ländern vollkommen unterschiedliche Instrumente mit jeweils anderen technischen Vorgaben, Prozessen und Infrastrukturen bestehen, werden diese über ganz Europa vereinheitlicht. Die Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmen, die europaweit aktiv sind, müssen sich nicht mehr unterschiedlichen praktischen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen, sondern können dieselben Verfahren im gesamten SEPA-Raum nutzen.

Einer der Hauptkritikpunkte an SEPA ist, dass es nicht gelungen sei, sogenannte „best of breed“-Produkte zu schaffen, d.h. Verfahren, die gegenüber den heutigen nationalen Verfahren einen Mehrwert bieten oder zumindest gleich gut sind. Dies betrifft weniger die Überweisungen, die in den meisten Ländern bereits heute sehr ähnlich sind. Bei der Lastschrift hingegen sind die Verfahren der einzelnen Länder heute so unterschiedlich, dass die Umstellung auf den gemeinsamen Nenner SEPA bedeutet, dass sich einige gewohnte Elemente der nationalen Verfahren für den Nutzer nicht wiederfinden.

Das Problem des „best of breed“-Ansatzes ist, dass es hier meist nicht um objektive Kriterien geht, sondern um über viele Jahre in den einzelnen Ländern entwickelte Marktpraktiken. Dies lässt sich für Deutschland am Beispiel des Fälligkeitsdatums beschreiben: Bei der SEPA-Lastschrift ist ein Fälligkeitsdatum vorgesehen, während wir heute mit Sichtlastschriften arbeiten. Objektiv ist ein Fälligkeitsdatum sinnvoll, da das Belastungsdatum vom Einreicher vorgegeben wird und auf dieser Basis alle übrigen Fristen präzise kalkuliert werden können.

Jedoch haben sich in Deutschland auf der Sichtlastschrift basierende Geschäftsmodelle entwickelt, beispielsweise bei Kapitalanlagegesellschaften oder im Online-Handel, die mit dem Konzept des Fälligkeitsdatums nicht mehr funktionieren. In solchen Fällen sollten sich die nationalen Umsetzungsgremien zusammen mit den betroffenen Nutzergruppen bemühen, pragmatische Lösungen zu finden.

So banal es klingen mag: Für Exporteure ist der größte Vorteil der SEPA-Lastschrift, dass es sie gibt. Bis zu ihrer Einführung gab es kein Zahlungsinstrument, mit dem Forderungen grenzüberschreitend un-kompliziert eingezogen werden konnten. Unternehmen, die Lastschriften nutzen wollten, mussten daher Konten im Ausland führen und die dortigen unbekannten und teils komplexen Verfahren nutzen. Nun können sie aus einem zentralen Konto Euro-Forderungen im gesamten SEPA-Raum per Lastschrift einziehen. Die Erfahrungen der ersten Monate zeigen, dass dies insbesondere im grenznahen Bereich bereits genutzt wird, wo Unternehmen den Vertrieb ihrer Produkte und den Einzug der entsprechenden Forderungen nun in angrenzende Regionen ausweiten.

Ein weiterer Nutzen kann sich aus der SEPA-Firmenlastschrift ergeben: Im Ge-gensatz zum Basisverfahren (vergleichbar mit dem deutschen Einzugsermächtigungsverfahren) gibt es bei der Firmenlastschrift (entsprechend unserem Abbuchungsauftragsverfahren) kein Widerspruchsrecht des Schuldners nach Belastung – sie kann deshalb auch nur gegenüber Unternehmen genutzt werden. Damit bietet dieses Instrument eine sehr viel höhere Sicherheit, als die im Konsumentengeschäft übliche Basislastschrift, die bis zu acht Wochen nach Fälligkeit zurückgegeben werden kann. Anders als in Deutschland und Österreich gibt es heute wenige Länder, in denen ein solches spezielles Firmenverfahren existiert, das eine Rückgabe durch den Schuldner ausschließt. Wegen dieses Ausschlusses wird die Nutzung naturgemäß auf Kundenbeziehungen und Branchen be-schränkt sein, bei denen dies seitens der Schuldner akzeptiert wird. Das rege Interesse von Unternehmen an diesem Verfahren zeigt jedoch, dass die Vorteile deutlich erkannt und entsprechende Chancen gesehen werden.

Ein SEPA-Pilotkunde der Deutschen Bank mit über 80.000 Unternehmenskunden in Europa nutzt das Firmenverfahren als europaweit erstes Unternehmen bereits seit der Einführung im November 2009. Der Kommentar des Treasurers fasst die Vorteile zusammen: „Mit so vielen Unternehmenskunden in ganz Europa bietet uns die SEPA Firmenlastschrift die lange erwartete Gelegenheit, unsere europäischen Forderungseinzüge zu beschleunigen und die Prozesse zu verschlanken“.

Einer der großen Vorteile von SEPA ist, dass alle Euro-Zahlungen und Einzüge in allen SEPA-Ländern über ein einziges Konto abgewickelt werden können. So kann beispielsweise ein spanisches Unternehmen seine spanischen und sonstigen europäischen Kunden aus einem Konto in Deutschland bezahlen bzw. von ihnen einziehen. Der SEPA-Raum ist also wie ein großer lokaler Zahlungsverkehrsmarkt zu betrachten.

Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten zur Prozessoptimierung durch SEPA. In den letzten Jahren sind immer mehr Unternehmen dazu übergegangen, die Abwicklung ihrer Zahlungen in Payment Factories zu konzentrieren. Üblicherweise war in der Vergangenheit der Forderungseinzug davon ausgenommen, da dies durch die verschiedenen nationalen Einzugsverfahren kaum praktikabel war. Mit SEPA wird eine solche Zentralisierung nun möglich, da die SEPA-Formate – Überweisung und Lastschrift – eigene Felder vorsehen, mit denen abweichende Auftraggeber bzw. Begünstigte vorgegeben werden können. Damit könnten in Zukunft neben den Payment Factories auch Collection Factories und kombinierte Modelle entstehen.

Banken müssen spätestens am 1. November dieses Jahres für die SEPA-Lastschrift erreichbar sein. Unternehmen, die bisher mit der Nutzung der SEPA-Lastschrift gewartet haben, weil sie nicht sicher sein konnten, alle Schuldner über deren Banken zu erreichen, können dann mit dem Einzug per SEPA-Lastschrift beginnen.

Aber auch Unternehmen, die sich bisher mit dem Thema SEPA nicht befasst haben, sollten dies bald tun: die Europäische Kommission plant in Kürze einen Verordnungsentwurf vorzulegen, mit dem verbindliche Enddaten für die SEPA-Umstellung gesetzt werden. Nach derzeitigem Stand sieht der Entwurf ein Enddatum für die nationalen Überweisungsverfahren frühestens Ende 2012 und für die Lastschriftverfahren frühestens Ende 2013 vor. Dies lässt zwar noch etwas Zeit, aber abhängig von den technischen Gegebenheiten und der Struktur eines Unternehmens sind teilweise erhebliche Vorbereitungen notwendig. Die Deutsche Bank wird dabei ihren Kunden helfen, den Umstellungsaufwand so gering wie möglich zu halten, beispielsweise durch Formatkonvertierung, Mandatsverwaltung und andere Mehrwertdienstleistungen.

Es wäre aber schade, neben der rein technischen Vorbereitung SEPA nicht auch als Chance zu nutzen, heute verwendete Zahlungsmethoden und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen, um einen strategischen Nutzen aus dieser Initiative zu ziehen. Die Deutsche Bank hat mit ihrer ausgeprägten SEPA-Expertise bereits eine Reihe solcher strategischer Projekte europäischer Unternehmen erfolgreich begleitet.

Kontakt: kees.hoving[at]db.com

14 replies on “Chashmanagement in Europa- die SEPA- Lastschrift”

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