Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat die transatlantischen Beziehungen nicht einfacher gemacht, räumte BDI-Präsident Dieter Kempf auf der diesjährigen Transatlantischen Jahreswirtschaftskonferenz in Frankfurt am Main ein. Zusammen mit der geschäftsführenden Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries und dem Vorsitzenden der Atlantikbrücke Friedrich Merz gab er einen Einblick in die aktuellen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA aus deutscher Sicht.

Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Kempf betonte, dass das Vertrauen in die gemeinsamen Werte und das Funktionieren der Checks and Balances in der US-Politik eine gute Basis für die Zusammenarbeit biete. Diese sei zur Bewältigung der internationalen Herausforderungen nötig. Alleingänge wie die neuen Sanktionen gegen Russland, die deutsche Unternehmen treffen würden, seien allerdings nicht geeignet, Vertrauen aufzubauen.

Sanktionen als wirtschaftspolitisches Instrument ungeeignet

Beim Thema Sanktionen gegen Pipelineprojekte für russisches Erdgas waren sich die deutschen Sprecher einig. Merz verwies auf einen inzwischen abgemilderten Passus im entsprechenden Gesetzestext, in dem das Ziel der Förderung eigener Flüssiggasexporte explizit formuliert worden sei. Das habe mit dem ursprünglichen Ziel einer Änderung der russischen Ukrainepolitik nichts mehr zu tun. Inzwischen sieht der Text immerhin Konsultationen mit den befreundeten Staaten vor (siehe dazu den Beitrag von Niestedt/Müller, Seite 22–24). Zypries berichtete von einer unter deutschen Unternehmen und Banken stark verbreiteten Unsicherheit über Geschäfte mit dem Iran und kritisierte den US-amerikanischen Ansatz der exterritorialen Anwendung seiner Gesetze. Kürzlich hatte US-Außenminister Rex Tillerson unter anderem europäische Unternehmen vor Geschäften mit den iranischen Revolutionsgarden gewarnt. Zuvor hatte US-Präsident Trump eine entspanntere Haltung gezeigt.

Neues Handelsabkommen besser vorbereiten

Auch mit Blick auf das Partnerschaftsabkommen TTIP waren sich die Redner einig, dass das ursprüngliche Ziel einer umfassenden Vereinbarung wohl nicht mehr zu erreichen sei. Doch die Tür zu neuen Verhandlungen sei nicht verschlossen, betonte Kempf. Es seien aber eine bessere Vorbereitung und Vermittlung nötig. Merz forderte auch einen neuen Namen für das Abkommen, TTIP sei ein Reizwort. Man solle schrittweise vorgehen und sich zunächst auf Zölle und Produktstandards einigen. Den Kritikern von TTIP rief er zu, dass es angesichts der Ankündigungen Donald Trumps heute gut wäre, wenn es TTIP gebe. Insbesondere die Schiedsgerichte würden vor protektionistischen Maßnahmen der USA schützen.

Deutsche Autobauer in den USA Nettoexporteure

Der Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen aus den USA begegnete Zypries mit dem Hinweis auf die komplexen Wertschöpfungsbeziehungen aus Vorleistungen und Investitionsgütern für deutsche Werke in den USA sowie weiteren Leistungsbilanztransaktionen, bei denen die USA Überschüsse verzeichneten. Ohnehin seien die deutschen Autobauer in den USA Nettoexporteure und entlasteten die US-Handelsbilanz. Handelsbeschränkungen und Schutzzölle für die Kfz-Industrie würden die Revitalisierung der Industrie in den USA eher behindern als fördern. In Bundesstaaten, in denen deutsche Unternehmen von Bedeutung sind, werde dies bestätigt. Insbesondere die duale Berufsausbildung werde hochgeschätzt, bestätigten Merz und der Leiter der US-Botschaft in Berlin, Kent Logsdon. Dieser erläuterte die Sicht der US-Regierung, die insbesondere unfaire Handelsbedingungen im Blick habe.

USA wollen fairen Wettbewerb

Logsdon erinnerte an die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor deren Hintergrund die Wahlentscheidung in den USA gefallen sei. So erzeugten die digitale Revolution und der mit ihr verbundene Strukturwandel einen starken Druck auf die Arbeitnehmer. Die Wähler suchten nach neuen Wegen in der Politik und hätten einen unkonventionellen Präsidenten gewählt, der die internationalen Beziehungen neu bewerte. Das gelte insbesondere für die Handelsbeziehungen und die bestehenden Handelsabkommen, die nun überprüft würden. Wenn die Rahmenbedingungen auf den Auslandsmärkten fair seien, könne die US-Industrie überall mithalten.

Der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, verwies auf einige Maßnahmen des neuen Präsidenten, die er durchaus positiv bewerte. So würden staatliche Investitionen und Deregulierungen der Wirtschaft Schwung verleihen. Auch die Steuerreform komme besser voran als erwartet. Das Scheitern der Gesundheitsreform erleichtere die Durchsetzung. Das Säbelrasseln in der Handelspolitik beunruhige zwar auch ihn. Allerdings bestehe NAFTA nun bereits seit 13 Jahren und könne ein Update gut gebrauchen. Er empfahl, bei lautstarken Ankündigungen des Präsidenten einfach „den Ton runterzudrehen“ und auf die tatsächliche Politik zu schauen. Wichtig sei, weiter im Gespräch zu bleiben.

Stimmung verbessert sich

Die Gesprächsatmosphäre bei der jüngsten Delegationsreise in die USA im September sei deutlich besser gewesen als die während der Begegnungen im Mai, zitierte Brigitte Zypries ihren Staatssekretär Matthias Machnig. Er hatte Washington, Chicago und Detroit besucht und unter anderem über die Handelsdefizite der USA und die US-Sanktionspolitik gesprochen.

Einige Tage zuvor war bereits eine Delegation von BDI und VDMA vor Ort und berichtete von positiven Signalen für eine Neuaufnahme der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Man warte dort auf ein Signal aus Brüssel, berichtete VDMA-Vizepräsident Karl Haeusgen der Presse.

Auch Friedrich Merz berichtete von einer positiven Stimmung der amerikanischen Gesprächspartner auf der jüngsten Mitgliederreise der Atlantikbrücke im Oktober. In Washington und Charlotte, North Carolina, habe man zahlreiche Beispiele für eine unverändert intensive Zusammenarbeit erlebt.

Auch Europa ist in der Pflicht

Aber es sei auch klar, dass die USA nicht mehr bereit seien, die finanziellen Lasten der europäischen Sicherheit zu übernehmen. Die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der NATO-Partner würde von jeder US-Regierung erhoben. Merz forderte ein stärkeres Selbstbewusstsein Europas, der Patriotismus der Amerikaner sei ein gutes Vorbild. Man erlebe auch in Europa einen wachsenden Populismus, es fehle an Einigkeit und klaren Zielen.

Merz erinnerte an die Analyse des Historikers Heinrich August Winkler („Zerbricht der Westen?“), nach der wir vor der Entscheidung stünden, ob die Welt in Zukunft demokratisch oder autokratisch regiert werde. Während sich die EU, Großbritannien und die USA zerstritten, habe sich China zu Jahresbeginn zum Fürsprecher des Freihandels erklärt und der NATO-Partner Türkei ein repressives Präsidentialsystem eingeführt.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

 

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