Auch beim konzerninternen Export von Technologie oder Software stellen sich Fragen zu Organisationspflichten mit besonderer Heftigkeit: Wenn per E-Mail Technologie von der Mutter an eine ausländische Tochter weitergeleitet wird, glauben die beteiligten Unternehmen, nur zum Besten des Konzerns zu handeln, der auf solche Technologietransfers zwingend angewiesen ist. Dabei wird leider häufig die exportrechtliche Brisanz übersehen.

Kann eine Muttergesellschaft haften, weil ihre Tochtergesellschaften Exportverstöße begehen? Und was muss vor allem beim Technologieaustausch innerhalb eines Konzerns mit Mitarbeitern und Unternehmen im Ausland beachtet werden?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall

D in Deutschland hat 100%ige Tochtergesellschaften im In- und Ausland. Eine dieser Tochtergesellschaften, T, liefert ohne Ausfuhrgenehmigung Waren in ein Land, gegen das ein Embargo verhängt wurde. Für diese gesendeten Waren besteht nach dem EU-Embargo ein Ausfuhrverbot. Kann für diesen Verstoß neben T auch deren Mutter D haftbar gemacht werden?

Überlegungen zur Haftung der Muttergesellschaft

Der Embargoverstoß wurde allein von der Tochter T begangen. Nach dem AWG geht es bei vorsätzlicher Begehung um eine Straftat, bei Fahrlässigkeit um eine Ordnungswidrigkeit.

Hierfür könnte die Muttergesellschaft D etwa dann haften, wenn sie ihre Tochter T konkret zur Durchführung der Lieferung angewiesen oder sie dabei unterstützt hätte. Dann hätte D T dazu veranlasst, die Lieferung durchzuführen, oder sie hätte aktiv fördernd in den Ausfuhrvorgang eingegriffen. D könnte dann als Täterin oder als Teilnehmerin dieses Exportverstoßes angesehen werden.

Aber auch ohne eine solche Anweisung oder Unterstützung besteht die Möglichkeit, dass die Muttergesellschaft nach § 130 OWiG haftbar ist, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaß­nahmen unterlässt, die erforderlich sind, um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten entweder zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren. Denn die Muttergesellschaft könnte als „Betriebsinhaberin“ im Sinne dieser Norm angesehen werden, wenn sie faktisch und/oder rechtlich in der Lage ist, steuernd in die Aktivitäten ihrer Tochter einzugreifen. In diesem Fall würde sie die Verpflichtung treffen, gegenüber ihrer Tochtergesellschaft die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverstößen zu ergreifen. Dies gilt selbst dann, wenn sie in der Praxis keinerlei Einfluss auf die Geschäfte ihrer Tochter nimmt, obwohl sie dies jederzeit tun könnte.

Es stellt sich die Frage, welche Schritte die Mutter ergreifen muss, um die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zu erfüllen. Hier geht es vor allem um die folgenden vier Punkte:

(1)          ausreichende Organisation,

(2)          angemessene Überwachung und Überprüfung,

(3)          sorgfältige Auswahl der Mitarbeiter und

(4)          deren regelmäßige Schulungen.

Zu den vier Punkten für Aufsichtsmaßnahmen

Aus den genannten vier Punkten ergibt sich, dass D darauf achten sollte, dass bei T eine angemessene Exportkontrolle durchgeführt wird. Hierzu gehört vor allem, dass eine transparente Organisationsanweisung existiert, die für alle Mitarbeiter sehr klare und leicht verständliche Anweisungen gibt und die vorschreibt, wer in welchem Fall für welche Aufgaben zuständig ist. Die Mitarbeiter, die bei Mutter und Tochter im Exportbereich tätig sind, müssen über die nötigen Fachkenntnisse verfügen und sind regelmäßig zu schulen. Hierbei sollte u.a. auch das Wissen vermittelt werden, dass Tochtergesellschaften in Nicht-EU-Ländern im Zweifel auch das EU-Exportrecht einzuhalten haben. Andernfalls könnten entsprechende Verstöße der Tochter dazu führen, dass die Muttergesellschaft für diesen Verstoß haftet.

Unverzichtbar sind daneben regelmäßige Stichproben: In einem Unternehmen sollten der Exportkontrollbeauftragte mindestens einmal pro Monat und der Ausfuhrverantwortliche mindestens einmal pro Halbjahr eigene Stichproben nehmen, um zu prüfen, ob die Organisationsanweisung zur Exportkontrolle eingehalten wird. Da der Ausfuhrverantwortliche nur begrenzte Möglichkeiten für solche Stichproben hat, könnte er dies zum Teil über Revisionen bzw. Audits erledigen, sofern er anschließend konsequent dafür sorgt, dass festgestellte Mängel tatsächlich abgestellt werden. Zusätzlich müsste er aber auch einige eigene Stichproben nehmen. Möglicherweise sensitive Ausfuhrvorgänge sollten dabei stärker überprüft werden als eher unkritische Exporte. Mehr Stichproben müssen vor allem dann erfolgen, wenn bereits Verstöße im Unternehmen stattgefunden haben. Einige Empfehlungen nennen hier bis zu ca. 20% der Ausfuhren. Zeigt sich, dass dieses Risiko kaum noch besteht, kann zum regulären Rhythmus zurückgekehrt werden. Stellt die Muttergesellschaft Unregelmäßigkeiten oder Lücken fest, sollte sie entsprechend auf ihre Tochter einwirken, um ihrer Organisations- und Überwachungspflicht nachzukommen.

Exportrechtliche Pflichten auch beim konzerninternen Export von Technologie/Software

Auch beim konzerninternen Export von Technologie oder Software stellen sich Fragen zu Organisationspflichten mit besonderer Heftigkeit: Wenn per E-Mail Technologie von der Mutter an eine ausländische Tochter weitergeleitet wird, glauben die beteiligten Unternehmen, nur zum Besten des Konzerns zu handeln, der auf solche Technologietransfers zwingend angewiesen ist. Dabei wird leider häufig die exportrechtliche Brisanz übersehen:

Eine „Ausfuhr“ ist die Übertragung von Software oder Technologie aus dem Inland in ein Drittland (also in ein Land außerhalb der EU), einschließlich ihrer Bereitstellung auf elektronischem Wege für Personen in Drittländern (vgl. § 2 Abs. 3 AWG). Dies umfasst auch Versendungen in Form von Fax-Nachrichten, E-Mails, Textnachrichten oder die Bereitstellung im Internet bzw. Intranet, soweit ein Zugriff aus Drittländern möglich ist. Dies entspricht auch dem „Ausfuhr“-Begriff in der Dual-Use-VO. Selbst wenn Technologie hier nur von Gesellschaften innerhalb desselben Konzerns ausgetauscht wird, ändert dies nichts am Vorliegen einer „Ausfuhr“, solange eine Grenzüberschreitung gegeben ist. Hier werden dieselben Genehmigungspflichten relevant wie bei der Ausfuhr von Waren. Dies soll nachfolgend anhand von drei Beispielen beleuchtet werden.

Drei Beispiele für den Technologietransfer innerhalb des Konzerns

Beispiel 1: D arbeitet mit den Technikabteilungen ihrer weltweiten Tochtergesellschaften ständig an Verbesserungen für ihre Produkte. Hierzu hat sie auf ihrem Server in Deutschland eine Plattform geschaffen, auf der unter anderem auch gelistete Technologie für ihre Produkte (z.B. Konstruktionspläne) hinterlegt ist. Die Mitarbeiter der Technikabteilungen ihrer Tochtergesellschaften können uneingeschränkt auf diese Zeichnungen zugreifen und sie herunterladen.

In diesem Fall räumt D den Mitarbeitern ihrer Tochtergesellschaften in aller Welt, also auch in Drittländern, einen unbeschränkten Zugriff auf die Technologie über das Internet ein. Hierbei handelt es sich somit um ein Bereitstellen von Technologie in elektronischer Form für Personen in Drittländern. Es liegt also eine „Ausfuhr“ vor. Da auch gelistete Technologie bereitgestellt wird, besteht für deren Ausfuhr eine Genehmigungspflicht. Von daher muss organisatorisch sichergestellt sein, dass entweder für diese Exporte eine Genehmigung vorhanden ist oder ein einfacher Zugriff aus Drittländern heraus nicht stattfinden kann.

Beispiel 2: M, ein Mitarbeiter von D, unternimmt regelmäßig Geschäftsreisen in Drittländer. Auf diesen Reisen hat er stets sein Firmen-Smartphone dabei, um auch unterwegs erreichbar zu sein. Einer seiner Kollegen sendet ihm per E-Mail gelistete technische Unterlagen zu, obwohl be-kannt ist, das M auf Geschäftsreise in einem Drittland ist. M liest die E-Mail über sein Smartphone und öffnet die beigefügten Unterlagen, um sie sich anzusehen.

Auch hier liegt eine genehmigungspflichtige Ausfuhr vor. Es werden gelistete technische Unterlagen per E-Mail, also elektronisch, an eine Person (M) in einem Drittland übertragen. Auch hier muss organisatorisch sichergestellt sein, dass eine Genehmigung vorliegt.

Beispiel 3: D möchte die Zusammenarbeit unter ihren Gesellschaften erleichtern. Deshalb lädt sie bestimmte gelistete Software auf einen Server in Deutschland. Im nächsten Schritt ermöglicht sie ihren weltweiten Töchtern einen Zugriff auf die Software, so dass alle mit dieser arbeiten können.

Dadurch, dass D hier die Nutzung der Software auch den Firmen ermöglicht, die in Drittländern ansässig sind, ist eine „Ausfuhr“ in Form einer elektronischen Bereitstellung gegeben. Weil es um eine gelistete Software geht, wird dieser Vorgang ebenfalls einer Genehmigung bedürfen. Auch dies muss organisatorisch sichergestellt sein.

Fälle, in denen ein genehmigungspflichtiger konzerninterner Technologie- oder Softwaretransfer vorliegen kann, sind daher vielfältig. Folglich sollten Unternehmen bei der Aufstellung ihrer Exportkontrollorganisation auch an diese Fälle denken und entsprechende Mechanismen zur Verhinderung von Verstößen implementieren.

Resümee

Wenn ein Konzern als Muttergesellschaft verhindern will, dass er auch für Exportverstöße seiner Tochtergesellschaften haftet, muss er darauf achten, dass nicht nur bei ihm, sondern auch bei seinen Tochtergesellschaften eine hinreichende Exportkontrollorganisation besteht, vor allem in Form von transparenten Organisationsanweisungen, genügend Überwachung und qualifizierten Exportmitarbeitern. Nicht nur bei der Umsetzung von Embargos sind eine entsprechende Organisation und Überwachung dringend erforderlich, sondern auch beim Technologietransfer innerhalb des Konzerns.

Bei den drei genannten Beispielfällen ist wahrscheinlich, dass eine ausreichende Organisation nicht vorliegt, weil die Beteiligten davon ausgehen, dass es bloße Geschäfte innerhalb des internationalen Konzerns seien, die keine exportrechtlichen Pflichten begründen. Gegenwärtig gibt es nur partiell Allgemeingenehmigungen für diesen Technologietransfer, wie etwa die EU001 (für die sieben Hauptindustrieländer). Es bleibt zu hoffen, dass mit der Reform der Dual-Use-Verordnung die ursprünglich genau für diese Zwecke vorgeschlagene EU008 doch noch kommen wird, denn es ist zu erwarten, dass sie den Technologietransfer in internationalen Konzernen erheblich vereinfachen wird. Bis dahin kann auch durch die Beantragung einer SAG für den konzerninternen Technologietransfer für etwas Erleichterung gesorgt werden.

Wegen aktueller Hinweise zum EU- Exportrecht vgl. HIER.

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

www.hohmann-rechtsanwaelte.com

 

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner