Entwicklungs- und Schwellenländer mit differenzierter Wirtschaftsstruktur, lokalen Wertschöpfungsketten und guter digitaler Vernetzung kommen relativ gut durch Krisenzeiten. Der weitere Ausbau digitaler Geschäftsmodelle ist dort gefragt.

Entwicklungs- und Schwellenländer mit differenzierter Wirtschaftsstruktur, lokalen Wertschöpfungsketten und guter digitaler Vernetzung kommen relativ gut durch Krisenzeiten. Der weitere Ausbau digitaler Geschäftsmodelle ist dort ebenso gefragt wie Vorhaben, die Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Aspekte berücksichtigen. Für deutsche Unternehmen bieten sich Investitionschancen z.B. in den Sektoren Informationstechnologie, Handel/Logistik, Nahrungsmittel und Gesundheit.

Pandemie trifft nicht alle Schwellen- und Entwicklungsländer gleich

Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie treffen die Weltwirtschaft unterschiedlich stark. Dies gilt auch für Schwellen- und Entwicklungsländer. Alle haben zwar im Vergleich zu den Industrieländern grundsätzlich schlechtere Rahmenbedingungen bei der Bekämpfung der Pandemie, wie etwa eine schlechtere Gesundheitsversorgung und weniger resiliente Arbeitsmärkte. Die Auswirkungen auf Einkommens- und Lebensverhältnisse unterscheiden sich aber je nach Gesundheitssystem und Differenzierung der Branchenstruktur in den einzelnen Ländern.

Die lateinamerikanischen Schwellen- und Entwicklungsländer sind am schwersten betroffen. Grund dafür könnte sein, dass Lateinamerika über geringere Erfahrungen mit Pandemien verfügt als etwa Ostasien oder Afrika, die bereits SARS und Ebola in den Griff bekommen mussten. In ganz Lateinamerika belasten einbrechende Rohstoffpreise, Währungsabwertungen und daraus folgende sinkende Einnahmen die Wirtschaft.

Auch in den afrikanischen Ölförderländern wie Nigeria und Angola sinken die Einnahmen. Hart trifft es zudem vom Tourismus abhängige Staaten wie Thailand oder Länder wie Indien, die Philippinen oder Ägypten, in die laut Weltbank hohe Geldtransfers von Expatriates fließen – sie dürften 2020 deutlich geringere Einkommen haben.

Günstige Faktoren für Pandemiebewältigung

Wegen der schlechten Prognosen für die Emerging Markets waren die Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern zunächst deutlich höher als während der Finanzkrise. Inzwischen relativiert sich der Blick auf die Schwellenländer wieder, und die mittel- und langfristigen Erholungschancen für bestimmte Länder, Branchen und Sektoren treten in den Fokus. Sie hängen vom weiteren Verlauf der Coronapandemie, den Eindämmungsmaßnahmen und von der jeweiligen Wirtschaftsstruktur ab.

Bessere Voraussetzungen, langfristig durch die Krise zu kommen, haben Länder, die nicht von einer Branche, etwa Rohstoff oder Tourismus, abhängig sind, sondern über eine differenzierte Wirtschaftsstruktur und eine gute digitale Vernetzung verfügen. Sie haben in der Vergangenheit bereits in den Ausbau von Breitbandnetzen und Telekommunikation, in neue Technologien und in digitale Vernetzung investiert, und profitieren jetzt auch in Coronazeiten davon. Denn Wirtschaftsprozesse, die sich digital organisieren lassen, können auch in Zeiten eingeschränkter Kontakte weiterlaufen.

Dies gilt z.B. für Südostasien, insbesondere Indonesien oder Vietnam, wo digitale Trends und Geschäftsmodelle schnell weiterentwickelt werden. Auch Indien hat langfristig gute Erholungschancen. Das Land wurde zwar von der Coronakrise hart getroffen, weil dort sehr viele Menschen im informellen Sektor beschäftigt sind. Gleichzeitig ist jedoch die Digitalisierung in Indien weit fortgeschritten.

Zukunftsmarkt Digitalisierung

Für deutsche Unternehmen bieten diese Entwicklungen Chancen für Investitionen in die Digitalisierung zahlreicher Branchen, z.B. in der Nahrungsmittelindustrie, im Onlinehandel, im Gesundheitssektor und in der Informationstechnologie. Weil die Landwirtschaft in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern einen hohen Stellenwert hat, können auch Agritechprodukte für ressourcensparendes Wirtschaften mögliche Geschäftsfelder für deutsche Unternehmen sein. Auch im Bereich Mobilität und Logistik sind Lösungsanbieter gefragt, denn gerade die Megacitys in Entwicklungs- und Schwellenländern stehen vor immensen Herausforderungen. Und nicht zuletzt gibt es Bedarf an Healthtechprodukten, die einen breiteren Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen können.

Als Muster lässt sich erkennen, dass die Entwicklung digitaler Produkte und Dienstleistungen vor allem dann erfolgreich ist, wenn Versorgungslücken geschlossen werden. Gefragt sind z.B. digitale Finanzdienstleistungen, weil die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern sonst kaum Zugang zu Bankdienstleistungen und nur wenige ein klassisches Bankkonto haben. Mittels „Mobile Money“, des Abwickelns von Bankgeschäften per Handy, entstehen z.B. in Afrika seit über einem Jahrzehnt neue Geschäftsmodelle. Im Kommen sind u.a. Digital-Finance-Produkte für Kredite, mit denen Nutzer per Handy alle Schritte vom Kreditangebot über den Genehmigungsprozess bis zur Rückzahlung in digitaler Form abwickeln können. Fintechs erreichen auch Einzelunternehmer, die bislang keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen hatten oder sich über Geldverleiher finanzierten, die oft sehr hohe Zinsen verlangen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor für digitale Geschäftsmodelle ist es, bei deren Entwicklung die lokalen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen und Produkte entsprechend anzupassen. So liefern regionale Onlinehändler wie „Copia“ in Kenia Endkunden ihre Produkte in bereits bestehende Kioske und lösen so das „Last Mile“-Problem auch in ländlichen Regionen ohne klassische Postzustellung. Wie wichtig dieser digitale Handel auch für Entwicklungsländer ist, zeigt sich gerade in Zeiten der Coronapandemie, in denen „Copia“ seine Umsätze deutlich steigern konnte.

Wirtschaftliche Erfolge mit ESG

Neben digitalen Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen sind für deutsche Mittelständler Investitionen aussichtsreich, die Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance(ESG)-Aspekte berücksichtigen.

Mit Ausbruch der Pandemie erlebte nahezu jedes Unternehmen, dass die sogenannten ESG-Risiken schwerwiegende Auswirkungen haben können. Unternehmen sind deshalb stärker für Ereignisse sensibilisiert, von denen alle global betroffen sind, wie z.B. den Klimawandel, und können die Berücksichtigung von ESG-Aspekten noch besser nachvollziehen.

Bereits vor Ausbruch der Pandemie haben viele Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass nachhaltiges Wirtschaften ihre Entwicklung positiv beeinflusst und sich mittel- und langfristig rechnet. Sind zum Beispiel Arbeitsprozesse konsequent darauf ausgerichtet, Energie zu sparen und die Umwelt zu schützen, hilft das Unternehmen auch dabei, ihre Kosten zu senken und die Wirtschaftlichkeit zu steigern.

Auch wenn deutsche Mittelständler – und nicht nur diese – zurzeit besonders fordernde Zeiten erleben, bleibt es unverändert wichtig, die Chancen im Blick zu behalten, die mit Investitionen in Schwellenmärkten verbunden sind. Langfristig werden sich Investitionen in innovative, wachstumsstarke Sektoren rechnen, die nicht zuletzt auch auf die Einhaltung von ESG-Kriterien setzen.

Entwicklungsfinanzierer wie die DEG tragen mit ihren Finanzierungen und Beratungsangeboten aktiv dazu bei, in sich entwickelnden Ländern internationale Umwelt-, soziale und Corporate-Governance-Standards zu etablieren und zu verbreiten sowie Prozesse nachhaltig zu gestalten. Und ganz aktuell unterstützen Entwicklungsfinanzierer ihre Kunden auch gezielt mit Covid-19-Response-Maßnahmen dabei, die Coronapandemie und ihre Folgen zu bewältigen.

 


Autor

Dr. Felix Schneider, Prokurist, Abteilung Finanzinstitute, Equity Global Markets, DEG-Deutsche Investitions- und EntwicklungsgesellschaftDr. Felix Schneider,
Prokurist,
Abteilung Finanzinstitute, Equity Global Markets,
DEG-Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft

 

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