Die Coronapandemie hat Mexiko stark getroffen, auch in den ­Ländern Zentralamerikas sind die Folgen zu spüren. Das verringert die Nachfrage nach deutschen Lieferungen. Doch die Exporte von Medizintechnik und Pharmazeutika gewinnen neues Potential.

Die Coronapandemie hat Mexiko stark getroffen, auch in den ­Ländern Zentralamerikas sind die Folgen zu spüren. Das verringert die Nachfrage nach deutschen Lieferungen. Doch die Exporte von Medizintechnik und Pharmazeutika gewinnen neues Potential.

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Mexiko ist ein wichtiger Lieferant der USA und damit ein interessanter Partner für die deutsche Wirtschaft. Vor allem die Automobilbauer und deren Zulieferer haben sich im nördlichsten Land Lateinamerikas angesiedelt. Doch in der Coronakrise kommen andere Branchen zum Zuge. Zentralamerika zeigt unterdessen ein gemischtes Bild, bietet jedoch ebenfalls Chancen im Gesundheitssektor.

Mexiko

Verstecktes Potential in der Krise

Es sind strukturelle Faktoren, die Mexiko dauerhafte Vorteile bescheren: seine geostrategische Lage als Schnittpunkt zwischen Nord- und Zentralamerika, die Bedeutung als Produktionsstandort für die USA, zahlreiche Freihandelsabkommen sowie der hohe Anteil junger Menschen in der Bevölkerung. Doch jetzt ist Mexiko Corona-Hot-Spot. Das schwache Gesundheitswesen ist stark überlastet – kein OECD-Land testet so wenig wie Mexiko –, so dass das Gesundheits­ministerium eine enorme Dunkelziffer annimmt. Die Arbeitsniederlegung wegen des Gesundheitsnotstands (Emergencia Sanitaria), das Abreißen von Lieferketten, das Versiegen des Handels mit den USA und der Überweisungen von dort sowie der Verfall des Erdölpreises führten zu einem historischen Einbruch des BIP um 18,7% im zweiten Quartal 2020.

Die Zentralbank Banxico reagierte seither mit mehrfachen Senkungen des Leitzinses. Die fiskalpolitische Antwort der Regierung hingegen ist auch im internationalen Vergleich äußerst schwach und besteht hauptsächlich aus günstigen Darlehen für kleine Unternehmen. Überwiegend muss sich die Wirtschaft selbst helfen. Um langjährig aufgebaute Lieferketten zu erhalten, helfen große Unternehmen oft kleineren Geschäftspartnern mit der Stundung von Zahlungen oder bei der Kreditbeschaffung.

So gab es von Anfang der Pandemie an viele Verlierer in den Branchen Bauwirtschaft, Elektronik, Chemie sowie Groß- und Einzelhandel. Massive Umsatzeinbußen hinnehmen musste die Luftfahrt mit –90%. Ebenso die wichtige Tourismusbranche: Hatte sie vor der Coronapandemie einen Anteil von 8,7% am BIP, ist laut Nationalem Tourismusrat CNET für 2020 mit Verlusten von 46% gegenüber 2019 zu rechnen. Schwer getroffen wurde auch die Kfz-Industrie mit einem Produktionseinbruch um 64% im zweiten Quartal, wenn es auch Anfang des dritten Quartals erste Anzeichen leichter Erholung gab.

Verschiebung der Nachfrage im Bereich Gesundheit

Schon vor Corona hinkte der mexikanische Gesundheitssektor mit jährlichen Investitionen von 5% des BIP dem anderer großer lateinamerikanischer Volkswirtschaften (7% bis 9%) deutlich hinterher. Durch die Coronapandemie wurden die Notwendigkeit staatlicher Investitionen drastisch verschärft und die Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador zum Handeln bewegt. Als eine der wichtigsten Aktionen strebte man rasch einen umgerechnet fast 8 Mrd USD schweren Notfallfonds an. Besonders interessant: Zusätzlich wurde das Einkaufsverfahren im staatlichen Gesundheitswesen vereinfacht: Mexikanische Unternehmen dürfen Medizintechnik jetzt aus dem Ausland beziehen – ohne Genehmigung der Zulassungsbehörde Cofepris.

Innerhalb der Medizintechnik verschiebt sich der Bedarf hin zu spezifisch für die Pandemie benötigtem Equipment: Beatmungs- und Diagnosegeräte, Medikamente, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel – hier ergeben sich Chancen für deutsche Exporteure.

Auch in der Arzneimittelfertigung von Generika, in der Mexiko ein bedeutender Produktionsstandort ist, gibt es Neuerungen: Aufgrund des früheren Mangels an Angeboten soll 2020 der hohe Bedarf an importierten Vorprodukten mittels Ausschreibungen auf internationaler Ebene gedeckt werden. Zugehörige Informationen sind einsehbar über Compranet, das zentrale Einkaufsportal der öffentlichen Hand.

Ein Hoffnungsschimmer: Die Großprojekte werden fortgeführt

Langfristig gesehen, ergeben sich in Mexiko die stärksten Impulse wohl aus dem Festhalten an den öffentlichen Investitionsvorhaben: Die großen Infrastrukturprojekte werden unter Coronabedingungen sogar mit höherem Elan weiterverfolgt. Die bekanntesten Beispiele sind der Touristenzug Tren Maya, die Raffinerie Dos Bocas und der Flughafen Santa Lucía. Auch wenn der Markt jetzt vorsichtiger betrachtet werden muss: Mexiko bietet weiterhin Exportchancen.

Ein Blick nach Zentralamerika

Sechs Volkswirtschaften mit großen strukturellen Unterschieden liegen auf der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Die Region Zentralamerika ist daher bei Exporteuren bekannt als schwieriges, weil sehr kleinteiliges Terrain, auf dem sich bereits vor der Coronapandemie zahlreiche soziale und wirtschaftliche Krisen abspielten. Ein Blick auf Guatemala und Costa Rica zeigt, wie unterschiedlich die Ausgangslage der Länder war.

Guatemala

Im Krisenmodus

Mit 15 Millionen Einwohnern ist Guatemala mit Abstand das bevölkerungsreichste Land und die größte Volkswirtschaft in Zentralamerika. In den vergangenen Jahren gehörte Guatemala zu den stärksten Wachstumsmärkten Lateinamerikas, konnte jedoch trotz wirtschaftlicher Stabilität und solider Wachstumsraten Armut, Kriminalität und Korruption nicht signifikant reduzieren. Rund 60% der 15 Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, weshalb Guatemalteken einen Großteil der Migranten ausmachen, welche aus Perspektivlosigkeit und aus Furcht vor den brutalen Banden (Maras) in den USA Asyl suchen. Der Weg über die Grenze wurde vielen Migranten jedoch zunächst von Donald Trump und nun auch von Corona erschwert.

Durch den Ausbruch der Coronapandemie droht Guatemala die schwerste Rezession seit Jahrzehnten. In diesem Jahr wird mit einem Negativwachstum zwischen 3% und 5% gerechnet, was größtenteils am Shutdown des Haupthandelspartners und -investors USA liegt, von dem Guatemala auch beim Devisenzufluss in Form von Remesas stark abhängig ist. Die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch die Ausrufung des Ausnahmezustands (Estado de Calamidad) haben die Wirtschaft nahezu zum Erliegen gebracht. Zur Entlastung wurden drei große Fiskalpakete beschlossen, welche unter anderem durch eine im April begebene Staatsanleihe in Höhe von 1,2 Mrd USD finanziert wurden.

Unterfinanziertes Gesundheitswesen

Im Januar übernahm der rechtskonservative Präsident und gelernte Arzt Alejandro Giammattei die Amtsgeschäfte mit dem Versprechen, Armut und Korruption zu bekämpfen. Sein Regierungsprogramm musste jedoch bereits nach 49 Tagen im Amt pausieren, als das Virus Guatemala erreichte und die Regierung auf Krisenmanagement umschaltete. Das Gesundheitswesen war nach jahrzehntelanger Vernachlässigung in chaotischem Zustand. Die schnelle Verbreitung des Virus zwang die Regierung, die Verbesserung der Versorgungssituation voranzutreiben. So verzeichnete der Pharmasektor im ersten Quartal 2020 ein um knapp 10% gestiegenes Importvolumen im Vergleich zur Vorjahresperiode. Guatemala ist nach Costa Rica der zweitgrößte Importeur von pharmazeutischen Produkten in Zentralamerika. Deutschland zählt neben den USA und Mexiko zu den Toplieferanten.

Möglichkeiten für deutsche Exporteure

Für deutsche Technologie und Produkte ist Guatemala in der Rangfolge der Handelspartner nach Panama das zweitwichtigste Exportland in Zentralamerika. Enormes Potential besteht bei der Ver­besserung der Verkehrsinfrastruktur, da nur etwa ein Viertel der Straßen asphaltiert ist. Durch den Ausbau von Schienennetz, Häfen und Flughäfen hofft das Land, internationale Investoren anzulocken. Investitionen im Energie-, Telekommunikations- und Dienstleistungssektor sollen durch PPP-Projekte vorangetrieben werden.

Auch in der Landwirtschaft sind hochwertige deutsche Maschinen gefragt. Guatemala hat aktuell ein Pilotprogramm für Biobrennstoff wieder aufgenommen, wo-bei Ethanol aus Rohrzucker gewonnen werden soll. Große Zuckerfirmen in Guatemala wollen in den nächsten Jahren die bislang manuelle Zuckerrohrernte mechanisieren.

Costa Rica

Krise unter Kontrolle

Im Vergleich zu seinen Nachbarländern hat Costa Rica die aktuelle Ausnahmesituation gut im Griff, konnte auf eine allgemeine Ausgangssperre verzichten und war das erste Land in der Region, welches die Infektionsschutzmaßnahmen wieder lockerte.

Das Land mit seinem vergleichsweise hohen Lebensstandard gilt als eines der fortschrittlichsten Länder Lateinamerikas und geht in vielen Bereichen einen eigenen, erfolgreichen Weg. So ist das zentralamerikanische Land ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit, hat sich dem Ökotourismus verschrieben und bezieht seinen Strombedarf zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen. Da es hierbei die höchsten geltenden Standards der Industrienationen erfüllt, tritt Costa Rica 2020 als viertes lateinamerikanisches Land nach Mexiko, Chile und Kolumbien der OECD bei.

Vorteile durch ein solides Gesundheitssystem

Costa Rica hat bereits 1949 das eigene Militär abgeschafft und stattdessen in ein starkes Gesundheits- und Bildungssystem investiert. Als eines der wenigen Länder in Lateinamerika verfügt das Land heute über ein flächendeckendes Gesundheitssystem und konnte dank guter Zusammenarbeit der Regierung mit privaten Institutionen und Experten aus der Medizintechnik schnell und angemessen auf das Virus reagieren.

Der hohe Stellenwert des Gesundheitswesens zeigt sich auch darin, dass Costa Rica im ersten Quartal 2020 der größte zentralamerikanische Importeur pharmazeutischer Produkte war – mit steigender Tendenz (+14,71% gegenüber der Vorjahresperiode). Insbesondere der deutsche Lieferanteil ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen.

Besonders die Tourismusbranche und der gesamte Exportsektor sind von der Coronapandemie stark betroffen. Jedoch ist mit der Öffnung der Grenzen für Touristen bereits im August ein Stück Normalität zurückgekehrt. Der Bausektor musste genauso wie die Landwirtschaft aufgrund der umfangreichen Beschränkungen im Inland ebenfalls eine Stagnation verkraften.

Vielversprechende Zukunft nach der Pandemie

Für ODDO BHF bleibt der lateinamerikanische Kontinent eine strategisch wichtige Region, von deren Potential die Bank trotz großer Herausforderungen fest überzeugt ist. Sie unterhält langjährige Kontakte in zahlreiche lateinamerikanische Länder und stellt ihre Länder- und Produktexpertise Exporteuren jederzeit gerne zur Verfügung.

Annemarie.Kuempel@oddo-bhf.com

Christoph.Geiger@oddo-bhf.com

www.oddo-bhf.com

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