Eine effiziente Risikosteuerung hilft exportorientierten Unternehmen, die Weichen für zukünftiges Wachstum zu stellen. Nach einer sorg­fältigen Analyse der mit dem Auslandsgeschäft verbundenen Länder- und Adressrisiken sowie von Wechselkursen, ­Rohstoffpreisen und Zinssätzen können die unternehmerischen Ziele mit kalkulierbaren und vertretbaren Kosten erreicht werden. Mit flexiblen Absicherungsstrategien können Unternehmen bei begrenztem Risiko vom aktuell niedrigen Zinsniveau profitieren.

Von Dr. Cornel Wisskirchen, Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland, Deutsche Bank AG

Müssen wir die Flügel der Adler beschneiden, weil die Schildkröte einen sicheren Gang hat? Mit dieser Frage hat Edgar Allan Poe einst Sicherheitsfanatiker brüskiert. Die Antwort ist klar: Ganz sicher nicht! Ohne Flügel kein Höhenflug. Übertragen auf Unternehmen heißt das: Unternehmerisches Risiko ist Teil, ja sogar Voraussetzung für ein erfolgreiches Geschäft. Unternehmen, die allein auf Risikovermeidung setzen, bringen sich auch um zahlreiche Chancen.

Chancen und Risiken sollten allerdings immer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Und dafür ist eine genaue Analyse unverzichtbar. Was sind die unternehmerischen Ziele? Welche Risiken bestehen? ­Welche Risiken sind verkraftbar? Vor allem international ausgerichtete Unternehmen sind durch die Auswirkungen der Finanz­krise zahlreichen Unwägbarkeiten ausgesetzt. Neben den Länder- und Adressrisiken, die Unternehmen durchleuchten sollten, belasten auch Währungs-, Rohstoff- und Zinsrisiken. Zusätzlich zu der Finanzabteilung sind daher auch Abteilungen wie Einkauf, Logistik und Vertrieb in diese Risikoanalyse einzubeziehen.

Die öffentliche Hand hilft Exporteuren bei der Risikoadjustierung von Länderrisiken und Adressrisiken. Beim sogenannten Exporteur- oder Lieferantenkredit kann das wirtschaftliche und politische Kreditrisiko über den Bund via Hermes abgesichert werden. Ein solcher Kredit verlängert das Zahlungsziel bei einer Lieferung ins Aus-land von üblichen 90 Tagen mitunter auf mehrere Jahre.

Der Exporteur kann im Zuge einer Forfaitierung seine Forderung aus solchen Exportgeschäften an eine Bank verkaufen, um sich so vorzeitig Liquidität zu verschaffen. Banken bieten auch Avalgarantien und Akkreditivbestätigungen. Für die stark ausfuhr­orientierten deutschen Unternehmen sind öffentliche Hilfen und die Angebote der Hausbank wichtig.

Gleichzeitig kann die Kalkulation der Im- und Exporte aber auch hinfällig werden, wenn sich die Währungsrelationen zwischen Auftrag und Abwicklung ändern. Wie schnell das geht, haben viele Unternehmen noch im vergangenen Jahr gesehen, als der US$ im Verhältnis zum Euro binnen weniger Monate um 20% schwankte. Solch eine Entwicklung kann die Marge komplett auf­brauchen oder sogar zu Verlusten führen. Preispingpong müssen Unternehmer auch an den Rohstoffmärkten verkraften.

Um gefährliche Klippen auch in unsicherem Fahrwasser zu umschiffen, können Unternehmen zwischen einer Reihe unterschiedlicher Instrumente und Absicherungsstrategien für Marktrisiken wählen. Die einfachste: finanzielle Marktrisiken per Termingeschäft absichern. Das macht Sinn, wenn vor allem Kalkulationssicherheit erzielt werden soll. Denn mit Termingeschäften werden die Bedingungen fixiert, so dass keine bösen Überraschungen mehr möglich sind. Das heißt aber auch, dass Unternehmen nicht profitieren, wenn sich die Märkte positiv entwickeln.

Wer sich diese Chancen bewahren möchte, ohne auf der anderen Seite unkontrolliert ins Risiko zu gehen, wählt flexible Absicherungen über Optionen. Mit Optionen können Käufer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einen „Worst Case“ absichern und zudem beispielsweise von sinkenden Rohstoffnotierungen, Währungsschwankungen oder fallenden Zinsen profitieren. Für diese Absicherung zahlt das Unternehmen eine Prämie – quasi wie für eine Versicherung. Je nach Unternehmensstrategie und Unternehmenszielen macht es auch Sinn, verschiedene Instrumente zu kombinieren.

Gutes Risikomanagement hat mehr denn je auch Auswirkungen auf die Finanzierung. Unternehmen, die die Risiken aktiv steuern, erleichtern sich den Zugang zu Kapitalmarkt und Krediten. Sie können sich damit nicht zuletzt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.

Denn eine Konsolidierung an den Märkten bietet auch immer die Möglichkeit, Abläufe oder Strategien zu überprüfen. Manch ein Unternehmen nutzt die Gelegenheit für günstige Zukäufe oder Aktienrückkäufe; andere steigern die Produktivität durch Investitionen in Maschinen oder Anlagen. Begünstigt werden solche Investitionen durch das aktuelle Zinsumfeld.

Aber auch hier gilt: Chancen wahren, ohne den Blick für die Risiken aus den Augen zu verlieren. Kredite sind in der Regel auf einige Jahre angelegt – und in dieser Zeit kann viel passieren. Das Risiko, das sich aus steigenden Zinsen ergibt, sollten Unternehmer angesichts des aktuellen Zinstiefs nicht unterschätzen. Zwar notiert der 6-Monats-Euribor aktuell um gut 2 Prozentpunkte unter dem historischen Mittel, doch wer sich auch in Zukunft darauf verlässt, der spekuliert. Denn wenn sich die Weltwirtschaft ­weiter stabilisiert und das Vertrauen der Investoren steigt, werden die Zentralbanken die Zinsen unweigerlich wieder nach oben schrauben müssen, um Inflationsrisiken zu vermeiden. Wann das sein wird, ist ungewiss.

Aktives Zinsmanagement kann sich rechnen. Aktuell liegen die Geldmarktzinsen rund 2 Prozentpunkte unter den langfristigen Zinsen. Wer kurzfristig finanziert, spart pro 1 Mio Euro circa 20.000 Euro. Bei einem Kreditvolumen von 20 Mio Euro addiert sich das beispielsweise zu 400.000 Euro – im Jahr!

Auch Unternehmen mit laufenden Finanzierungen können vom aktuellen Niedrigzins profitieren. Laufen Zinsbindungen aus, ­lassen sich jetzt attraktive Anschlussfinanzierungen sichern. Der Zeitpunkt ist günstig. Sind die Zinsen erst wieder gestiegen, verschlechtern sich die Konditionen für eine Absicherung merklich.

Oft wird nur auf bestehende Finanzierungen gesehen; im Exportgeschäft ist es wichtig, mögliche Zins- und Währungsbewegungen schon frühzeitig während der Angebots- und Kalkulationsphase zu berück­sichtigen und sich über geeignete Risiko­begrenzungen wie beispielsweise Forward Rate Agreements und Währungsoptionen Gedanken zu machen.

Kontakt: Cornel.Wisskirchen[at]db.com

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