Dem neuen Export Control Law sind nicht nur Unternehmen in China unterworfen, sondern es können auch nichtchinesische Unternehmen betroffen sein; das Gesetz verfolgt insoweit einen extraterritorialen Ansatz nach dem Vorbild des US-Exportkontrollrechts.

Am 17. Oktober 2020 hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses der Volks­republik China in dritter Lesung ein Gesetz zur Exportkontrolle  verabschiedet. Dieses trat am 1. Dezember 2020 in Kraft. Die darin vorgesehenen Kontrollbefugnisse und Sanktionsmöglichkeiten werden weitreichende Auswirkungen für Unternehmen im China-Geschäft haben.

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Durch das neue chinesische Exportkontrollgesetz (Export Control Law – ECL) wird die Exportkontrolle in China nunmehr erstmals umfassend geregelt, während die exportkontrollrecht­lichen Regelungen zuvor auf diverse Gesetze, Verordnungen und Erläuterungen verstreut waren. Auch ist zukünftig häufiger mit Durchsetzungsmaßnahmen chinesischer Behörden zu rechnen, die in der Vergangenheit bislang nur selten vorkamen.

Sachlicher Anwendungsbereich

Der Entwurf für das ECL war bereits Gegenstand eines Beitrags von Harings/Keim im ExportManager Ausgabe 6/2020. Gegenüber dem Vorentwurf vom Juli 2020 enthält das jetzt verabschiedete Gesetz nur noch punktuelle Änderungen.

Der sachliche Anwendungsbereich des ECL ist weit gefasst. Die chinesische Exportkontrolle erstreckt sich künftig auf sämtliche Güter, die „die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen Chinas gefährden könnten“. Im Entwurf vom Juni 2020 war hingegen nur von der nationalen Sicherheit die Rede gewesen. Zu den kontrollierten Gütern gehören daher nicht nur Güter mit doppeltem Verwendungszweck, militärische Güter und nukleare Güter, sondern auch sonstige Güter (einschließlich Technologien und Dienstleistungen), die eine Relevanz für die ­nationale Sicherheit oder nationale Interessen oder die Erfüllung von Antiproliferations- und anderen internationalen ­Verpflichtungen haben (können).

Die neu enthaltene Definition „kontrollierter Güter“ bezieht ausdrücklich auch technische Informationen und Daten ein. Welche Güter kontrolliert bzw. „vorübergehend“ kontrolliert sind, wird sich aus Ausfuhrkontrolllisten ergeben. Bereits vor dem neuen ECL gab es listenbasierte Genehmigungspflichten für Ausfuhren aus China, die aber nunmehr konsolidiert und ausgeweitet werden dürften. Zu beachten ist aber, dass auch Ausfuhren von nichtgelisteten Gütern genehmigungspflichtig sind, wenn diese die nationale Sicherheit oder die nationalen Interessen Chinas gefährden.

Extraterritoriale Anwendung

Auch der räumliche Anwendungsbereich des Gesetzes ist denkbar weit gefasst: Dem neuen ECL sind nicht nur Unternehmen in China unterworfen, sondern es können auch nichtchinesische Unternehmen betroffen sein; das Gesetz verfolgt insoweit einen extraterritorialen Ansatz nach dem Vorbild des US-Exportkontrollrechts. Erfasst sind nicht nur die physische Ausfuhr kontrollierter Güter, sondern auch sonstige Bereitstellungen der o.g. Güter an Ausländer in- und außerhalb Chinas, ebenso Durchfuhren, Umladung, Versand.

Das Gesetz findet weltweit auf Reexporte kontrollierter Güter chinesischen Waren-ursprungs Anwendung und erfasst dabei auch ausländische Produkte mit einem relevanten Anteil an kontrollierten Komponenten chinesischen Warenursprungs. Zudem können auch sogenannte „Deemed Exports“ kontrolliert werden, d.h. die Weitergabe eines kontrollierten Gutes durch einen chinesischen Staatsangehörigen bzw. ein chinesisches Unternehmen innerhalb Chinas an einen nichtchinesischen Staatsangehörigen (fiktiver Export). Der tatsächliche Umfang der Kontrolle, insbesondere im Bereich des Re­exports, ist indes bislang noch unklar. Dieser wird erst durch die angekündigten Umsetzungsvorschriften sowie die Kon­trolllisten und die praktische Anwendung konkretisiert werden.

Möglichkeit von Gegenmaßnahmen

Neu gegenüber dem Vorentwurf ist Art. 48 ECL, der vorsieht, dass China, sollte ein Staat oder eine Region Exportkontrollmaßnahmen zum Nachteil Chinas ergreifen, nunmehr entsprechende Gegenmaßnahmen gegen das Land oder die Region ergreifen kann. China betrachtet die neue Exportkontrolle damit ausdrücklich auch als ein Mittel der Handelspolitik.

Durchsetzung und Sanktionen

Bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des ECL drohen Exporteuren und anderen am Ausfuhrgeschäft Beteiligten empfindliche Geldbußen sowie die Einziehung des durch das Geschäft Erlangten. Bei schweren Verstößen sieht das ECL die zeitweise Aussetzung des Geschäftsbetriebs, einen Eintrag in das Sozialkreditsystem oder sogar einen generellen (vorübergehenden oder sogar dauerhaften) Ausschluss eines Unternehmens bzw. einer verantwortlichen natürlichen Person vom Exportgeschäft vor. Darüber hinaus können Verstöße zoll- und strafrechtliche Konsequenzen haben. Auch Verstöße von Organisationen und Einzelpersonen gegen das ECL außerhalb Chinas sollen nach der Konzeption des ECL geahndet werden können.

Zur Durchsetzung der Exportkontrollbestimmungen regelt das ECL weitreichende behördliche Untersuchungs- und Eingriffsbefugnisse im Hinblick auf alle mit einem Exportgeschäft in Verbindung stehenden Personen und Unternehmen. Von diesen Maßnahmen und Sanktionen können künftig auch deutsche und andere europäische Unternehmen betroffen sein.

Blacklisting und Embargos

Schließlich wird künftig eine „schwarze“ Liste von Importeuren und Endverwendern geführt, die gegen das ECL verstoßen haben (z.B. indem sie von der angekündigten Endverwendung der Güter abgewichen sind) oder sonst die nationale Sicherheit oder die nationalen Interessen Chinas gefährden. Mit derart gelisteten Personen dürfen Exporteure regelmäßig keine Geschäftsbeziehungen mehr eingehen. Diese Maßnahme hat die Sanktionslisten der EU und die SND-Liste der USA zum Vorbild. Neu ist allerdings die Änderung, dass ein Antrag gestellt werden kann, im Ausnahmefall auch mit gelisteten Unternehmen Geschäfte zu tätigen.

Zuletzt wurde in das ECL noch die Befugnis aufgenommen, wonach die zuständige Behörde mit Erlaubnis des Staatsrats und der Zentralen Militärkommission den Export kontrollierter Güter in bestimmte Länder oder Regionen oder an bestimmte Organisationen und Individuen verbieten kann.

Ergänzende Regelung zu „Unreliable Entities“

Im Zusammenhang mit dem neuen chinesischen Exportkontrollrecht sind auch die am 19. September 2020 durch das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) unabhängig vom ECL veröffentlichten Bestimmungen zu sehen, die den Rahmen für die „Liste unzuverlässiger Entitäten“ („Unreliable Entity List“) vorgeben. Die Liste, die der „U.S. Entity List“ vergleichbar ist, betrifft allein nichtchinesische Unternehmen. Diese Unternehmen, aber auch Einzelpersonen, können gelistet werden, wenn sie die nationale Souveränität, die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen Chinas gefährden oder unter Verletzung allgemeiner Marktprinzipien den Handel mit chinesischen Unternehmen beenden, diese diskriminieren und dadurch schweren Schaden verursachen.

Als mögliche Maßnahmen sieht die Verordnung insbesondere vor, dass der Handel der gelisteten Gesellschaften mit China ebenso verboten oder eingeschränkt werden kann wie Investitionen in China. Individuen kann die Einreise verweigert werden, und/oder es kann ihnen die Arbeitsbefugnis oder der Aufenthaltsstatus entzogen werden. Darüber hinaus können auch Bußgelder und Strafen festgesetzt werden. Bislang ist noch keine Unreliable-Entity-Liste veröffentlicht worden. Bevor es zu einer Listung kommt, sind bestimmte Verfahrensvorschriften für die Aufnahme eines Unternehmens in die Liste zu beachten. Erst die Praxis wird auch hier erweisen, inwiefern China von diesem neuen Instrument Gebrauch machen wird.

Rechtsschutz

Die Gewährung von Rechtsschutz gegen Verwaltungsmaßnahmen ist in China eine vergleichsweise neue Entwicklung, die in ihrer Ausgestaltung und Wirkung nicht mit den hiesigen Mechanismen zu vergleichen ist. Rechtsschutz ist nur dann und nur insoweit möglich, wie er gesetzlich vorgesehen ist. Das ECL sieht vor, dass bei ablehnenden Genehmigungsentscheidungen eine Überprüfung der Entscheidung durch die staatliche Exportkontrollbehörde nach dem chinesischen Verwaltungswiderspruchsgesetz beantragt werden kann. Dabei handelt es sich um ein reines Verwaltungsverfahren, das nicht gerichtlich überprüfbar ist.

Auswirkungen des ECL auf die Praxis

Das ECL erweitert den Anwendungsbereich der Exportkontrolle im Vergleich zur bisherigen Rechtslage deutlich und eröffnet den chinesischen Behörden mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „nationale Sicherheit und nationale Interessen“ einen weiten Ermessensspielraum. Zugleich hat das Gesetz nicht nur Auswirkungen auf chinesische Exporteure einschließlich deutscher Tochtergesellschaften bzw. Tochtergesellschaften in der EU, sondern auch auf Unternehmen in Deutschland bzw. in der EU (etwa im Fall von Reexporten). Es ist zu erwarten, dass europäische Unternehmen zukünftig in eine Zwickmühle geraten können, weil ihnen die gleichzeitige Einhaltung europäischen, US-amerikanischen und chinesischen Exportkontrollrechts unter Umständen faktisch nicht möglich ist.

Die Regelungen des ECL müssen allerdings erst noch durch die angekündigten detaillierten Umsetzungsregelungen und Erläuterungen konkretisiert werden. Bis dahin ist davon auszugehen, dass die bereits vor dem 1. Dezember 2020 geltenden Regelungen von den Behörden weiterhin angewendet werden und zu beachten sind. In jedem Fall erhöhen die weitreichenden Regelungen aber bereits seit Inkrafttreten des ECL am 1. Dezember 2020 das Risiko für europäische Unternehmen mit China-Geschäft, künftig in den Fokusbereich der o.g. Sanktionen zu geraten. Auch wenn also die konkrete Umsetzung noch aussteht; für die betroffenen Unternehmen ist es ratsam, sich bereits jetzt mit den neuen Vorgaben ­auseinanderzusetzen, beispielsweise im Hinblick auf künftige Genehmigungspflichten für Reexporte, und ihre Compliancestrategie nötigenfalls anzupassen, soweit das zum derzeitigen Zeitpunkt möglich ist.

h.henninger@gvw.com

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