Das alte Ägypten hatte eine herausragende Kultur. Die mächtigen Pharaonen schufen das Weltwunder der Pyramiden und machten das Land im Norden Afrikas zu einer der bedeutendsten Mächte seiner Zeit. Mag das heutige Ägypten auch einiges vom Glanz dieser vergangenen Zeiten ­verloren haben, so lohnt es sich für Exporteure dennoch, die wirtschaftliche Entwicklung des Schwellenlandes im Blick zu behalten. Denn auch in der heutigen Zeit nimmt das Land aufgrund seiner geopolitischen Lage eine besondere Rolle ein.

Von Lutz Dunker, Senior Regional Manager/Director Financial Institutions – Emerging Markets, BHF-BANK

Ägypten befindet sich seit den Volks­erhebungen des arabischen Frühlings in einer sehr fragilen Übergangsphase. Nach dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak im Februar 2011 übernahm der Militärrat die Regierungsgeschäfte. Im Juni 2012 wurde Mohammed Mursi zum neuen Präsidenten gewählt, und mit ihm gelangte die Muslimbruderschaft an die Macht. Trotz der neuen Regierung sind der Handel des Landes erlahmt und die bisher stetig gewachsene Zahl der Touristen gesunken. Obwohl befreundete Staaten aus dem Nahen und Mittleren Osten weiterhin kurzfristig Mittel zur Verfügung stellen, benötigt Ägypten dringend neue Kredite, um seine Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Seit Sommer 2012 verhandelt man mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über einen Kredit in Höhe von 4,8 Mrd USD, der wegen der hohen Anforderungen des IWF bezüglich Reformen bis jetzt nicht zustande kam. Zuletzt stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s Ägyptens Kreditwürdigkeit aufgrund politischer Spannungen von B– auf CCC+ herab.

Für die meisten Ägypter ist die Lage im Land schwierig. Armut und Arbeitslosigkeit sind allgegenwärtig. Über 84 Millionen Menschen leben in Ägypten, jedes Jahr wächst die Einwohnerzahl um circa 1,5 Millionen. Die Bevölkerung des Landes ist sehr jung: Das Durchschnittsalter beträgt gerade einmal 24,3 Jahre. Da die dringend benötigten Reformen nur schwer in Gang kommen, nimmt die Unzufriedenheit des Volkes zu.

Ägypten ist nach Südafrika das am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Durch die politische Revolution wurde der Wirtschaftsaufschwung jedoch deutlich gehemmt.

Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind der Tourismus und die Landwirtschaft sowie die Schifffahrt auf dem Suezkanal. Darüber hinaus hat sich der Export von Erdöl und Erdgas in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelt.

Bei Touristen ist Ägypten als Urlaubsland sehr beliebt. 2012 verzeichnete das Land rund 11 Millionen ausländische Besucher, rund 1 Million davon kam aus Deutschland. Vor der Revolution reisten gar 13,8 Millionen Menschen in das afrikanische Land. Der Tourismus und das damit einhergehende Hotel- und Dienstleistungsgewerbe sind somit für die ägyptische Wirtschaft und die Deviseneinnahmen traditionell von großer Bedeutung.

Auch der Suezkanal ist eine wichtige Einnahmequelle. Die künstliche Wasserstraße verbindet das europäische Mittelmeer mit dem Indischen Ozean und ist von großem Wert für die Weltwirtschaft. Über den Kanal führen etwa 8% des weltweiten Schifffahrtshandels. Für 2013 werden hieraus Einnahmen in Höhe von 5,3 Mrd USD erwartet. Um die Erträge zu steigern, wurden im Mai dieses Jahres die Gebühren für die Nutzung des Suezkanals erhöht.

Die Landwirtschaft besitzt einen Anteil von fast 15% am BIP. Sie wird entlang des Nils und des Nildeltas betrieben, wobei überwiegend für den Export produziert wird. Um die Versorgung der Bevölkerung dennoch zu gewährleisten, müssen große Mengen an Nahrungsmitteln importiert werden. Rund 14 Mrd EUR stellt der Staat an Subventionen bereit, 38% dieser Subventionen sorgen dafür, dass die Bevölkerung mit ausreichend Grundnahrungsmitteln versorgt ist.

Erdöl und Erdgas sind die bedeutendsten Rohstoffe des Landes. Ägypten verfügt über 1,2% der weltweiten Erdgasvorkommen und ist zu einem wichtigen Gaslieferanten geworden. Zudem besitzt das Land nach neuesten Schätzungen Ölreserven in Höhe von 4,3 Mrd Barrel – im aktuellen Gegenwert von knapp 450 Mrd USD. Trotz dieser Reserven ist Ägypten ein Nettoimporteur der verarbeiteten Rohstoffe, da die erforderlichen Anlagen in der Petrochemie nicht vorhanden sind.

Ägypten ist als Absatzmarkt für deutsche Produkte auch weiterhin interessant. Deutsche Exporteure müssen sich jedoch bewusst sein, dass momentan, aufgrund der engen Devisenbewirtschaftung, ein Export ihrer Waren nach Ägypten nur dann problemlos möglich ist, wenn es sich um Produkte handelt, die auf der Prioritätenliste der Central Bank of Egypt geführt werden, oder wenn der Abnehmer über ausreichend eigene Währungsguthaben verfügt. Die Prioritätenliste hat zum Ziel, dass die Devisen durch die Zentralbank vorrangig für Importakkreditive von dringend benötigten Waren zugewiesen werden. Dazu gehören beispielsweise Grundnahrungsmittel, Medizin und Rohstoffe sowie dringend benötigte Maschinen und Ersatzteile.

Interessierte Unternehmer sollten sich vorab gut über die Gegebenheiten in der ägyptischen Industrie und Wirtschaft informieren. Noch immer hat das Militär große Macht und kontrolliert circa 30% der ägyptischen Wirtschaft. Zudem verteuern hochverzinsliche Regierungs- und Bankanleihen die Kreditaufnahme für den Privatsektor. Dies hat zur Konsequenz, dass das Risiko einer Zahlungsverzö­gerung bei ungesicherten Lieferforderungen steigt. Wichtig bei Geschäften im ägyptischen Markt ist also eine gute Zahlungsabsicherung, beispielsweise über ein bestätigtes Akkreditiv oder – wenn möglich – über traditionelle Vorausbezahlung.

Der Anteil ausländischer Direktinvestitionen in Ägypten beträgt derzeit 16%. In einem im Februar veröffentlichten F.A.Z.-Interview lädt der Minister für Investitionen, Osama Saleh, Unternehmen ein, in Ägyptens Infrastruktur zu investieren. Derzeit gibt es zwei große Projekte. Zum einen soll der Suezkanal zu einem Logistikkorridor weiterentwickelt werden. Zum anderen will man in den lange vernachlässigten Süden des Landes investieren und eine Autobahn bauen, die die Provinzen mit dem Roten Meer verbindet. Großes Potential gibt es generell in den Sektoren Nahrungsmittel, Landwirtschaft, erneuerbare Energien sowie in den traditionellen Märkten der Textilproduktion und des Tourismus. In all diesen Bereichen muss kräftig investiert werden. Bei einem Wiedererstarken der Wirtschaft werden diese Industrien von besonderem Interesse sein.

Auf Basis der fast 15-jährigen Erfahrung der BHF-BANK-Repräsentanz in Kairo lässt sich feststellen, dass Ägypten vor allem aufgrund seiner strategisch guten geographischen Lage bzgl. weiterer attraktiver Märkte der Region ein sehr guter Absatzmarkt für deutsche Exporteure ist. Ägypten hat durch seine hohe Bevölkerungsanzahl von über 80 Millionen eine enorme politische und kulturelle Ausstrahlung in der arabischen Welt. Jedoch befindet sich das Schwellenland Ägypten in einer schwierigen Umbruchphase, deren Ausgang noch ungewiss ist.

Bei den Investoren keimt jedoch die Hoffnung auf, dass sich der IWF und die ägyptische Regierung bald über den dringend benötigten Kredit einigen könnten. Unterstützt wird diese Einschätzung durch die Ankündigung des Emirates Qatar, Staatsanleihen in Höhe von 3 Mrd USD zu kaufen sowie 18 Mrd USD innerhalb der nächsten fünf Jahre in Ägypten zu investieren. Diese Investitionen sowie weitere neue Kredite, die aller Voraussicht nach vor allem aus den Golfstaaten kommen werden, könnten in Ägypten verschiedene Bauprojekte ermöglichen. Bis dahin bleibt es die größte Herausforderung der neuen ägyptischen Regierung, die innenpolitische Lage zu stabilisieren und so das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wiederzugewinnen. Ist dies einmal erreicht, wird sich auch die Wirtschaft Ägyptens aller Voraussicht nach erholen, und das Land wird wieder zu einem sehr interessanten Markt für Unternehmer und Investoren.

Kontakt: lutz.dunker[at]bhf-bank.com

20 replies on “Ägypten: ein Schwellenland im Umbruch”

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