Besonders beliebt sind Akkreditive bei Lieferungen nach Asien, denn die dortigen Länder bekamen die Coronakrise als erste zu spüren. Der Handel brach im Frühjahr um bis zu 40% ein, bei den verbleibenden Geschäften waren Absicherung und Finanzierung entsprechend wichtig.

Akkreditive sind im Auslandsgeschäft seit vielen Jahren beliebte Absicherungsinstrumente. Die Coronakrise bringt nun eine neue Dynamik: Deferred-Payment-Akkreditive sichern nicht nur risikoreiche Geschäfte ab, sondern sichern auch die Liquidität.

Ende Juli 2020 vermeldete das Statistische Bundesamt die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik. Von Februar bis Mai 2020 brachen die für Deutschland so wichtigen Exporte durch die Covid-19-Pandemie um fast 27% ein, auch die Auftragseingänge der Industrie verringerten sich um fast 31%. Was Anfang des Jahres in Asien begann, breitete sich innerhalb weniger Wochen wie ein Lauffeuer um die ganze Welt aus. 2020 wird als das Jahr in die Geschichtsbücher eingehen, in dem die Weltwirtschaft eine historische Krise erlebte.

Doch jede Krise birgt auch Chancen. Ökonomen sind sich sicher, dass die Talsohle durchschritten ist. Was bleibt, ist das kollektive Bedürfnis nach Sicherheit – auch in der Außenhandelsfinanzierung. Immerhin sind viele risikoarme Märkte quasi über Nacht zu Sorgenkindern mutiert, auch finanziell solide abgesicherte Firmen benötigen dringend Liquidität. Exporteure setzen zwar seit jeher auf adäquate Absicherung ihrer Auslandsgeschäfte, doch die Prioritäten haben sich verschoben: Bislang gingen deutsche Firmen vor allem bei neuen Geschäftspartnern, Lieferungen in exotische Länder und hohen Auftragssummen auf Nummer sicher und schützten sich unter anderem mit Akkreditiven vor potentiellen Zahlungsausfällen der ausländischen Kunden. Nun sichern sie sich auch bei vermeintlich soliden Abnehmern ab.

Weiterer Unterschied: In der Vergangenheit war der Schutz meist nur auf dem Papier nötig. Dank solider Liquidität und voller Auftragsbücher konnten viele Firmen Zahlungsverzögerungen auch schon einmal aussitzen, ihren Kunden Zahlungsziele gewähren und diese in die eigenen Bücher nehmen. Nach Berechnungen des LBBW Research haben deutsche Mittelständler mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio EUR ihre liquiden Mittel zwischen 2012 und 2016 jährlich um rund 14% gesteigert. Der Mittelstand hat die gute Konjunktur der vergangenen Jahre also auch genutzt, um Geld zurückzulegen und sich ein solides Liquiditätspolster zu schaffen.

Das hilft deutschen Firmen nun durch die Krise. Viele haben im Frühjahr zwar die neu aufgelegten Förderkredite der KfW beantragt, aber die Notkredite tatsächlich abgerufen haben nur wenige. In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung zahlreiche Konjunkturmaßnahmen auf den Weg gebracht, um die Wirtschaft zu stabilisieren – und das bei einer sowieso schon soliden Liquiditätssituation. Länder, deren Regierungen und Unternehmen finanziell nicht so gut aufgestellt sind, leiden nun umso mehr.

Liquidität im Blick

Doch der Wirtschaftseinbruch hinterlässt tiefe Spuren, auch in der Liquidität – insofern geht es deutschen Exporteuren genau wie ihren Bestellern. In der Folge klaffen die Interessen beider Parteien auseinander: Die Abnehmer fragen immer öfter nach langfristigen Zahlungszielen, die Hersteller möchten ihr Geld am liebsten direkt nach Versand der Maschinen auf dem Konto haben.

Dieses Dilemma löst das Deferred-Payment-Akkreditiv, zu Deutsch: Nachsichtakkreditiv. Es erfüllt die Anforderungen beider Seiten, bietet Sicherheit und Finanzierung in einem. Wie ein klassisches Akkreditiv schafft dieses Instrument einen Risikoausgleich zwischen den Unternehmen.

Das Prinzip hat sich bewährt: Zunächst räumt der Exporteur dem Importeur im Rahmen des Akkreditivs ein Zahlungsziel ein. Das Geld wird damit erst nach Ablauf einer Frist fällig, zum Beispiel nach 90 oder 180 Tagen. Ist die Ware verschickt, reicht der Exporteur entsprechende Dokumente bei seiner Hausbank ein und erhält direkt das Geld für den Auftrag. Dem Exporteur fließt damit Liquidität zu, mit der er gegebenenfalls seine eigenen Kreditlinien entlasten kann. Der Importeur bezahlt die Ware erst nach Ablauf der sogenannten Nachsichtfrist.

Das Bindeglied bei der Abwicklung des Geschäfts sind die beteiligten Kreditinstitute: Die Bank des Käufers bürgt dafür, dass er auch wirklich zahlt. Die Bank des Verkäufers sichert ab, dass die Bank des Käufers zahlt. Es sind auch die Geldinstitute, die die Finanzierung des Deferred-Payment-Akkreditivs stemmen. Denn im Gegensatz zur Forfaitierung, bei der Exporteure Forderungen häufig erst nachträglich verkaufen, vereinbaren die Beteiligten die Konditionen von vornherein.

Die Zinssituation im Euro-Raum spielt Herstellern dabei in die Karten: Maßgeblich für die Finanzierungskosten sind nämlich die Bedingungen im Euro-Raum, und dort sind Kredite wegen des niedrigen Zinsniveaus derzeit extrem günstig. Hersteller können ihren Abnehmern also sorgenfrei Zahlungsziele gewähren. Ob sie das Akkreditiv tatsächlich zu Geld machen, steht den Exporteuren dabei frei. Somit sind Deferred-Payment-Akkreditive ein wichtiges Mittel zur Liquiditätssteuerung.

Hausbank als Sparringspartner

Damit das komplexe Konstrukt verlässlich funktioniert, braucht es starke und erfahrene Finanzpartner. Die LBBW begleitet deutsche Unternehmer als Haus- und Kernbank seit Jahrzehnten bei ihren Auslandsgeschäften und kann sich auch in Krisenzeiten als verlässlicher Partner behaupten. Dazu gehören auch eine enge Beziehung zu ausländischen Banken und das gemeinsame Ziel, auch herausfordernde Krisenzeiten gemeinsam zu meistern.

Wichtiger denn je ist zudem eine schnelle Reaktion: In der Regel dauert es nur wenige Werktage, bis die Hausbank Akkreditive der Auslandsbank bestätigt. Sicherheiten muss der Exporteur keine hinterlegen. Die Bank prüft vielmehr die Bonität der Korrespondenzbank im Ausland und errechnet dann die Gebühr, die der Exporteur für die Absicherung zahlen muss. Voraussetzung ist, dass die Korrespondenzbank im Ausland das Akkreditiv eröffnet und über die Hausbank avisiert, sprich: Die Auslandsbank springt ein, falls der Importeur nicht zahlt. In der Regel entspricht die Laufzeit des Akkreditivs der Dauer des Auftrags – von der Auftragserteilung über die Produktion der Ware bis zur Lieferung. Teilzahlungen je nach Lieferfortschritt sind möglich.

Coronakrise hinterlässt Spuren

Besonders beliebt sind Akkreditive bei Lieferungen nach Asien, denn die dortigen Länder bekamen die Coronakrise als Erste zu spüren. Der Handel brach im Frühjahr um bis zu 40% ein, bei den verbleibenden Geschäften waren Absicherung und Finanzierung entsprechend wichtig. Die Umsätze ziehen inzwischen wieder leicht an, dafür leiden andere Teile der Welt wie Südamerika und Afrika nun unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie.

Sri Lanka beispielsweise erlebte im Juli einen plötzlichen Zahlungsstopp, um die Devisenreserven zu sichern. Länder wie Bangladesch, Thailand und Vietnam, die vor einem halben Jahr noch als sichere Handelspartner galten, werden mittlerweile als riskant eingestuft. Auch Geschäfte in Brasilien, Mexiko, Angola, Mosambik und der Elfenbeinküste werden nun deutlich risikoreicher bewertet. Aber auch beim Handel innerhalb der EU setzen deutsche Firmen nun verstärkt auf Akkreditive. Vor allem bei Geschäften mit Unternehmen aus wirtschaftlich stark angeschlagenen Staaten wie Spanien, Italien und Portugal haben Exporteure das Thema auf dem Schirm.

Besonders heikel wird es, wenn in einem Land mehrere Krisen zusammenkommen, wie derzeit in Algerien der Fall: Das nordafrikanische Land hat nicht nur mit der Covid-19-Pandemie zu kämpfen, sondern erlebt gleichzeitig einen politischen Umschwung. Die LBBW ist eine der wenigen deutschen Banken, die überhaupt noch Algerien-Geschäfte absichert. Erst kürzlich hat die Landesbank ein Geschäft mit einem Gesamtvolumen von über 5 Mio EUR begleitet, welches ohne ihr Zutun nicht zustande gekommen wäre. Hier zeigt sich wieder einmal: Starke Partner ermöglichen Geschäfte auch in Krisenzeiten – und stehen mit Rat und Tat zur Seite.

 


Autor

Markus Schmauder, Leiter Fachberatung International Trade & Payment Solutions UK, Bayern/Sachsen/Süd-Württemberg, Landesbank Baden-WürttembergMarkus Schmauder,
Leiter Fachberatung International Trade & Payment Solutions UK,
Bayern/Sachsen/Süd-Württemberg, Landesbank
Baden-Württemberg

 

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