Die Sicht auf die arabischen Länder und den Iran ist oft von Kriegen und dem islamistischen Terror überlagert. Der niedrige Ölpreis stellt eine zusätzliche Belastung für die Region dar. Dennoch gibt es für deutsche Unternehmen viele chancenreiche Märkte in ­Nordafrika und dem Nahen Osten. Ägypten verfolgt umfassende Entwicklungspläne, und zum Iran entstehen neue Verbindungen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien bleiben interessante Wirtschaftspartner.

von Thomas Schröder, Abteilungsdirektor Strukturierte Außenhandelsfinanzierung, BHF-BANK

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Die Abkürzung MENA steht für Middle East & North Africa, eine Region, die, im Westen mit Marokko beginnend, alle arabischen Staaten umfasst und zudem auch Israel und im Osten den Iran einschließt. Welche Länder hinzuzählen, ist nicht genau definiert, zuweilen werden auch die Türkei und der Sudan mit aufgenommen, was hier jedoch nicht der Fall sein soll.
Im Gebiet zwischen Casablanca und Teheran leben rund 380 Millionen Menschen. Für die Staaten der MENA-Region sind fast durchweg ein starkes Bevölkerungswachstum und ein sehr hoher Anteil von Bewohnern unter 30 Jahren an der Gesamtbevölkerung charakteristisch. Viele junge Menschen sind ohne Arbeit, ein Faktor, der politische Radikalisierung begünstigt.

Die große Bedeutung von MENA für die Weltwirtschaft resultiert aus den gewaltigen Vorkommen an Energieträgern. Gut zwei Drittel der bekannten Erdölreserven und nahezu die Hälfte der bekannten Erdgasvorkommen befinden sich in der Region.
Volkswirtschaften sind oft von ­Erdöl- und Erdgasexporten bestimmt
Die Förderung und der Export von Erdöl und Erdgas sind für viele Staaten in Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel sowie im Nahen und Mittleren Osten die Haupteinnahmequelle. Saudi-Arabien ist der größte Ölexporteur der Welt. Weitere führende Erdöl- und Erdgaslieferanten sind die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Qatar, der Irak und der Iran sowie Algerien und Libyen. Ein Großteil der Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ist in der MENA-Region beheimatet. Auch für den Transport von Öl und Gas per Schiff oder über Pipelines hat die Region große Bedeutung. Die riesigen Öltanker passieren bei ihrer Fahrt in alle Welt die Straße von Hormus und − sofern sie Europa ansteuern − oft den Suezkanal. Mehrere Erdgaspipelines verbinden Nordafrika mit Südeuropa. Einige Staaten, wie insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate, bereiten sich intensiv auf die Zeit nach Erdöl und Erdgas vor und investieren deshalb in Industrie und Bildung.

Das Wirtschaftswachstum in der Region stagnierte in den vergangenen Jahren bei Raten unterhalb von 3%. Wesentliche Gründe hierfür sind die gesunkenen Rohstoffpreise und die abgeschwächte Wirtschaftsentwicklung in vielen Teilen der Welt. Eine baldige Wachstumssteigerung ist vor diesem Hintergrund und angesichts der Kriege in Syrien, dem Irak, dem Jemen und Libyen unwahrscheinlich. Zudem ist die Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eine Belastung.

Das Verhältnis zwischen den schiitischen Persern und den sunnitischen Arabern ist angespannt. Zu Beginn des Jahres 2016 kam es zu einer Eskalation, die zu einer Resolution der Arabischen Liga wegen Übergriffen auf die Botschaft Saudi-Arabiens in Teheran und gegen die Politik des Irans in der Region führte.

Der Iran könnte wieder ein wichtiger Markt werden

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten könnte der Iran nach der im Januar von Europa und den USA beschlossenen Aufhebung eines Großteils der Wirtschaftssanktionen und der Freigabe von rund 100 Mrd USD, die auf Konten eingefroren waren, ein Impulsgeber werden. Der Iran will zurück auf den Erdölmarkt und ist bereit, für den Gewinn von Marktanteilen niedrige Preise hinzunehmen. Im Bereich der Öl- und Erdgasförderung besteht ein sehr großer Investitionsbedarf, Projekte für rund 30 Mrd USD wurden bereits ausgeschrieben. Ende Januar erhielt ein italienisches Unternehmen im Zuge der Europareise von Präsident Rohani einen 6-Mrd-EUR-Auftrag für die Modernisierung von Förderanlagen. Für die Lieferung von 118 Airbus-Flugzeugen wurden bereits Vorvereinbarungen getroffen. Auch beim Ausbau des Eisenbahnnetzes will der Iran kräftig investieren. Deutsche Wirtschaftsverbände erwarten in den nächsten Jahren Milliardengeschäfte für deutsche Unternehmen.

Die Offensive des Irans auf dem Erdölmarkt setzt Saudi-Arabien unter Druck. Die aufgrund des großen Angebots extrem niedrigen Preise haben Saudi-Arabien, das seine Staatseinnahmen überwiegend aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas bezieht, bereits gezwungen, die Preise für Benzin, Strom und Wasser zu erhöhen. Die Einführung einer Mehrwertsteuer wird erwogen, die Ausgaben für Infrastrukturinvestitionen wurden ge-kürzt, das Vorhaben, mehrere Fußballstadien zu errichten, wurde gestoppt.

Eine gute Wachstumsentwicklung ist für Ägypten und auch für Marokko zu verzeichnen. Marokko ist allerdings stark auf die landwirtschaftliche Produktion ausgerichtet und damit vom Wetter abhängig. Ägypten und Tunesien profitieren von gesunkenen Energiepreisen, leiden jedoch auf der anderen Seite unter Terroranschlägen, die dem Tourismus erheblichen Schaden zufügen. Beide Länder sind zudem durch den politischen Zerfall ihres Nachbarn Libyen bedroht. Der Libanon und Jordanien müssen durch die Aufnahme von Hunderttausenden Kriegsflüchtlingen aus Syrien große Lasten tragen.

Geschäftschancen für deutsche Unternehmen

Deutschland bezieht aus der MENA-Region den größten Teil seines Erdöls, Erdgasimporte spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Die MENA-Region bleibt trotz aller Schwierigkeiten ein lohnender Absatzmarkt für Exporteure aus Deutschland. Der derzeit wichtigste Markt für deutsche Unternehmen sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Autos, Maschinen sowie elektrotechnische und chemische Erzeugnisse werden dorthin exportiert. Rund 900 deutsche Unternehmen haben bereits einen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Mehrheit davon in Dubai und Abu Dhabi.

Mittelständischen Unternehmern bietet sich in der Region schon auf Basis des sehr guten Rufs von „Made in Germany“ ein gutes Entree. Ihre Produkte und Dienstleistungen sind in vielen Bereichen gefragt. Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben so zum Beispiel übergreifend großen Bedarf hinsichtlich des Ausbaus der Verkehrsnetze. Ägypten plant die starke Erweiterung der Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien.
Auch Saudi-Arabien investiert – trotz des niedrigen Ölpreises – weiter und bleibt damit für deutsche Unternehmen ein interessanter Markt. Vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Energie- und Wasserversorgung, Bildung und Gesundheit ist weiterhin mit staatlichen Investitionen zu rechnen. Zudem sind die Länder der MENA-Region dabei, ihre Lebensmittelindustrie zu entwickeln. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wird in diesem Zusammenhang ein Schwerpunkt auf die Herstellung von Milchprodukten gelegt.
Wie schon angesprochen, wird der Iran in den kommenden Jahren voraussichtlich wieder ein wichtiger Kunde der deutschen Industrie werden. Das bevölkerungsreiche Land verfügt über eine breit-aufgestellte Industrie, was für deutsche Zulieferer vielfältige Anknüpfungspunkte bietet. In der Autoindustrie, der Telekommunikation, der Gesundheitswirtschaft und bei der Verkehrsinfrastruktur soll in naher Zukunft investiert werden.

Fazit

Die Geschäftsmöglichkeiten in den Ländern der MENA-Region sind trotz der regionalen Kriege und des niedrigen Ölpreises vielfältig. Deutsche Unternehmer, die in der Region tätig werden möchten, sollten sich vorab sehr gut mit der Kultur und den Regeln des Geschäftslebens vertraut machen. Wichtig ist es zudem, einen potentiellen Geschäftspartner vor Ort richtig einschätzen zu können. Die Hilfe eines erfahrenen Außenhandelsfinanzierers wie der BHF-BANK kann dies erleichtern. Unter diesen Voraussetzungen können langfristige und sehr gute Geschäftsbeziehungen entstehen.

Kontakt: thomas.schroeder@bhf-bank.com

 

 

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