Künftig dürfte der fortschreitende Klimawandel die Risiken in Entwicklungsländern, vorrangig in Subsahara-Afrika, Lateinamerika und Asien, mit großer Sicherheit verschärfen.

Naturkatastrophen wirken sich auf unterschiedliche Aspekte einer Volkswirtschaft aus. Durch beschädigte Infrastruktur, zerstörte Ernten oder eine Produktionsunterbrechung können sie etwa die Produktivität verringern. Dadurch liegt das BIP-Wachstum im Jahr der Naturkatastrophe typischerweise deutlich unter dem Durchschnittswachstum der Vorjahre. Große Naturkatastrophen können Volkswirtschaften sogar in schwere Rezessionen stürzen, wie am Beispiel zahlreicher Karibikinseln nach dem Durchzug der Hurrikane Irma und Maria im Jahr 2017 zu sehen ist.

Auch langfristig weisen Länder, die regelmäßig von Naturkatastrophen getroffen werden, ein niedrigeres BIP-Wachstum auf. Typischerweise kommt es zu einer hohen Abwanderung, die häufig von Hochqualifizierten ausgeht und damit den Verlust von Fachkräften verschärft. Des Weiteren können Naturkatastrophen die Prioritäten der Regierungen verschieben und dafür sorgen, dass Investitionen beispielsweise in das Bildungs- oder Gesundheitswesen zurückgehen. Diese Verschiebungen wirken sich auch negativ auf das langfristige Wirtschaftswachstum aus.

Naturkatastrophen können darüber hinaus die öffentliche Finanzlage schwächen. Üblicherweise werden die Staatsausgaben nach einer Naturkatastrophe erhöht, um das Land (in Teilen) wiederaufzubauen und Hilfe zu leisten, während die Steuereinnahmen zurückgehen. Staatsunternehmen, die aufgrund der Katastrophe Verluste hinnehmen müssen, stellen unter Umständen eine zusätzliche Belastung dar. Diese Faktoren können zu einem Emporschnellen der Staatsverschuldung führen. Insbesondere im Jahr der Naturkatastrophe ist häufig ein Anstieg der öffentlichen Schulden zu beobachten. Neben der Verschiebung der Regierungsprioritäten spielen dabei auch Rohstoffpreise, wahlbedingte Ausgaben, Haushaltskonsolidierung (als Auflage eines IWF-Programms) sowie politische Instabilität im Allgemeinen eine große Rolle. Außerdem könnte die Regierung zur Vermeidung einer höheren Schuldenlast zur Monetarisierung der Haushaltsdefizite verleitet werden und damit die Inflation anheizen.

Auch die Leistungsbilanz wird erheblich beeinträchtigt: Einerseits führen Naturkatastrophen zu einer Reduzierung der Exportkapazitäten, andererseits nimmt der Import tendenziell zu (insbesondere von Agrar- und Investitionsgütern). So entstehen hohe Leistungsbilanzdefizite, die jahrelang anhalten können und finanziert werden müssen. Gleichzeitig sind Kapitalabflüsse nach einer großen Naturkatastrophe nicht ungewöhnlich, was die finanzielle Malaise zusätzlich verschärft. Unter Umständen werden ausländische Hilfsgelder bereitgestellt, bei denen es sich jedoch nicht immer um zusätzliche Zahlungen handelt. Die Kombination aus begrenzten Gebermitteln und Beschränkungen hinsichtlich inländischer Finanzierungsbeteiligung (häufig eine Vorgabe) kann bestehende Entwicklungshilfe in der Praxis (teilweise) ersetzen. Eine Option ist das Zurückgreifen auf die Währungsreserven, was allerdings abhängig von deren Umfang ist. Außerdem können Auslandsanleihen (häufig in Fremdwährung) emittiert werden, auch wenn dies zu einem höheren Schuldendienst führt. Allerdings setzen solche Maßnahmen eine Wirtschaft unter Druck und erhöhen ihre Anfälligkeit für Negativereignisse (etwa niedrigere Rohstoffpreise, weltweite Risikoaversion oder eine weitere Naturkatastrophe). Wenn ein Land niedrige Währungsreserven, hohe Kapitalabflüsse oder Schwierigkeiten bei der Emission von Auslandsanleihen aufweist, kann eine schwere Naturkatastrophe sogar eine Zahlungsbilanzkrise zur Folge haben.

Eine Naturkatastrophe kann darüber hinaus Unruhen auslösen. Häufig folgen einer Katastrophe ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit oder ein plötzlicher, unerwarteter Einkommensschock, insbesondere bei ländlichen Haushalten. Zunehmende Armut und Arbeitslosigkeit wiederum sind ein typischer Nährboden für Frustration und Unruhen. Auch wenn staatliche Ineffizienz dazu führt, dass die Bevölkerung unzufrieden mit der Reaktion der Behörden ist oder der Wiederaufbau zu langsam vorangeht, können Unruhen die Folge sein.

Ausgleichende Faktoren

Es sei angemerkt, dass verschiedene Faktoren die Auswirkungen einer Naturkatastrophe abmildern können. Die Größe einer Volkswirtschaft ist dabei der wichtigste Faktor. Sucht eine Naturkatastrophe ein kleines Land heim, so trifft sie zumeist einen großen Teil seiner Fläche und Bevölkerung, während die Folgen in größeren Ländern auf vergleichsweise kleinere Gebiete begrenzt werden können. Des Weiteren verfügen kleine Staaten über geringere Mittel zur Bewältigung der Nachwirkungen solcher Katastrophen.

Ein zweiter bedeutender Faktor ist die Art der Naturkatastrophe. Erdbeben und Zyklone oder Hurrikane verursachen hohe direkte Kosten. Dürren und der Anstieg des Meeresspiegels erzeugen niedrigere und allmählich anschwellende Kosten, wobei diese Art von Katastrophen tendenziell mit größerer Regelmäßigkeit auftritt. Darüber hinaus unterscheiden sich die Auswirkungen der verschiedenen Naturkatastrophen je nach Sektor. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die meisten Katastrophen die Landwirtschaft am härtesten treffen, während der Dienstleistungssektor geringere Folgen verspürt.

Die Diversifizierung der Wirtschaft ist ein weiterer wesentlicher Faktor. So erlebte der Süden Afrikas in den Jahren 2015 und 2016 die schlimmsten Dürreperioden seit 80 Jahren. Dies hatte eindeutige negative Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit in der Region. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass Malawi mit Abstand am härtesten getroffen wurde. Auf die Landwirtschaft (hauptsächlich Tabak) entfällt etwa die Hälfte seiner Leistungsbilanzeinnahmen, was die starke Zunahme des Leistungsbilanzdefizits, den deutlich langsameren Zuwachs an Devisen und den schnelleren Anstieg der Auslandsverschuldung (gegenüber dem BIP) in den Dürrejahren, verglichen mit dem historischen Durchschnitt, erklärt. Im Gegensatz dazu zeigten die Dürren kaum Auswirkungen auf die makroökonomischen Indikatoren Südafrikas, das eine deutlich stärker diversifizierte Wirtschaft aufweist.

Eine weitere maßgebliche Rolle spielen wirtschaftliche Puffer wie etwa ein robuster Bestand an Währungsreserven, eine geringe Verschuldung oder finanzieller Schutz in Form einer Versicherung (z.B. die Naturkatastrophenrisikoversicherung „Caribbean Catastrophe Risk Insurance Facility). Schließlich droht Entwicklungsländern infolge einer Katastrophe vergleichbaren Ausmaßes ein wesentlich größerer Schock als Industriestaaten. Dies ist auf die Wirtschaftsstruktur von Industrienationen (höherer Diversifizierungsgrad und geringere Abhängigkeit von der Landwirtschaft), den weiterentwickelten inländischen Finanzsektor sowie auf die bessere Infrastruktur zurückzuführen. Außerdem sind sie im Allgemeinen besser in der Lage, negativen Schocks mit antizyklischen finanz- und geldpolitischen Maßnahmen zu begegnen.

Einfluss auf die Risikobewertung

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Auswirkungskanäle und Ausgleichsfaktoren werden der Klimawandel und der damit einhergehende Anstieg der Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen in die Länderanalyse von Credendo mit einbezogen. Die am stärksten gefährdeten Länder wie etwa die karibischen und pazifischen Inselstaaten werden dadurch hinsichtlich ihres mittel- bis langfristigen politischen Risikos in höhere Kategorien eingestuft. Aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels und der hohen Wahrscheinlichkeit und zunehmenden Intensität von Hurrikanen und Zyklonen gelten diese Inseln als die vom Klimawandel am stärksten bedrohten Länder. Künftig dürfte der fortschreitende Klimawandel die Risiken in Entwicklungsländern, vorrangig in Subsahara-Afrika, Lateinamerika und Asien, mit großer Sicherheit verschärfen.

 


Autoren

Karsten Koch, Country Manager, Credendo und Jolyn Debuysscher, Country and Sector Risk Analyst, CredendoKarsten Koch,
Country Manager,
Credendo

 

 


Jolyn Debuysscher, Country and Sector Risk Analyst, CredendoJolyn Debuysscher,
Country and Sector Risk Analyst,
Credendo

 


 

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