Haben wir die Krise nun endgültig hinter uns, oder droht der nächste herbe Rückschlag? Kommt das dicke Ende erst noch? Diese Fragen werden auf vielen Konferenzen dieser Tage heftig und auch kontrovers diskutiert. Eine klare Antwort werden wir ­allerdings nur im Nachhinein haben – und das ist definitiv zu spät. Notwendig sind eine vorausschauende Wertung und ­Adjustierung der schlagenden Themen „Liquiditätssicherung“ und „Risikomanagement“.

Von Axel-Peter Ohse, Managing Director, Head Trade Finance Germany, Deutsche Bank AG

Mit Blick auf das Risiko einer Wiederkehr der Krise stellt sich die Frage, was denn bei einem erneuten Rückschlag anders wäre als das, was wir in den vergangenen 18 Monaten erfahren mussten, und wie sich das auf das Unternehmen und seine Businesspartner auswirken könnte.

Sollte es tatsächlich einen erneuten globalen Rückschlag geben, so muss man wohl davon ausgehen, dass drei Dinge im Gegensatz zu 2008/2009 anders verlaufen werden:

  • Die Regierungen haben sich während der vergangenen zwei Jahre derart verschulden müssen, dass eine wiederholte Runde von Rettungspaketen und Konjunkturankurbelungsprogrammen in der erlebten konzertierten Art und Weise und in dem erlebten Ausmaß nur schwer vorstellbar ist.
  • Insolvenzen und Wertberichtigungsbedarfe werden dramatisch steigen; dies und die derzeit diskutierten verschärften Regulierungsbestrebungen im Finanzsektor bergen eine erhebliche Gefahr für die Kreditschöpfungsfähigkeit der Märkte; die Folge dürfte eine Kreditklemme nicht gekannten Ausmaßes sein.
  • Eine erneute globale Krise dürfte die Länderrisiken zum Teil erheblich erhöhen, und zwar nicht nur die der Schwellenländer, sondern auch ganz besonders die der entwickelten Märkte. Dadurch könnten zusätzliche ­(Kredit-)Zahlungen auf Regierungen und Supranationals wie den IWF und potentiell auch Ausfälle auf die Privatwirtschaft zukommen.

Vor diesem Hintergrund sollte der Liquiditätssicherung besondere Bedeutung zugemessen werden, und zwar nicht nur durch die Sicherung von Kreditlinien, sondern vor allem auch durch die Änderung und Absicherung von Zahlungsströmen.

Die folgenden Ausführungen befassen sich im Wesentlichen mit einem Teil­bereich der Cashflowsicherung, nämlich der Einschätzung des Länderrisikos und damit einer besseren Sicherung der Cashflows im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr.

Als Basis für eine unternehmensweite Steuerung des „Länderrisikos“ sollte jederzeit eine größtmögliche Transparenz der aktuellen Risikosituation vorhanden sein. Hierfür gilt es, nicht nur externe Quellen effizient zu nutzen; vielmehr sollten darüber hinaus die internen Prozesse und Informationen so strukturiert sein, dass jederzeit eine Aussage über den aktuellen Stand der relevanten Positionen gemacht werden kann.

Dies bezieht sich auf

  • die kurzfristige Perspektive
    • geplante Geschäfte bzw. Bodensatz,
    • Angebote,
    • Auftragsbestand,
    • offene Forderungen,
  • und auf die mittel- bis langfristige Perspektive
    • Investitionsprojekte sowie
    • zukünftige Geschäftspotentiale.

In der Praxis werden mehrere unterschiedliche Ausprägungen des Länderrisikos betrachtet und unter dem Überbegriff „KTZM-Risiken“ zusammengefasst. Konkret steht KTZM für folgende Schlagworte:

  • Konvertierungs- und
  • Transferrisiko – für die Begleichung einer Forderung kann ein Geldbetrag nicht in der vereinbarten Währung ins Ausland transferiert werden – sowie
  • Zahlungsverbot und
  • Moratorium – zahlungsfähige und zahlungswillige Schuldner werden bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen durch staatliche bzw. institutionelle Eingriffe in den Markt behindert.

In der Regel ist eine Quantifizierung der Länderrisiken der erste Schritt zur Interpretation der gesammelten Erkenntnisse. Hierfür wird, ausgehend von den Einschätzungen der Ratingagenturen sowie historischen Tatsachen, das jeweilige Länderrisiko ermittelt.

Unter Berücksichtigung des aktuellen Ratings und der damit einhergehenden historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten kann der erwartete Verlust berechnet werden. Mindestens dieser erwartete Verlust sollte jeweils in der Verkaufsmarge berücksichtigt werden. Allerdings ist mittels des erwarteten Verlustes der Risikogehalt noch nicht vollständig umrissen, da im Rahmen dieser Betrachtungsweise vermeintlich unwahrscheinliche Ereignisse nicht betrachtet werden. Der unerwartete Verlust, der mathematisch auf Basis einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit berechnet wird, kann i.d.R. nicht voll in die Verkaufsmarge eingerechnet werden, sollte jedoch dem zur Verfügung stehenden Eigenkapital gegenübergestellt werden.

Aus den Diskussionen mit unseren mittelständischen Kunden bekommen wir häufig widergespiegelt, dass eine ganzheit­liche Risikosteuerung in diesem Bereich nicht etabliert ist. Vielmehr basiert die Vorgabe für eine vorzunehmende Risikoabsicherung häufig auf Einzelfallentscheidungen.

Für eine ganzheitliche Risikosteuerung gilt es zunächst zwei grundlegende Themengebiete zu klären. Dies ist zum einen die Bereitschaft des Unternehmens, im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit auch Risiken einzugehen. Und zum anderen sollte die Risikobereitschaft auch in Verbindung mit der Risikotragfähigkeit des Unternehmens stehen.

Nachdem für die beiden Themen Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit entsprechende Entscheidungen getroffen wurden, kann im nächsten Schritt entschieden werden, wie die Länderrisiken im Einzelnen gesteuert werden sollen. Generell sollten entsprechende interne Länderrisikolimits etabliert werden, anhand derer die Steuerung der Geschäftstätigkeit ausgerichtet wird. Bei Transaktionen, die über diese definierten Limits hinausgehen, kann die gewählte Absicherungsstrategie die Vermeidung, Reduzierung oder Überwälzung von Risiken vorsehen.

Für die Absicherung der Länderrisiken wurde in den letzten Monaten vermehrt auf ein Instrument zurückgegriffen, das manche in der Vergangenheit bereits als nicht mehr zeitgemäß betrachtet hatten. Das Akkreditiv als Instrument zur Zahlungsabsicherung hat eine regelrechte Renaissance erlebt.

Zuvor wurden häufig klassische Sicherungsprodukte wie das Akkreditiv und die Garantie zugunsten effizienter Abwicklungsmodalitäten auf der Basis offener Rechnungsstellung aufgegeben – das sparte Bankgebühren und Prozesskosten, beraubte aber auch der frühestmöglichen Risikoeinschätzung: Ein Abnehmer, für den seine Banken kein Akkreditiv mehr eröffnen, sollte wohl auch kaum anderweitig versicherbar sein.

Banken eröffnen lieber Akkreditive, als Betriebsmittelkredite zu vergeben, da das Risiko auf einzelne transparente Transaktionen mit identifizierter Rückzahlungsquelle abgestellt ist. Insbesondere Banken in Asien stellen wesentlich einfacher Kredit im Rahmen akkreditivabgewickelter Geschäfte bereit, und dies auch für Kunden mit geringerer Bonität. Insofern fällt es leichter, kreditbedingte Liquiditätsschöpfung auf die verschiedenen Partner in der Supply-Chain zu verteilen und somit den End-to-End-Prozess zu sichern.

Zur Hebung von Optimierungspotentialen entlang der Wertschöpfungskette sind drei Dinge besonders wichtig: ­erstens die Transparenz des aktuellen Status quo, zweitens eine möglichst ganzheitliche Strategie, mittels derer Themen wie Risikolimits, Absicherungsvorgaben sowie interne Kompetenzen und Prozesse geklärt werden, und drittens der richtige Partner, der sowohl bei den strategischen als auch bei den operativen ­Themen unterstützen kann.

Kontakt: axel-peter.ohse[at]db.com

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